VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0109
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Die Nachsicht dient nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen (Hinweis E , 96/15/0067). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/16/0151 E RS 7 |
Normen | |
RS 2 | Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2008/15/0270, ausgesprochen, dass keine sachliche Unbilligkeit vorliegt, wenn ein Fehler in der Lohnsteuerberechnung in der vom Gesetz festgelegten Weise hätte beseitigt werden können und der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung dazu ausreichende Erstattungsantrag nach § 240 Abs. 3 BAO unterlassen wurde. Nichts anderes gilt auch, wenn es unterlassen wurde, gegen eine Berufungsentscheidung des (damaligen) unabhängigen Finanzsenates eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben oder die einer Beschwerde anhaftenden Mängel einem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend zu beheben. |
Normen | |
RS 3 | Die Forderung nach einer "Korrektur der bekämpften Entscheidung", weil das Bundesfinanzgericht "die Lösung der Rechtsfrage der Anwendung des § 236 BAO unrichtig löst", ersetzt nicht die Formulierung einer konkreten grundsätzlichen Rechtsfrage. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, in der Revisionssache der P H in E, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Raubergasse 27, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/7102842/2015, betreffend Nachsicht (§ 236 BAO) von Rechtsgebühren, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Berufungsentscheidung vom setzte der (damalige) unabhängige Finanzsenat im Instanzenzug gegenüber der Revisionswerberin Rechtsgebühren fest.
Das durch die dagegen vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde anhängige Verfahren stellte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , 2012/16/0103, ein, weil die damalige Beschwerdeführerin (nunmehrige Revisionswerberin) der Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen war, der eingebrachten Beschwerde anhaftende Mängel zu beheben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug einen Antrag der Revisionswerberin vom ab, ihr die in Rede stehenden Rechtsgebühren wegen Unbilligkeit nachzusehen. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
Eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung liege deshalb nicht vor, weil keine im Vertrauen auf eine Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahme gesetzt worden sei. Denn im Zeitpunkt der die Rechtsgebühr auslösenden Hausverlosung im Jahr 2009 habe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgelegen, welche die Festsetzung der Rechtsgebühr bestätigt oder verworfen hätte. Erst durch das Erkenntnis vom , 2010/16/0101, sei vom Verwaltungsgerichtshof klargestellt worden, dass die in Rede stehende Hausverlosung nach § 15 Abs. 3 des Gebührengesetzes von der Gebührenpflicht ausgenommen gewesen sei.
Die Nachsicht nach § 236 BAO diene nicht dazu, im vorangegangenen Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen. Die Revisionswerberin hätte es in der Hand gehabt, im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu ihrem Recht zu kommen. Eine Abwälzung des Versäumnisses, die der Beschwerde anhaftenden Mängel fristgerecht zu beheben, könne nicht auf das Nachsichtsverfahren abgewälzt werden.
Eine persönliche Unbilligkeit liege nach näherer Begründung des Bundesfinanzgerichtes bei den im Einzelnen dargestellten wirtschaftlichen Verhältnissen nicht vor.
In der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision führt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision aus:
"Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision allein schon deshalb zulässig, weil es soweit überschaubar keine Verwaltungsgerichtshofentscheidung jüngster Natur darüber gibt, ob und wie weit das Ermessen der Finanzbehörde reicht, die zur Beurteilung der sachlichen und persönlichen Unbilligkeit im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 236 BAO anzuwenden ist.
Gerade die in der gegenständlich bekämpften Entscheidung von dem Bundesfinanzgericht erlassene Ermessensentscheidung entfernt sich von der Grundüberlegung, warum der § 236 BAO vom Gesetzgeber geschaffen wurde in unzulässiger Weise und stellt tatsächlich eine rechtswidrige Auslegung der Anwendung des § 236 BAO dar, welche dringendst eine Korrektur durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf.
Das Bundesfinanzgericht hat die Rechtsfrage, nämlich ob gegenständlich die Anwendung des § 236 BAO die Nachsicht von der Einhebung wegen Unbilligkeit, sowohl in persönlicher, wie auch in sachlicher Natur unrichtig gelöst, wobei die Lösung dieser Rechtsfrage eine über den Einzelfall hinausgehende wesentliche und grundsätzliche Bedeutung hat, dies insbesondere deshalb, weil das Bundesfinanzgericht die Anwendung des § 236 BAO allein schon deshalb verneint, weil es die Auffassung vertritt, dass es die Revisionwerberin selbst in der Hand gehabt hätte, jenen Bescheid womit die Rechtsgeschäftsgebühr vorgeschrieben wurde zu bekämpfen und so das Bundesfinanzgericht eine Abwälzung von 'Versäumnissen' auf das Nachsichtverfahren nicht möglich und eine Nachsicht nicht dazu dienen könne Unrichtigkeiten der Abgabenfestsetzung zu beseitigen und unterlassene Rechtsbehelfe nachzuholen. Wohl aber stellt es außer Streit, dass der Abgabenbescheid aus einer unzulässig vorgeschriebenen Rechtsgeschäftsgebühr resultierend aus einer Hausverlosung der Revisionswerberin vorgeschrieben wurde.
Das Bundesfinanzgericht löst sohin die Voraussetzungen für die Anwendung des § 236 BAO gänzlich unrichtig und bedarf es hiefür einer Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof der darüber aussprechen und Klarheit schaffen muss, welche objektiven Voraussetzungen vorliegen müssen, um die Anwendung des § 236 zu bestätigen. Gerade die vom Bundesfinanzgericht angewendete bzw. ins Spiel gebrachte Ermessensentscheidung, wann es die Voraussetzungen des § 236 BAO als erfüllt und vorliegend betrachtet, dürfen keinesfalls willkürlich erfolgen, sondern müssen dafür klare Parameter geschaffen werden, woran man sich aus Gründen der Rechtssicherheit orientieren kann. Derartige Parameter fehlen, weshalb es dringend zum einen einer Klarstellung, wann die sachliche und persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO vorliegen, um in den Genuss der daraus ableitbaren Rechtsfolgen der Nachsicht der Einhebung der Abgabenschuld zu gelangen.
Soweit überschaubar gibt es hiefür keine jüngere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb allein schon deshalb die Revision zulässig ist. Darüber hinaus darf es einer Korrektur der bekämpften Entscheidung, zumal das Bundesfinanzgericht die Lösung der Rechtsfrage der Anwendung des § 236 BAO unrichtig löst, welche jedoch über den Einzelfall hinausgehend einer grundsätzlichen Bedeutung unter anderem auch für die Rechtsentwicklung zukommt.
Aus diesen Gründen erachtet die Revisionswerberin ihre Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig."
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für die Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 2007/13/0135).
Soweit die Revisionswerberin in den Gründen für die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision von einer Ermessensentscheidung des Bundesfinanzgerichtes ausgeht und etwa anführt, das Bundesfinanzgericht habe sich mit der von ihm erlassenen Ermessensentscheidung in unzulässiger Weise von der Grundüberlegung entfernt, warum der Gesetzgeber § 236 BAO geschaffen habe, übersieht die Revisionswerberin, dass das Bundesfinanzgericht die Erfüllung des Tatbestandes der Unbilligkeit verneint und dergestalt gar keine Ermessensentscheidung getroffen hat.
Die Revisionswerberin vermisst eine "jüngere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes", welche objektiven Voraussetzungen vorliegen müssten, um die Anwendung des § 236 BAO zu bestätigen. Das Bundesfinanzgericht habe eine Abwälzung von "Versäumnissen" auf das Nachsichtsverfahren für nicht möglich gehalten, wohl aber außer Streit gestellt, dass der Abgabenbescheid aus einer unzulässig vorgeschriebenen Rechtsgeschäftsgebühr vorgeschrieben worden sei.
Zum einen formuliert die Revisionswerberin damit nicht konkret von welcher Rechtsfrage die Lösung der Revision abhinge. Zum anderen zeigt sie nicht auf, dass das Bundesfinanzgericht mit seinem rechtlichen Ansatz, das Nachsichtsverfahren diene nicht dazu, die Unrichtigkeit einer Abgabenvorschreibung zu bekämpfen oder "Versäumnisse" im Abgabenfestsetzungsverfahren zu sanieren, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Die Nachsicht dient nämlich nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen nachzuholen (vgl. die bei Ritz, BAO5, § 236 Tz 14 zitierte hg. Rechtsprechung). Auch außerhalb des reinen Rechtsbehelfsverfahrens hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2008/15/0270, ausgesprochen, dass keine sachliche Unbilligkeit vorliegt, wenn ein Fehler in der Lohnsteuerberechnung in der vom Gesetz festgelegten Weise hätte beseitigt werden können und der für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung dazu ausreichende Erstattungsantrag nach § 240 Abs. 3 BAO unterlassen wurde. Nichts anderes gilt auch, wenn es - wie im Revisionsfall - unterlassen wurde, gegen eine Berufungsentscheidung des (damaligen) unabhängigen Finanzsenates eine Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben oder die einer Beschwerde anhaftenden Mängel einem Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend zu beheben.
Soweit die Revisionswerberin "Parameter" vermisst, wann "die Voraussetzungen des § 236 BAO als erfüllt und vorliegend betrachtet" werden könnten, und eine Klarstellung, wann die sachliche und persönliche Unbilligkeit iSd § 236 BAO vorliege, wünscht, genügt es, sie auf die Verordnung BGBl. II Nr. 435/2005 hinzuweisen.
Die Forderung nach einer "Korrektur der bekämpften Entscheidung", weil das Bundesfinanzgericht "die Lösung der Rechtsfrage der Anwendung des § 236 BAO unrichtig löst", ersetzt nicht die Formulierung einer konkreten grundsätzlichen Rechtsfrage.
Die Revisionswerberin legt sohin nicht dar, von der Lösung welcher grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision abhinge.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015160109.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-50533