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VwGH 28.04.2016, Ra 2016/07/0029

VwGH 28.04.2016, Ra 2016/07/0029

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
VwGG §41 Abs1;
WRG 1959 §10 Abs2;
WRG 1959 §10 Abs3;
RS 1
Nach § 10 Abs. 3 WRG 1959 bedürfen artesische Brunnen jedenfalls der Bewilligung nach § 10 Abs. 2 legcit. Unter einem artesischen Brunnen ist ein Brunnen zu verstehen, bei dem (zumindest) zum Zeitpunkt seiner Errichtung Wasser durch eigenen Druck frei ausströmte, wenn die undurchlässige Deckschicht durchstoßen wurde. Bei der Beurteilung, ob ein artesischer Brunnen vorliegt oder nicht handelt rs sich keinesfalls um eine reine Rechtsfrage (vgl. E , 93/07/0018). Die Frage, ob bei einem Brunnen (zum Zeitpunkt der Errichtung) Wasser aus eigenem Druck frei ausströmte, kann nicht ohne Kenntnis konkreter Sachverhaltselemente gelöst werden. Diese Frage stellt daher keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage dar. Daraus folgt aber, dass eine im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem VwG trotz vorhandener Gelegenheit unterbliebene Bekämpfung dieser Annahme wegen des im Verfahren vor dem VwGH geltenden Neuerungsverbotes nicht mehr nachgeholt werden kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 46.23-3515/2015-7, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis war die Beschwerde der Revisionswerberin gegen einen Bescheid der belangten Behörde, mit dem ihr aufgetragen wurde, ihren artesischen Brunnen in näher dargestellter Weise zu verschließen, unter Festsetzung einer neuen Erfüllungsfrist abgewiesen worden. Der wasserpolizeiliche Auftrag stützte sich dabei auf hydrogeologische und wasserbautechnische Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen.

5 In der außerordentlichen Revision wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht, es liege in Wahrheit gar kein artesischer Brunnen vor; die Genehmigungspflicht des § 10 Abs. 3 WRG-1959 sei daher nicht gegeben, der Brunnen wäre vielmehr nach § 10 Abs. 1 leg. cit. bewilligungsfrei.

6 Nach § 10 Abs. 3 WRG 1959 bedürfen artesische Brunnen jedenfalls der Bewilligung nach § 10 Abs. 2 leg. cit. Unter einem artesischen Brunnen ist ein Brunnen zu verstehen, bei dem (zumindest) zum Zeitpunkt seiner Errichtung Wasser durch eigenen Druck frei ausströmte, wenn die undurchlässige Deckschicht durchstoßen wurde.

7 Der erstmals in der Revision vorgebrachten Behauptung, dass es sich beim Brunnen der Revisionswerberin um keinen artesischen Brunnen handelt, könnte wegen des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbotes des § 41 VwGG aber nur dann Relevanz zukommen, wenn die Revisionswerberin eine solche Behauptung spätestens vor dem Verwaltungsgericht erhoben hätte.

8 Im vorliegenden Fall gingen alle beigezogenen Sachverständigen davon aus, dass es sich beim Brunnen der Revisionswerberin um einen artesischen Brunnen handelt. Die Gutachten der Sachverständigen und die Stellungnahme des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans bezogen sich auf den Anschnitt des gespannten Grundwassers durch die konkret erfolgte Tiefbohrung (von ca. 50 m), die dadurch vermutlich geschaffene Verbindung von Grundwasserhorizonten und die (im Laufe der Jahre rückgehende) Schüttung des Brunnens. Die Revisionswerberin hat diese Annahme nie dezidiert in Zweifel gezogen.

9 Eine solche Bestreitung ist auch dem Schriftsatz der Revisionswerberin vom nicht zu entnehmen, in dem sie zwar auf eine Förderung des Wassers mittels einer Oberwasserpumpe verweist, gleichzeitig aber angibt, dass man sich nach schlechter Wasserqualität entschlossen habe, im Brunnen eine "Bohrung auf ca. 50 m zu machen, um das eigene gespannte Grundwasser zu nutzen." Damit liegt nach den eigenen Angaben der Revisionswerberin ein artesischer Brunnen vor.

10 Auch der in der Beschwerde geäußerten Ansicht der Revisionswerberin, ihr Vater habe deshalb die Eintragung nach § 142 WRG 1959 unterlassen, weil er der Meinung gewesen sei, er habe "keinen typischen artesischen" Brunnen, ist nicht zu entnehmen, dass sie damit die Eigenschaft des Brunnens als artesischer Brunnen bestreiten wollte. Zudem hat die Revisionswerberin auch im daran anschließenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht dessen Annahme, es liege ein artesischer Brunnen vor, nicht in Zweifel gezogen (vgl. das Schreiben der Revisionswerberin vom zum ergänzten Gutachten des hydrogeologischen Amtssachverständigen).

11 Es handelt sich im vorliegenden Fall bei der Beurteilung, ob ein artesischer Brunnen vorliegt oder nicht, auch keinesfalls um eine reine Rechtsfrage, wie die Revisionswerberin aus dem hg. Erkenntnis vom , 93/07/0018, abzuleiten versucht. Im dortigen Fall ging es um die strittige Einstufung eines Brunnens, der ursprünglich artesisch war, diese Eigenschaft aber später verlor, aber ungeachtet dessen unverändert fremde Rechte beeinträchtigen konnte. Die damals dennoch (weiterhin) erfolgte Einstufung als artesischer Brunnen im Sinne des § 10 Abs. 3 WRG 1959 stellte eine rein rechtliche Beurteilung dar, die auf keinen entsprechenden fachlichen Beurteilungen aufbauen konnte. In diesem Sinne führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass der gegenteilige Vorschlag des Sachverständigen über die Einstufung des Brunnens (als nicht artesisch) einen rechtlichen Subsumtionsvorschlag darstellte, der Sache der Behörde sei. Diese einem Sachverständigen nicht zustehende rechtliche Beurteilung bezog sich aber nur auf die Einstufung eines aktuell nicht-artesischen Brunnens als artesisch im Sinne des 10 Abs. 3 WRG 1959; darin liegt eine rein rechtliche Subsumtion. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass auch die Frage, ob aus technischer Sicht ein artesischer Brunnen vorliegt oder nicht, eine Rechtsfrage darstellt.

Die Frage, ob bei einem Brunnen (zum Zeitpunkt der Errichtung) Wasser aus eigenem Druck frei ausströmte, kann nicht ohne Kenntnis konkreter Sachverhaltselemente gelöst werden. Diese Frage stellt daher keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage dar. Daraus folgt aber, dass eine im Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht trotz vorhandener Gelegenheit unterbliebene Bekämpfung dieser Annahme wegen des im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltenden Neuerungsverbotes nicht mehr nachgeholt werden kann.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
VwGG §41 Abs1;
WRG 1959 §10 Abs2;
WRG 1959 §10 Abs3;
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener
Sachverhalt)
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016070029.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-50682