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VwGH 14.12.2015, Ra 2015/16/0116

VwGH 14.12.2015, Ra 2015/16/0116

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, in der Revisionssache der N-gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Michael Löschnig-Tratner, Rechtsanwalt in 1220 Wien, Stadlauer Straße 29, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/4200157/2013, betreffend Erlass von Eingangsabgaben (Art. 236 des Zollkodex), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Die revisionswerbende Gesellschaft m.b.H. (Revisionswerberin) führte in den Jahren 2000 bis 2002 Wasserpfeifentabak in das Zollgebiet ein. In den Zollanmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr gab sie als Warenbezeichnung (Feld 31 des Einheitspapiers) "Tabakabfall" und als Warennummer (Feld 33 des Einheitspapiers) "2401 3000" an.

Mit Bescheiden vom und vom teilte das (damalige) Hauptzollamt Wien der Revisionswerberin mit, dass die mit den näher angeführten Anmeldungen abgefertigten Waren, welche als Tabakabfall deklariert worden seien, in die Warennummer 2403 1010 einzureihen seien und für diese Waren die gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a des Zollkodex iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz entstandene Eingangsabgabenschuld in jeweils näher angeführter Höhe entstanden sei. Buchmäßig erfasst worden seien jedoch nur geringere näher angeführte Eingangsabgaben. Der näher angeführte Unterschiedsbetrag sei weiterhin gesetzlich geschuldet und gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben. Als Folge dieser Nacherhebung sei eine Abgabenerhöhung in näher angeführter Höhe zu entrichten. Eine nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer unterbleibe nach § 72a ZollR-DG.

Die zwei dagegen erhobenen Berufungen der Revisionswerberin wies das (damalige) Hauptzollamt Wien mit zwei Berufungsvorentscheidungen als unbegründet ab, nämlich mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung gegen den Bescheid vom und mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung gegen den Bescheid vom .

Die Berufungsvorentscheidung vom wurde von der Revisionswerberin nicht bekämpft und erwuchs in Rechtskraft.

Gegen die Berufungsvorentscheidung vom erhob die Revisionswerberin (Administrativ-)Beschwerde, welcher der (damalige) unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom Folge gab, weil die gestellten Waren nicht mit den in den Zollanmeldungen angeführten Waren ident gewesen seien, daher auch keine Zollschuld nach Art. 201 Zollkodex habe entstehen können und es dem unabhängigen Finanzsenat verwehrt sei, die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen anderen zollrechtlichen Tatbestand vorzunehmen.

Mit Bescheid vom teilte das Zollamt Wien der Revisionswerberin sodann mit, dass für die im (aufgehobenen) Bescheid vom genannten Waren die Zollschuld gemäß Art. 203 Abs. 1 ZK in näher angeführter Höhe entstanden sei, weil sie diese Waren der zollamtlichen Überwachung entzogen habe.

Gleichzeitig setzte es eine Abgabenerhöhung fest.

Eine dagegen erhobene Berufung wies das Zollamt Wien mit

Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

Auf Grund der gegen diese Berufungsvorentscheidung erhobenen

(Administrativ-)Beschwerde setzte der unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom "die Abgabenschuld mit 0,- EUR (statt bisher ... EUR)" fest, weil der Bescheid des Zollamtes vom außerhalb der zur Verfügung stehenden Verjährungsfrist ergangen sei.

Mit Schriftsatz vom begehrte die Revisionswerberin vom Zollamt Wien nach Art. 236 des Zollkodex die Erstattung der "in Exekution gezogenen Beträge" an Eingangsabgaben, welche Gegenstand des Bescheides des Zollamtes vom (und damit der rechtskräftigen Berufungsvorentscheidung vom ) waren. Die Revisionswerberin begründete den Antrag damit, dass die Eingangsabgaben nicht nach Art. 201 des Zollkodex entstanden sein könnten, und bezog sich auf die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom .

Das Zollamt Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

Mit Schriftsatz vom berief die Revisionswerberin dagegen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt Wien die Berufung als unbegründet ab.

Die Revisionswerberin erhob dagegen keine (Administrativ-)Beschwerde, sondern stellte mit Schriftsatz vom einen Antrag auf "Erlass" von Einfuhrabgaben betreffend die im Bescheid des Zollamtes vom angeführten Waren. Die Revisionswerberin bezog sich dabei auf die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom . Die Tatsache, dass das Zollamt "in gesetzwidriger Weise eine Abgabenschuld festlegte", stelle den Hemmungsgrund der "höheren Gewalt" dar, weshalb die Revisionswerberin gehindert gewesen sei, den Antrag fristgerecht zu stellen. Der Antrag vom habe sich nur auf die Erstattung der bereits in Exekution gezogenen Abgaben bezogen, der vorliegende Antrag richte sich auf Erlass der "im Jahre 2003 festgesetzten Abgabenschuld", weshalb keine entschiedene Sache vorliege.

Mit Bescheid vom wies das Zollamt den Antrag vom als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

Die Revisionswerberin erhob dagegen mit Schriftsatz vom Berufung.

Der Verwaltungsgerichtshof wies mit Erkenntnis vom , 2011/16/0105, die vom Zollamt Wien gegen die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Die Bescheide des Zollamtes vom und vom beträfen denselben Sachverhalt. Damit habe der unabhängige Finanzsenat mit seinem Bescheid vom in der Sache entschieden und sei dem Bescheid des Zollamtes vom das Hindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen gestanden, weshalb der unabhängige Finanzsenat mit der Berufungsentscheidung vom den Bescheid des Zollamtes vom im Ergebnis zu Recht (ersatzlos) aufgehoben habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt Wien die Berufung der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Zollamtes vom über die Zurückweisung des Erlassantrages vom als unbegründet ab.

Die Revisionswerberin erhob mit Schriftsatz vom dagegen eine (Administrativ-)Beschwerde. Der Erlassantrag (vom ) stütze sich auf die Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom . Diese Entscheidung stelle einen neuen Gesichtspunkt dar und sei als unvorhersehbares Ereignis zu qualifizieren.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht, auf welches gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG die Zuständigkeit zur Weiterführung des Verfahrens übergegangen war, die Beschwerde der Revisionswerberin vom als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. Im Revisionsfall liege kein unvorhersehbares Ereignis oder keine höhere Gewalt vor. Wenn der , (CIVAD) festgehalten habe, dass die Rechtswidrigkeit einer EU-Verordnung keinen Fall höherer Gewalt im Sinne von Art. 236 Abs. 2 zweiter Unterabsatz des Zollkodex darstelle, dann müsse das Gleiche auch für die Rechtswidrigkeit eines Bescheides als individueller Norm gelten.

Demnach könne eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom - so sie überhaupt vorliege - nicht als ungewöhnlicher Umstand betrachtet werden. Im Übrigen hätte die Revisionswerberin ebenso wie gegen den Bescheid vom auch gegen den Bescheid vom den Rechtszug ausschöpfen können. Dadurch hätte sie mit dem relativ einfachen Mittel der Bescheidbeschwerde (gegen die Berufungsvorentscheidung vom ) geeignete Maßnahmen treffen können, um sich gegen die Folgen des Bescheides "zu wappnen".

Das Bundesfinanzgericht legte die dagegen erhobene außerordentliche Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Gemäß Art. 236 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABlEG Nr. L 302 vom , (Zollkodex - ZK) werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet oder erlassen, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung (Erstattung) oder der buchmäßigen Erfassung (Erlass) nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 leg. cit. buchmäßig erfasst worden ist.

Art. 236 Abs. 2 ZK lautet:

"(2) Die Erstattung oder der Erlass der Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben erfolgt auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen.

Diese Frist wird verlängert, wenn der Beteiligte nachweist, dass er infolge eines unvorhersehbaren Ereignisses oder höherer Gewalt gehindert war, den Antrag fristgerecht zu stellen.

Die Zollbehörden nehmen die Erstattung oder den Erlass von Amts wegen vor, wenn sie innerhalb dieser Frist selbst feststellen, dass einer der in Absatz 1 Unterabsätze 1 und 2 beschriebenen Sachverhalte vorliegt."

Die Revisionswerberin wirft zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision gerade noch erkennbar die Rechtsfrage auf, ob die Aufhebung des Abgabenbescheides des Zollamtes vom ein unvorhersehbares Ereignis darstellen könne. In diesem Zusammenhang moniert die Revisionswerberin, dass es "natürlich Rechtsfolge" gewesen wäre, mit Behebung oder Aufhebung des Bescheides vom gemäß § 68 Abs. 2 AVG amtswegig vorzugehen.

Die Revisionswerberin übersieht dabei zunächst, dass weder die Zollbehörden noch das Bundesfinanzgericht im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Eingangsabgaben das AVG anzuwenden hatten. Die entsprechenden, von diesen Behörden und vom Gericht anzuwendenden Verfahrensvorschriften finden sich - sofern sie nicht im unmittelbar anwendbaren Unionsrecht (etwa im Zollkodex) festgelegt sind - im Zollrechts-Durchführungsgesetz und in der BAO.

Im Übrigen bleibt die Revisionswerberin eine Erklärung dafür schuldig, was sie an der Erhebung einer (Administrativ-)Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung vom gehindert hätte und worin das unvorhergesehene Ereignis gelegen sei, innerhalb der in Art. 236 ZK vorgesehenen Dreijahresfrist nach der Mitteilung der buchmäßigen Erfassung der Abgaben, also nach dem Bescheid vom , mit der gleichen Begründung wie etwa in der tatsächlich erhobenen (Administrativ-)Beschwerde gegen die Berufungsvorentscheidung vom den Erlassantrag zu stellen.

Somit lässt die Revisionswerberin die Frage offen, wie die mit Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom erfolgte, vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom wegen entschiedener Sache im Ergebnis als zutreffend gesehene Aufhebung des Bescheides vom die Revisionswerberin hätte hindern können, zeitgerecht den Erlass der Abgaben zu beantragen, deren buchmäßige Erfassung durch den Bescheid des Zollamtes vom mitgeteilt worden ist.

Die Revisionswerberin führt in den Zulässigkeitsgründen ihrer Revision an, es gäbe keine vergleichbare Judikatur zur Rechtsfrage, unter welchen Umständen die dreijährige Frist zur Stellung eines Antrages auf Erlass von Einfuhrwaren erstreckbar sei. Mit der dabei von der Revisionswerberin - offenbar als Umstand in diesem Sinn - geforderten Berücksichtigung, dass es untypisch und wesensfremd sei, neben einem "Hauptbescheid einige Monate später einen Nachtragsbescheid" zu erlassen, übersieht die Revisionswerberin , dass die zwei Bescheide des (damaligen) Hauptzollamtes Wien vom einerseits und vom andererseits nicht im Verhältnis eines "Hauptbescheides" und eines "Nachtragsbescheides" zueinander stehen, sondern eigenständige Mitteilungen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgter buchmäßiger Erfassungen von zu verschiedenen Zeitpunkten entstandenen Eingangsabgaben darstellen.

Auch mit dem Hinweis, dass "während des laufenden Verfahrens zum Hauptbescheid" entsprechende "Anträge auf Aussetzung bzw. Erlass der Einfuhrabgaben im Lauf der Jahre" gestellt worden seien, zeigt die Revisionswerberin nicht auf, durch welches unvorhergesehene Ereignis sie an der Stellung eines Antrages auf Erlass der Eingangsabgaben betreffend den Abgabenbescheid des Zollamtes vom gehindert gewesen wäre. Eine grundsätzliche Rechtsfrage ist bei diesem Vorbringen überhaupt nicht zu erkennen.

Da die Revisionswerberin somit nicht darlegt, von welcher grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG die Lösung der Revision abhinge, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
31992R2913 ZK 1992 Art236 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015160116.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-50538