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VwGH 27.07.2016, Ra 2016/06/0036

VwGH 27.07.2016, Ra 2016/06/0036

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §52 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
RS 1
Mit der Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen wird zwar über dessen verfahrensrechtliche Rechtsstellung rechtsgestaltend abgesprochen, die verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Parteien des Verwaltungsverfahrens dadurch aber nicht berührt. Die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen hat diesem gegenüber daher den Charakter eines verfahrensrechtlichen Bescheids, gegenüber den Parteien aber nur den Charakter einer nicht selbständig anfechtbaren Verfahrensanordnung (vgl. B , 91/07/0017; B , 93/05/0188; B , 96/04/0007; E , 2002/03/0076).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2012/07/0210 E RS 1
Norm
AVG §63 Abs2;
RS 2
Eine bloß das Verfahren betreffende, die Angelegenheit nicht abschließende Anordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG kann nur mit der gegen diesen Bescheid zulässigen Beschwerde - allenfalls nach

Erschöpfung des Instanzenzuges - beim Verwaltungsgerichtshof

(nunmehr: beim Verwaltungsgericht) angefochten werden (Hinweis B vom , 93/05/0188).

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2016/06/0039 B

Ra 2016/06/0069 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision 1. des J B und

2. der Fa. J B Gesellschaft mbH, beide in S, beide vertreten durch Mag. Heinrich Luchner, Dr. Rainer Wechselberger und MMag. Johannes Wechselberger, Rechtsanwälte in 6290 Mayrhofen, Waldbadstraße 537, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2015/31/2785-1, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft K), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Spruchpunkt I. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft K (BH) vom wurde ausgeführt, zum Zweck der Durchführung der Bauaufsicht seien die Organe der Behörde berechtigt, den Bauplatz zu betreten und die Baustelle zu besichtigen. Der Erstrevisionswerber sei dieser Verpflichtung dadurch nicht nachgekommen, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ der Zweitrevisionswerberin mit Sitz in S am um ca. 8:00 Uhr dem von der Gemeinde S mit Bescheid vom bestellten nichtamtlichen Sachverständigen Dipl-Ing. G. untersagt habe, das Grundstück Nr. 587/26 KG S, welches im Eigentum der Zweitrevisionswerberin stehe, für die erforderlichen Bestandsaufnahmen zu betreten.

2 Der Erstrevisionswerber habe dadurch § 34 Abs. 2 und § 57 Abs. 2 lit. e Tiroler Bauordnung (TBO) in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG verletzt. Es wurde über ihn gemäß § 57 Abs. 2 lit. e TBO eine Geldstrafe von EUR 360,00 (Ersatzfreiheitsstrafe: 34 Stunden) verhängt. Ferner habe der Erstrevisionswerber gemäß § 64 VStG die mit EUR 36,00 bestimmten Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.

3 Mit Spruchpunkt II. des genannten Straferkenntnisses wurde ausgesprochen, dass die Zweitrevisionswerberin gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.

4 Dagegen erhoben die erst- und die zweitrevisionswerbenden Parteien Beschwerde, der die BH mit Beschwerdevorentscheidung vom insofern Folge gab, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 150,00 und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 14 Stunden herabgesetzt und die Kosten des Strafverfahrens auf EUR 15,00 verringert wurden.

5 Nach Erhebung eines Vorlageantrages durch die revisionswerbenden Parteien wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit dem angefochtenen Erkenntnis vom die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet ab, als die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden sei, "§ 41 Abs. 2 TBO 2011" und die Strafsanktionsnorm "§ 57 Abs. 2 lit. g TBO 2011" zu lauten hätten.

6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11 Gemäß § 41 Abs. 2 TBO 2011, LGBl. Nr. 57/2011, sind die Organe der Behörde berechtigt, zum Zweck der Wahrnehmung der Aufgaben nach den §§ 38, 39 und 40 den Bauplatz und alle Teile von baulichen Anlagen zu betreten. Der Eigentümer der baulichen Anlage oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigte hat dafür zu sorgen, dass den Organen der Behörde auf deren Verlangen alle erforderlichen Auskünfte erteilt werden. Bei Gefahr im Verzug ist den Organen der Behörde der Zutritt auch während der Nachtstunden zu gestatten.

12 Die revisionswerbenden Parteien begründen die Zulässigkeit der Revision wie folgt:

"Die vorliegende außerordentliche Revision ist zulässig, da sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. In diesem Sinn weicht das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol von der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes ab, die vorsieht, dass die Behörde nur ausnahmsweise einen nicht amtlichen Sachverständigen bestellen darf, und primär ein Amtssachverständiger beizuziehen ist. Im gegenständlichen Fall hat das Landesverwaltungsgericht zu diesem Thema, obgleich vom Beschwerdeführer in der Beschwerde aufgegriffen, keine Ausführungen erstattet und hat sich damit ohne Begründung über die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes hinweggesetzt."

13 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird mit der Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen zwar über dessen verfahrensrechtliche Rechtsstellung rechtsgestaltend abgesprochen, die verfahrensrechtliche Rechtsstellung der Parteien des Verwaltungsverfahrens dadurch aber nicht berührt. Die Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen hat diesem gegenüber daher den Charakter eines verfahrensrechtlichen Bescheides, gegenüber den Parteien aber nur den Charakter einer nicht selbständig anfechtbaren Verfahrensanordnung (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom , 96/04/0007, und das hg. Erkenntnis vom , 2012/07/0210, jeweils mwN).

14 Eine bloß das Verfahren betreffende, die Angelegenheit nicht abschließende Anordnung im Sinne des § 63 Abs. 2 AVG kann nur mit der gegen diesen Bescheid zulässigen Beschwerde - allenfalls nach Erschöpfung des Instanzenzuges  - beim Verwaltungsgerichtshof (nunmehr: beim Verwaltungsgericht) angefochten werden (vgl. den hg. Beschluss vom , 93/05/0188).

15 Die Angelegenheit, in der im vorliegenden Fall ein Bescheid wegen der Bestellung eines nichtamtlichen Sachverständigen angefochten werden könnte, ist - wie auch das LVwG zutreffend anmerkt - aber das Verfahren betreffend die behördliche Bauaufsicht.

16 Im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren ist hingegen entscheidend, ob einem "Organ der Behörde" rechtswidrig untersagt wurde, die in § 41 Abs. 2 TBO 2011 normierten Berechtigungen auszuüben. Dass es sich bei dem mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S bestellten nichtamtlichen Sachverständigen - mag diese Bestellung nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien auch zu Unrecht erfolgt sein - um ein Organ der Behörde handelt, wird mit den Ausführungen der revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revision nicht konkret in Zweifel gezogen.

17 Die in den Zulässigkeitsausführungen allein aufgeworfene Frage, ob die Baubehörde einen nichtamtlichen Sachverständigen bestellen durfte, erweist sich somit als für die Entscheidung über die Revision nicht präjudiziell (vgl. zu dieser Voraussetzung etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/07/0170, mwN), weshalb sich die vorliegende Revision bereits aus diesem Grund als unzulässig erweist.

18 Im Übrigen trifft die Behauptung der revisionswerbende Parteien, das LVwG habe zu dem in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision angesprochenen und bereits in der Beschwerde aufgegriffenen Thema keine Ausführungen erstattet, nicht zu.

19 Ergänzend ist anzumerken, dass in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision auch die in der Judikatur geforderte konkrete - zumindest eine nach Datum und Geschäftszahl bezeichnete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes umfassende - Angabe der (von den revisionswerbenden Parteien behaupteten) "gefestigten Rechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofes, von der das LVwG nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien abgewichen sein soll, fehlt (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/02/0187).

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

21 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG Abstand genommen werden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §52 Abs2;
AVG §56;
AVG §63 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde
subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und
Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde
Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint
keineBESCHWERDELEGITIMATION
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Verfahrensanordnungen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016060036.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
BAAAF-50667