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VwGH 23.09.2015, Ra 2015/08/0123

VwGH 23.09.2015, Ra 2015/08/0123

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AlVG 1977 §26 Abs3;
RechtspraktikantenG 1987 §2 Abs4;
RS 1
Ein Ausbildungsverhältnis schließt unabhängig von der Höhe der allenfalls daraus erzielten Einkünfte (im vorliegenden Fall:

monatlich EUR 1.035,-- brutto zuzüglich Sonderzahlungen; Absolvierung der Gerichtspraxis) den Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht aus.
Normen
AlVG 1977 §26 Abs3;
RechtspraktikantenG 1987 §2 Abs4;
RS 2
In der Regel wird zwar eine Entschädigung, die hinsichtlich ihrer Höhe einem Erwerbseinkommen gleichkommt, eher für ein Dienst- und gegen ein Ausbildungsverhältnis sprechen, sodass der Anspruch auf Weiterbildungsgeld und damit eine "Doppelversorgung" ausgeschlossen ist; im Fall der Gerichtspraxis ist aber schon auf Grund der erwähnten gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 4 RPG jedenfalls von einem Ausbildungsverhältnis auszugehen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Theresa Gruber, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Redergasse in 1050 Wien, Redergasse 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W209 2110771-2/4E, betreffend Weiterbildungsgeld (mitbeteiligte Partei: Mag. M T in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Mitbeteiligten Weiterbildungsgeld gemäß § 26 AlVG zuerkannt. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt, weil das Bundesverwaltungsgericht in der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage, ob der Begriff der Beschäftigung im Sinn des § 26 Abs. 3 AlVG auch Ausbildungsverhältnisse umfasse, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gefolgt sei.

Die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) bringt dagegen - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG - vor, dass das vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2013/08/0049, zu einem nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen sei. Es sei damals ein Fall zu beurteilen gewesen, in dem die Einkünfte aus einem Ausbildungsverhältnis nur knapp über der Geringfügigkeitsgrenze gelegen seien und nicht den Lebensunterhalt sicherstellen, sondern nur die mit der Ausbildung verbundenen Mehraufwendungen abdecken sollten. Im vorliegenden Fall hingegen habe der Mitbeteiligte seine Gerichtspraxis absolviert, sodass er laut Definition im Rechtspraktikantengesetz - RPG zwar in einem Ausbildungsverhältnis stehe, wofür aber ein Ausbildungsbeitrag in der Höhe von monatlich EUR 1.035,-- zuzüglich einer Sonderzahlung von 50 % des monatlichen Ausbildungsbeitrages für je drei Monate gebühre. Da der Ausbildungsbeitrag den Ausgleichszulagenrichtsatz übersteige, liege ein unselbständiges Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung vor, welches die Selbsterhaltungsfähigkeit begründe und der "Bewertung nach § 12 Abs. 6 lit. a AlVG (Geringfügigkeitsgrenze)" unterliege. Dies entspreche im Wesentlichen auch der Judikatur des Obersten Gerichtshofes (Entscheidung vom , Zl. 10 ObS 424/89) und des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnisse vom , Zl. 2000/08/0133, und vom , Zl. 2002/08/0128). Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2013/08/0049, treffe keine entscheidenden Aussagen darüber, ob ein Entgelt aus einem Ausbildungsverhältnis, welches den Ausgleichszulagenrichtsatz überschreite, dem Anspruch auf Weiterbildungsgeld entgegenstehe. Außerdem sei die Tätigkeit als Rechtspraktikant auf Grund ihrer Ausgestaltung trotz der Bezeichnung als Ausbildungsverhältnis materiell als Beschäftigung im Sinn des § 26 Abs. 3 AlVG zu beurteilen. Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts würde hinkünftig eine staatliche Doppelversorgung (Ausbildungsbeitrag nach dem RPG und Weiterbildungsgeld nach dem AlVG) ermöglichen.

3. Entgegen diesem Vorbringen - und im Einklang mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im angefochtenen Erkenntnis - wurde die hier zu beurteilende Rechtsfrage bereits durch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2013/08/0049, geklärt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im genannten Erkenntnis mit näherer Begründung ausgeführt, dass Ausbildungsverhältnisse, die keine Dienstverhältnisse sind, nicht unter den Begriff der Beschäftigung im Sinn des § 26 Abs. 3 AlVG fallen. Das gilt, wie sich dem Erkenntnis weiter entnehmen lässt, auch dann, wenn auf Grund des Ausbildungsverhältnisses über der Geringfügigkeitsgrenze liegende Einkünfte bezogen werden. § 26 Abs. 3 AlVG verweist nämlich nur auf die an die Geringfügigkeitsgrenze anknüpfenden Tatbestände des § 12 Abs. 6 lit. a bis e und g AlVG, die gerade keine Regelung hinsichtlich des Bezugs einer Vergütung auf Grund einer kein Dienstverhältnis begründenden praktischen Ausbildung enthalten. Dieses Ergebnis sah der Verwaltungsgerichtshof auch im Einklang mit dem Gesetzeszweck: Die Geringfügigkeitsgrenzen des § 12 Abs. 6 AlVG enthalten nämlich insofern ein vertyptes Verfügbarkeitskriterium, als das niedrige Entgelt eine nur geringe zeitliche Auslastung durch die Erwerbstätigkeit und damit das Vorliegen der Verfügbarkeit indiziert. Für die Gewährung von Weiterbildungsgeld kann es bei diesem Kriterium aber nur auf die Verfügbarkeit für die Weiterbildung ankommen, die durch die Absolvierung eines der Weiterbildung dienenden, kein Dienstverhältnis darstellenden Praktikums - unabhängig vom erzielten Entgelt - jedenfalls nicht beeinträchtigt wird. Auf den Grad der sozialen Bedürftigkeit des Empfängers von Weiterbildungsgeld kommt es hingegen nicht entscheidend an.

Im hier vorliegenden Fall stand der die Gerichtspraxis absolvierende Mitbeteiligte auf Grund der gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 4 RPG in einem Ausbildungsverhältnis und nicht in einem Dienstverhältnis. Ein Ausbildungsverhältnis schließt nach der soeben wiedergegebenen Rechtsprechung unabhängig von der Höhe der allenfalls daraus erzielten Einkünfte (im vorliegenden Fall: monatlich EUR 1.035,-- brutto zuzüglich Sonderzahlungen) den Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht aus. Für die Annahme einer (wohl für den Nettobezug geltenden) "Zuverdienstgrenze" in der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Die vom AMS in diesem Zusammenhang zitierte Rechtsprechung ist einerseits zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Waisenpension (Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , Zl. 10 ObS 424/89) und andererseits zur Einordnung von Bezügen öffentlicher Mandatare als Erwerbseinkommen (hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2000/08/0133, und vom , Zl. 2002/08/0128) ergangen und auf die Voraussetzungen für den Bezug von Weiterbildungsgeld nicht übertragbar; im Übrigen wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch ein über dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegender Politikerbezug nicht als (den Anspruch auf Arbeitslosengeld ausschließendes) Erwerbseinkommen gewertet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/08/0013, zu einer Entschädigung von monatlich S 11.444,-- brutto bei einem damals geltenden Ausgleichszulagenrichtsatz für Alleinstehende von S 8.312,--). In der Regel wird zwar eine Entschädigung, die hinsichtlich ihrer Höhe einem Erwerbseinkommen gleichkommt, eher für ein Dienst- und gegen ein Ausbildungsverhältnis sprechen, sodass der Anspruch auf Weiterbildungsgeld und damit eine "Doppelversorgung" ausgeschlossen ist; im Fall der Gerichtspraxis ist aber schon auf Grund der erwähnten gesetzlichen Definition des § 2 Abs. 4 RPG jedenfalls von einem Ausbildungsverhältnis auszugehen. Dass es sich auch um eine Weiterbildungsmaßnahme im Sinn des § 26 AlVG handelt, wurde vom AMS in der Revision nicht in Frage gestellt.

4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AlVG 1977 §26 Abs3;
RechtspraktikantenG 1987 §2 Abs4;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015080123.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
JAAAF-50407