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VwGH 30.11.2015, Ra 2015/08/0173

VwGH 30.11.2015, Ra 2015/08/0173

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
RS 1
Nichtstattgebung - Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 ASVG - Das angefochtene Erkenntnis, mit dem gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG die Pflichtversicherung von einer Dienstnehmerin der revisionswerbenden Partei festgestellt wurde, ist insofern einem Vollzug iSd § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich, als auf ihm aufbauend Geldleistungen vorgeschrieben werden können (vgl. den hg. Beschluss vom , AW 2007/08/0045, mwN).
Normen
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
RS 1
Eine bestehende Pflicht(sozial)versicherung schließt eine (mehrere) weitere Versicherungspflicht(en) nicht aus. Soweit die Sozialversicherungsgesetze keine Subsidiaritätsverhältnisse anordnen, kommt nämlich das Prinzip der Mehrfachversicherung zum Tragen. Das heißt, dass im Fall der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Pflichtversicherungstatbestände auch mehrfache Pflichtversicherungen begründet werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/08/0180 E RS 1
Normen
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
RS 2
Im Hinblick auf das Wesen der Sozialversicherung wird die Mehrfachversicherung bei unselbständig Erwerbstätigen auf Grund mehrerer verschiedener unselbständiger Beschäftigungen durch das Gesetz nicht ausgeschlossen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2011/08/0180, und vom , 2006/06/0080).
Norm
ASVG §4 Abs2;
RS 3
Die wirtschaftliche Abhängigkeit ergibt sich bereits aus der persönlichen Abhängigkeit, ist mit jener doch ein Fehlen der (eigenen) Verfügungsmacht über die wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel verbunden (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/08/0188, mwN).
Norm
ASVG §4 Abs2;
RS 4
Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit bleiben die außerhalb der Erwerbstätigkeit bestehenden Vermögensverhältnisse des Dienstnehmers außer Betracht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs 2 ASVG darf daher nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden; sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist deshalb bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 93/08/0171 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Dr. K GmbH, vertreten durch Dr. Christian Lang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W167 2003133-1/64E, betreffend Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 2 ASVG, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Das angefochtene Erkenntnis, mit dem gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG die Pflichtversicherung von einer Dienstnehmerin der revisionswerbenden Partei festgestellt wurde, ist zwar insofern einem Vollzug iSd § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich, als auf ihm aufbauend Geldleistungen vorgeschrieben werden können (vgl. den hg. Beschluss vom , AW 2007/08/0045, mwN).

Um jedoch die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es erforderlich, dass der Revisionswerber schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10381/A). Im Fall der Auferlegung von Geldleistungen ist es notwendig, die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie Vermögensverhältnisse (unter Einschluss der Schulden nach Art und Ausmaß) konkret - tunlichst ziffernmäßig - anzugeben; weiter sind Angaben dazu erforderlich, welcher Nachteil durch welche Maßnahme droht und inwiefern dieser Nachteil im Hinblick auf die sonstigen Vermögensumstände des Revisionswerbers unverhältnismäßig ist.

Die Revisionswerberin begründet ihren Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, lediglich damit, dass "bei sofortigen Vollzug erhebliche Geldmittel an die Revisionsgegnerin zu leisten wären, welche im Falle des Erfolges der Revision erst nach einem erheblichen, derzeit absolut nicht abschätzbaren Zeitraum, an die Revisionswerberin zurückfließen würden. Die Finanzierungskosten für das Aufbringen dieses Betrages hätte die Revisionswerberin zu tragen, auch wenn letztlich ihrer Revision Folge geleistet werde".

Damit ist sie ihrer Konkretisierungspflicht nicht nachgekommen, weshalb der Antrag abzuweisen war.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2016/08/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revisionen der D GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Christian Lang, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ballgasse 6, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W167 2003133-1/64E (hg. Ra 2015/08/0173), und vom , W167 2003130- 1/31E (hg. Ra 2016/08/0043), jeweils betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19; mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. M S in H (zu Ra 2015/08/0173), 2. Dr. S U in B (zu Ra 2016/08/0043),

3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheiden jeweils vom stellte die Wiener Gebietskrankenkasse fest, dass die Erstmitbeteiligte von bis und die Zweitmitbeteiligte von bis gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG der Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung auf Grund ihrer Beschäftigung bei Dr. D K unterlegen seien.

2 Mit den beiden nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden des Dr. D K gegen diese Bescheide ab und erklärte die Revision jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat die gegen diese Erkenntnisse gerichteten außerordentlichen Revisionen wegen ihres sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/08/0008, mwN).

8 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revisionen jeweils vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, wie sich das Vorliegen weiterer gleichzeitig ausgeübter Erwerbstätigkeiten auf die Beurteilung des Bestehens einer Pflichtversicherung auswirke. Während ihrer Tätigkeit für Dr. D K sei die Erstmitbeteiligte "für drei verschiedene Auftraggeber" und die Zweitmitbeteiligte "hauptberuflich" als Ärztin in einem Krankenhaus tätig gewesen. Entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts liege auch schon deshalb keine "einheitliche Rechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofes vor, weil die Beurteilung des Vorliegens einer Pflichtversicherung immer nur an Hand der Umstände des Einzelfalls möglich sei.

9 Damit zeigt die Revisionswerberin keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

10 Eine bestehende Pflicht(sozial)versicherung schließt eine (mehrere) weitere Versicherungspflicht(en) nicht aus. Soweit die Sozialversicherungsgesetze keine Subsidiaritätsverhältnisse anordnen, kommt nämlich das Prinzip der Mehrfachversicherung zum Tragen. Das heißt, dass im Fall der gleichzeitigen Erfüllung mehrerer Pflichtversicherungstatbestände auch mehrfache Pflichtversicherungen begründet werden. Im Hinblick auf das Wesen der Sozialversicherung wird die Mehrfachversicherung bei unselbständig Erwerbstätigen auf Grund mehrerer verschiedener unselbständiger Beschäftigungen durch das Gesetz nicht ausgeschlossen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2011/08/0180, und vom , 2006/06/0080).

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftliche Abhängigkeit bereits aus der persönlichen Abhängigkeit ergibt, ist mit jener doch ein Fehlen der (eigenen) Verfügungsmacht über die wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel verbunden (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/08/0188, mwN). Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Abhängigkeit bleiben die außerhalb der Erwerbstätigkeit bestehenden Vermögensverhältnisse des Dienstnehmers außer Betracht. Die wirtschaftliche Abhängigkeit iSd § 4 Abs. 2 ASVG darf daher nicht mit Lohnabhängigkeit, also mit dem Angewiesensein des Beschäftigten auf das Entgelt zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, gleichgesetzt werden; sie findet vielmehr ihren Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall für den Betrieb wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel und ist deshalb bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/08/0486).

12 Der Umstand, dass die Erst- und Zweitmitbeteiligte neben ihrer Tätigkeit für Dr. D K auch anderen Erwerbstätigkeiten nachgegangen sind und daraus ein Entgelt bezogen haben, schließt daher das Vorliegen von (echten) Dienstverhältnissen im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG jedenfalls nicht aus.

13 Soweit die Revisionswerberin die Zulässigkeit der Revisionen darauf gründen will, dass es schon deshalb an einer "einheitlichen Rechtsprechung" fehle, weil die Frage der Pflichtversicherung nur aufgrund der Konstellation im "Einzelfall" gelöst werden könne, verkennt sie das Wesen des mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 eingeführten Revisionsmodells. Danach ist der Verwaltungsgerichtshof eben gerade nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ro 2014/04/0039; Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013) 73, 97).

14 Die Revisionen waren daher zurückzuweisen, weil in ihnen keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche

Bedeutung zukäme. Die Frage, ob die Revisionswerberin durch die angefochtenen Erkenntnisse in ihren Rechten verletzt werden konnte, kann somit dahingestellt bleiben.

Wien, am 

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Normen
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015080173.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-50412