VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0088
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | VwGG §33 Abs1; VwGG §34 Abs1; VwGG §42 Abs1; |
RS 1 | Die Revisionsberechtigung (Revisionslegitimation) ist Voraussetzung für eine Sachentscheidung nach § 42 Abs. 1 VwGG. Für die Beurteilung der Revisionslegitimation ist ausschlaggebend, ob die Revisionswerberin nach der Lage des Falles durch das bekämpfte Erkenntnis - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre der Revisionswerberin, so mangelt dieser die Revisionsberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung der Revisionswerberin keinen Unterschied macht, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Der VwGH ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (Hinweis B vom , 2008/20/0502, mwN). Besteht die Rechtsverletzungsmöglichkeit im Zeitpunkt der Einbringung der Revision bereits nicht (mehr), dann ist die Revision zurückzuweisen; fällt diese Voraussetzung nachträglich weg, wird die Revision gegenstandslos und das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt. |
Normen | AsylG 2005 §3 Abs1; VwGG §34 Abs1; |
RS 2 | Durch die freiwillige Rückkehr in ihren Herkunftsstaat hat die Revisionswerberin unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie ihre Rechtsstellung als Asylwerberin bzw. ihre Ansprüche auf Asylgewährung in Österreich und die damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensrechte nicht weiter aufrechterhalten will und demnach ihr rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung über das angefochtene Erkenntnis, das sich für sie nicht mehr nachteilig auswirken kann, bereits vor Revisionserhebung weggefallen ist (Hinweis B vom , 2008/20/0502). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Berger, über die Revision der S G in L, vertreten durch Mag. Simone Högl, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Böhmerwaldstraße 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W196 1431018- 1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom , mit dem ihr Antrag auf internationalen Schutz vom gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und die Revisionswerberin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 in die Russische Föderation ausgewiesen worden war, gemäß § 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen und das Verfahren gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
Über fristgerechten Antrag der Revisionswerberin wurde ihr mit hg. Beschluss vom die Verfahrenshilfe zur Einbringung einer außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof bewilligt. Die von der bestellten Verfahrenshelferin verfasste Revision wurde am eingebracht.
In den vom Verwaltungsgericht nach Einleitung des Vorverfahrens vorgelegten Verwaltungsakten erliegt eine Bestätigung der International Organization for Migration (IOM) vom , der zufolge die Revisionswerberin unter Gewährung von Rückkehrhilfe am freiwillig aus dem Bundesgebiet in ihren Herkunftsstaat ausgereist ist.
Zum hg. Vorhalt vom , wonach nach einer vorläufigen Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf die vorliegende Ausreisebestätigung davon auszugehen sei, dass auf Grund der freiwilligen Ausreise der Revisionswerberin aus dem österreichischen Bundesgebiet und deren Rückkehr in die Russische Föderation an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die Revision gegen das eingangs genannte Erkenntnis kein rechtliches Interesse bestehe, gab die Vertreterin der Revisionswerberin mit Schriftsatz vom folgende Erklärung ab:
Die Revisionswerberin habe ein erhebliches rechtliches Interesse an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, weil sie durch die Rückkehr in die Russische Föderation einer ernsthaften Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit ausgesetzt sei. Ein rechtliches Interesse liege auch schon aufgrund § 14 AsylG 2005 vor, der einem Beschwerdeführer die Wiedereinreise gestatte, sofern seiner Beschwerde Folge gegeben worden sei. Offenbar gehe zudem auch der Verwaltungsgerichtshof von einem rechtlichen Interesse aus, weil er der Revisionswerberin mit Beschluss vom die Verfahrenshilfe trotz der aktenkundigen Ausreisebestätigung der IOM bewilligt habe.
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist die Revision, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass die Revisionswerberin klaglos gestellt wurde, nach Anhörung der Revisionswerberin in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, denen unter anderem der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Die Revisionsberechtigung (Revisionslegitimation) ist somit Voraussetzung für eine Sachentscheidung nach § 42 Abs. 1 VwGG. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung der Revisionslegitimation ausschlaggebend, ob die Revisionswerberin nach der Lage des Falles durch das bekämpfte Erkenntnis - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre der Revisionswerberin, so mangelt dieser die Revisionsberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung der Revisionswerberin keinen Unterschied macht, ob das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit berufen. Ein Rechtsschutzbedürfnis liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom , 2008/20/0502, mwN).
Besteht die Rechtsverletzungsmöglichkeit im Zeitpunkt der Einbringung der Revision bereits nicht (mehr), dann ist die Revision zurückzuweisen; fällt diese Voraussetzung nachträglich weg, wird die Revision gegenstandslos und das verwaltungsgerichtliche Verfahren eingestellt.
Aus den nach Einleitung des Vorverfahrens vom Verwaltungsgericht vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich, dass die Revisionswerberin bereits am , somit vor Einbringung der gegenständlichen Revision (am ), wenn auch nach Bewilligung ihres Antrages auf Verfahrenshilfe zur Erhebung dieser Revision, in ihren Herkunftsstaat zurückgekehrt ist.
Durch ihre freiwillige Rückkehr hat die Revisionswerberin unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass sie ihre Rechtsstellung als Asylwerberin bzw. ihre Ansprüche auf Asylgewährung in Österreich und die damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensrechte nicht weiter aufrechterhalten will und demnach ihr rechtliches Interesse an einer Sachentscheidung über das angefochtene Erkenntnis, das sich für sie nicht mehr nachteilig auswirken kann, bereits vor Revisionserhebung weggefallen ist (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom , 2008/20/0502).
Den Einwänden der Vertreterin der Revisionswerberin ist zu erwidern, dass das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts einer Wiedereinreise der Revisionswerberin ins Bundesgebiet nicht entgegensteht, weil damit die Ausweisung des Bundesasylamtes nicht bestätigt wurde, sondern das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurde. Die Bestimmung des § 14 AsylG 2005 ist auf Fälle anzuwenden, in denen die Beschwerde gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme keine aufschiebende Wirkung hatte, wohingegen der Beschwerde im gegenständlichen Fall aufschiebende Wirkung zukam. Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof der Revisionswerberin Verfahrenshilfe bewilligt hat, spricht schließlich auch nicht dafür, dass die Revisionswerberin ein rechtliches Interesse an der Entscheidung hätte, weil dem Verwaltungsgerichtshof im Zeitpunkt der Bewilligung der Verfahrenshilfe die Verfahrensakten und insbesondere die Ausreisebestätigung nicht vorlagen.
Der Revision steht somit der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015180088.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-50560