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VwGH 30.03.2016, Ra 2016/09/0011

VwGH 30.03.2016, Ra 2016/09/0011

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §8;
B-VG Art133 Abs4;
GdBedG Krnt 1992 §62;
GdBedG Krnt 1992 §65 Abs1;
GdBedG Krnt 1992 §65 Abs4;
VwRallg;
RS 1
§ 8 AVG kommt nach dem Einleitungssatz von § 65 Abs. 1 Krnt GdBedG 1992 in Disziplinarverfahren nur dann zur Anwendung, "sofern in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist". Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 62 Krnt GdBedG 1992 sind Parteien im Disziplinarverfahren der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Es ergibt sich kein Anzeichen dafür, dass diese Aufzählung nicht taxativ sondern bloß demonstrativ wäre. § 65 Abs. 4 Krnt GdBedG 1992 sieht (nur) eine Zustellung des Beschlusses der Disziplinarkommission über die Durchführung eines Disziplinarverfahrens an die Dienstbehörde vor. Bezüglich des Vorliegens einer Parteistellung im Verfahren vor dem VwG ist aus dieser Norm nichts zu gewinnen. Eine ähnliche Situation ist in Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979 gegeben: Hat hier die Dienstbehörde die Disziplinaranzeige (wie auch im vorliegenden Fall) oder die Selbstanzeige einmal an die Disziplinarkommission weitergeleitet, so verliert sie - in Bezug auf die der Anzeige zugrundeliegenden Dienstpflichtverletzungen - ihre eigene Zuständigkeit; sie kann nur mehr im Auftrag der Disziplinarkommission tätig werden. Vor dem Hintergrund der - im Zusammenhalt mit § 65 Abs. 1 Krnt GdBedG 1992 - eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 62 Krnt GdBedG 1992 vermag die Revision somit keine Rechtsfragen aufwerfen, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision

1. der Gemeinde S, und 2. des Bgm. K S, beide in L, beide vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald - Partnerschaft, in 9300 St. Veit/Glan, Unterer Platz 11, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-2102/2/2015, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Disziplinarangelegenheit nach dem Kärntner Gemeindebedienstetengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission für öffentlichrechtliche Gemeindebedienstete beim Amt der Kärntner Landesregierung; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben dem Land Kärnten Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat mit Bescheid vom das gegen den öffentlich-rechtlichen Bediensteten der Erstrevisionswerberin X wegen des Verdachts von Dienstpflichtverletzungen nach §§ 17, 19 und 21 des Kärntner Gemeindebedienstetengesetz (K-GBG) geführte Disziplinarverfahren eingestellt.

2 Die von der Erstrevisionswerberin, vertreten durch den Zweitrevisionswerber, gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss als unzulässig zurückgewiesen und im Wesentlichen damit begründet, dass der Gemeinde bzw. dem Bürgermeister als Dienstbehörde mangels gesetzlicher Festlegung eine Parteistellung nicht zukomme.

3 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach Art. 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, dass es sich bei der Frage, ob der Gemeinde im Disziplinarverfahren nach dem K-GBG Parteistellung zukomme, um eine erhebliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG handle. Gemäß § 62 K-GBG seien im Disziplinarverfahren "jedenfalls der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt Parteien"; nach § 65 Abs. 1 K-GBG würde auch in Disziplinarverfahren § 8 AVG zur Anwendung kommen, welche Bestimmung demjenigen Parteistellung verleihe, der aufgrund eines rechtlichen Interesses an der Sache beteiligt ist. Allein schon aus der Formulierung des § 65 Abs. 4 K-GBG, wonach der Beschluss der Disziplinarkommission zur Durchführung eines Disziplinarverfahrens (auch) der Dienstbehörde zuzustellen ist, folge, dass der Erstrevisionswerberin (als Dienstbehörde) Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zukomme.

5 Die bezughabenden §§ 62 und 65 im IV. Abschnitt ("Disziplinarrecht") des Kärntner Gemeindebedienstetengesetzes (K-GBG) lauten wie folgt:

"§ 62

(LGBl. Nr. 83/1979, Art. I Z 66)

Parteien

Parteien im Disziplinarverfahren sind der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Die Stellung als Partei kommt ihnen mit dem Zeitpunkt der Zustellung der Disziplinaranzeige zu. (LGBl. Nr. 71/1998, Art. III Z 30)

§ 65

(LGBl. Nr. 83/1979, Art. I Z 66)

Disziplinarverfahren

(1) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Disziplinarverfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, mit Ausnahme der §§ 2 bis 4, 12, 39 Abs. 2a, §§ 41, 42, 44a bis 44g, 51, 57, 58a, 62 Abs. 3, §§ 63 bis 67, 68 Abs. 2 und 3, § 73 Abs. 2 und 3, §§ 75 bis 79a anzuwenden. (LGBl. Nr. 9/2015, Art. III Z 14)

(2) Der Bürgermeister hat nach Durchführung der zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen die Disziplinaranzeige unter Anschluß des Personalaktes unverzüglich an die Disziplinarkommission zu übermitteln.

(3) Der Vorsitzende der Disziplinarkommission hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Die notwendigen Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

(4) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Beschluß dem beschuldigten öffentlich-rechtlichen Bediensteten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. (LGBl. Nr. 85/2013, Art. XXXIX Z 27)

(5) Sind in anderen Rechtsvorschriften an die Einleitung des Disziplinarverfahrens Rechtsfolgen geknüpft, so treten diese nur im Fall des Beschlusses der Disziplinarkommission, ein Disziplinarverfahren durchzuführen, und im Falle der Suspendierung ein."

In § 8 AVG heißt es:

"Beteiligte; Parteien

§ 8. Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, sind Beteiligte und, insoweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien."

6 In der Revision wird übersehen, dass der ins Treffen geführte § 8 AVG nach dem Einleitungssatz von § 65 Abs. 1 K-GBG in Disziplinarverfahren nur dann zur Anwendung kommt, "sofern in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist". Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 62 K-GBG sind Parteien im Disziplinarverfahren der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt. Es ergibt sich kein Anzeichen dafür, dass diese Aufzählung nicht taxativ sondern bloß demonstrativ wäre. Aus § 65 Abs. 4 K-GBG, der (nur) eine Zustellung des Beschlusses der Disziplinarkommission über die Durchführung eines Disziplinarverfahrens an die Dienstbehörde vorsieht, ist für die Ansicht der Revisionswerber bezüglich des Vorliegens einer Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nichts zu gewinnen. Das Fehlen einer Rechtsprechung zu einer bestimmten Norm führt nämlich nicht unbedingt zur Zulässigkeit der Revision. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn die Rechtslage eindeutig ist und daher trotz fehlender Rechtsprechung keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Ra 2014/04/0053, und vom , Ra 2015/04/0005, mwN).

7 In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Materiengesetzgeber zur Beurteilung der Frage, wem in einem bestimmten Verfahren solche subjektiven Rechte iSv § 8 AVG eingeräumt werden, auch ausdrücklich klarstellen kann, welchen Personen Parteistellung kraft subjektiven Rechts zukommt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I, 2. Auflage, § 8 Rz 12). Im Übrigen ist auf die ähnliche Situation in Disziplinarverfahren nach dem BDG 1979 hinzuweisen: Hat hier die Dienstbehörde die Disziplinaranzeige (wie auch im vorliegenden Fall) oder die Selbstanzeige einmal an die Disziplinarkommission weitergeleitet, so verliert sie - in Bezug auf die der Anzeige zugrundeliegenden Dienstpflichtverletzungen - ihre eigene Zuständigkeit; sie kann nur mehr im Auftrag der Disziplinarkommission tätig werden (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage, Seite 564).

8 Vor dem Hintergrund der - im Zusammenhalt mit § 65 Abs. 1 K-GBG - eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 62 K-GBG vermag die Revision somit keine Rechtsfragen aufwerfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

9 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am

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Normen
AVG §8;
B-VG Art133 Abs4;
GdBedG Krnt 1992 §62;
GdBedG Krnt 1992 §65 Abs1;
GdBedG Krnt 1992 §65 Abs4;
VwRallg;
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut
des Gesetzes VwRallg3/2/1
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht
Anfechtungsrecht VwRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016090011.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
XAAAF-50706

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