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VwGH 14.12.2015, Ra 2015/16/0126

VwGH 14.12.2015, Ra 2015/16/0126

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Norm
12010P/TXT Grundrechte Charta Art41 Abs1;
RS 1
Art. 41 Abs. 1 GRC sieht ein Recht auf eine gute Verwaltung durch Organe der Union, nicht jedoch durch Organe der Mitgliedstaaten vor (vgl. etwa Sander in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar (2014), RZ 11 f zu Art 41) u

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger über die Revision des P G in N, vertreten durch Mag. Christoph Oberleitner, Steuerberater in 5732 Mühlbach, Bicheln 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/620001/2014, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Delegierung, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Beim Zollamt S behängt gegen den Revisionswerber ein Abgabenverfahren nach dem Alkoholsteuergesetz und Finanzstrafverfahren. Mit Eingabe vom beantragte er, diese Angelegenheit nach § 20 Abs. 4 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010AVOG 2010, in eventu nach § 3 AVOG 2010 an das Zollamt I zu delegieren.

Mit Bescheid vom wies das Zollamt S diesen Antrag als unbegründet ab, wogegen der Revisionswerber Berufung erhob. Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt diese als unbegründet ab, wogegen der Revisionswerber wiederum Beschwerde an das Bundesfinanzgericht erhob.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den angefochtenen Bescheid dahingehend ab, dass der Antrag auf Delegierung als unzulässig zurückgewiesen werde. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend führte das Gericht hiezu aus:

"Über die Abweisung des Antrages betreffend Delegierung der Strafangelegenheiten wird gesondert entschieden ...

Über den Antrag nach § 20 Abs. 4 leg cit, der nach Ansicht der belangten Behörde ins Leere geht, hat die Abgabenbehörde nicht abgesprochen. Gegenstand des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht ist daher auch nur das auf amtswegige Delegierung gerichtete Anbringen.

Schon aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass es sich bei der Delegierung gemäß § 3 AVOG 2010 um eine amtswegige Maßnahme handelt; die Partei hat keinen Anspruch auf eine Delegierung von Amts wegen.

Auf die amtswegige Erlassung eines Delegierungsbescheides nach § 3 AVOG 2010 durch die zuständige Abgabenbehörde erster Instanz besteht nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung kein subjektives Recht.

Wegen des fehlenden Antragsrechtes hinsichtlich einer amtswegigen Delegierung nach § 3 AVOG 2010 ist der Antrag des Bf im Sinne von § 3 AVOG 2010 'seine Steuersachen an das Zollamt I zu delegieren' im streitgegenständlichen Fall als unzulässig zurückzuweisen.

Obwohl der Bf durch die Abweisung seines Anbringens mit dem bekämpften Bescheid anstelle einer Zurückweisung seines Anbringens in seinem Rechtschutzinteresse nicht beschwert wird ..., war der

Bescheid dennoch abzuändern ... und das Anbringen als unzulässig

zurückzuweisen.

Da nach ständiger Rechtsprechung bei amtswegigen Maßnahmen kein Antragsrecht besteht (siehe dazu etwa die Entscheidungen zur Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen nach § 303 Abs. 4 BAO, beispielsweise ) liegt im verfahrensgegenständlichen Fall keine offene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Eine Revision ist daher nicht zulässig."

In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen außerordentlichen Revision erachtet sich der Revisionswerber "in der Gleichheit vor dem Gesetz nach Art 20 GRCh verletzt, iS Art 21 GRCh wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Steuerpflichtigen diskriminiert, iS Art 41 GRCh verletzt im Recht auf gute Verwaltung und nach Art 47 GRCh im Recht auf ein faires Verfahren verletzt."

Die Zulässigkeit seiner Revision sieht er - abgesehen von der Rechtzeitigkeit - darin begründet,

"(d)er Revisionswerber hat sich im Verfahren mehrfach auf Bestimmungen der Grundrechtecharta der europäischen Union berufen bzw. tut dies auch in der Revision. Dazu ist zunächst festzustellen, dass es, soweit ersichtlich, an einer Rechtssprechung fehlt inwieweit die Rechte iS Art 41 und 47 GrCh in Bezug auf verfahrensrechtliche Regelungen wie § 3 und § 20 AVOG Einfluss haben.

Auch fehlt es generell an einer Rechtssprechung wann, wie und warum sich Abgabepflichtige auf das Recht auf gute Verwaltung berufen können.

Weiters fehlt es an einer Rechtssprechung zur Alkoholsteuer und deren Verhältnis zum Recht der europäischen Union, insbesondere der GrCh.

Der Lösung von Grundrechtefragen kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Eine Ablehnungsbefugnis der Oberlandesgerichte

besteht hier nicht. ... Gleiches gilt für den Bereich des

Steuerrechtes, insbesondere wenn sich Beschwerdeführer ausdrücklich auf die GrCh berufen.

Im übrigen liegt Aktenwidrigkeit vor, wenn entgegen des gestellten Antrages kein Senat des Bundesfinanzgerichtes tätig wird, sowie eine Verletzung von Verfahrensvorschriften und Unzuständigkeit, wozu auf Punkt 5.1. verwiesen wird.

Die Rechtsfrage der Delegierung nach § 20 (4) AVOG wurde vom Bundesfinanzgericht nicht behandelt.

Damit liegen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gem Art 133 (4) B-VG vor, weshalb die ausserordentliche Revision zulässig ist."

Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass eine Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses ist die Zurückweisung eines Antrages auf Delegierung des Abgabenverfahrens vor dem Zollamt S an das Zollamt I im Grunde des § 3 AVOG 2010.

Soweit die Revision Rechtsprechung zur Frage des Einflusses von Art. 41 und Art. 47 GRC auf die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des AVOG 2010 vermisst, legt die Revision nicht konkret dar, inwiefern diese Bestimmungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Revisionsfall für die Anwendung des § 3 AVOG 2010 von Relevanz wären, zumal Art. 41 Abs. 1 GRC ein Recht auf eine gute Verwaltung durch Organe der Union, nicht jedoch durch Organe der Mitgliedstaaten vorsieht (vgl. etwa Sander in Holoubek/Lienbacher, GRC-Kommentar (2014), RZ 11 f zu Art 41) und das nach Art. 47 GRC garantierte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht dem Revisionswerber sichtlich unbenommen blieb.

Gleichfalls mangelt es einer konkreten Darlegung im Sinn des § 28 Abs. 3 VwGG, wenn die Revision ein Fehlen von Rechtsprechung zur Alkoholsteuer und deren Verhältnis zum Recht der Europäischen Union, insbesondere zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union behauptet.

Auch liegt in der wiedergegebenen Behauptung einer Aktenwidrigkeit keine konkrete Darlegung der Zulässigkeit der vorliegenden Revision. Dass entgegen den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes Anträge auf Senatsbesetzung und auf mündliche Verhandlung in der Beschwerde ausdrücklich gestellt worden wären, behauptet auch die Revision nicht.

Soweit eine Anwendung des § 20 Abs. 4 AVOG 2010 vermisst wird, vermag dies vor dem klaren Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf Finanzämter ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage zu relevieren.

Die vorliegende Revision ist daher wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Anträge des Revisionswerbers auf ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, auf Feststellungen der Verletzung in Rechten nach Art. 41 und Art. 47 GRC durch den Verwaltungsgerichtshof sowie über seine sonstigen "Schlussanträge".

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
12010P/TXT Grundrechte Charta Art41 Abs1;
AVOG 2010 §20 Abs4;
AVOG 2010 §20;
AVOG 2010 §3;
BAO §303 Abs4;
B-VG Art133 Abs4 erster Satz;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015160126.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-50542