VwGH 11.03.2016, Ra 2015/06/0088
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung hat entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (Hinweis Erkenntnisse vom , 93/09/0462, und vom , Ra 2014/18/0026, mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision des A L in K, vertreten durch Dr. Horst Brunner, Dr. Emilio Stock und Mag. Gerhard Endstrasser, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Jochberger Straße 98, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2015/26/1601-2, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Bezirkshauptmannschaft K; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft K (BH) vom wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, eine Verwaltungsübertretung nach der Tiroler Bauordnung 2011 dadurch begangen zu haben, dass er in Missachtung einer im Baubewilligungsbescheid vom erteilten Auflage ein näher genanntes Wohngebäude noch nicht an den städtischen Schmutzwasserkanal angeschlossen habe.
2 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) vom als verspätet zurückgewiesen. Entsprechend dem Zustellnachweis - so das LVwG - sei das Straferkenntnis dem Revisionswerber durch Hinterlegung am zugestellt worden. Die am persönlich bei der BH eingebrachte Beschwerde erweise sich als verspätet.
3 Zuvor hatte das LVwG mit Erledigung (E-Mail) vom dem Revisionswerber die Verspätung seiner Beschwerde vorgehalten, dieser hatte mit Eingabe (E-Mail) vom zum Verspätungsvorhalt Stellung genommen.
4 Gegen den Beschluss des LVwG vom richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 In der Revision wird in dem gesonderten, mit Punkt II. bezeichneten Abschnitt ausgeführt, dass der Revisionswerber durch den angefochtenen Beschluss "in den genannten Rechten" verletzt worden sei. Im Rahmen der davor unter Punkt I. erfolgten Darstellung des Sachverhalts wird jedoch in dieser Hinsicht lediglich vorgebracht, "durch die Vollstreckung der verhängten Geldstrafe" werde in Rechtspositionen des Revisionswerbers eingegriffen.
6 Die Vollstreckung der mit Bescheid der BH vom über den Revisionswerber verhängten Geldstrafe war jedoch nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses des LVwG. Die Verletzung eines weiteren Rechts wird in der Revision nicht behauptet.
7 Der Revisionswerber macht daher kein subjektiv-öffentliches Recht geltend, in welchem er durch den angefochtenen, seine Beschwerde als verspätet zurückweisenden Beschluss verletzt sein könnte (zur Übertragbarkeit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Beschwerdepunkt auf die Prüfung des Revisionspunktes vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/06/0048, mwN). Die Revision war daher bereits aus diesem Grund zurückzuweisen.
8 Dessen ungeachtet werden in der Revision auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber vor, der angefochtene Beschluss des LVwG weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Prüfpflichten die Behörde vor Zurückweisung eines Anbringens als verspätet vorzunehmen habe, ab. Der Revisionswerber habe bereits in der Beschwerde vorgebracht, er erhebe fristgerecht Beschwerde gegen das Straferkenntnis der BH, das er am erhalten habe. Wenn die Partei des Verwaltungsverfahrens die Setzung einer nach der Aktenlage verspäteten Verfahrenshandlung mit der Wendung "in offener Frist" verbinde, treffe die Behörde die Verpflichtung zur amtswegigen Prüfung der Richtigkeit dieser Behauptung (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 95/21/0109, vom , 96/19/1624, 1625, und vom , 96/19/2465). "Die Behörde" hätte sohin von Amts wegen überprüfen müssen, ob ein Zustellmangel unterlaufen sei. Die an den Revisionswerber gerichtete E-Mail vom genüge dieser Verpflichtung nicht, zumal sie lediglich den Hinweis enthalte, die erste Prüfung des Falles habe ergeben, dass die Beschwerde verspätet erhoben worden sei. In seiner Stellungnahme zum Vorhalt der Verspätung habe der Revisionswerber darauf hingewiesen, dass er das Straferkenntnis erst am mittels Hinterlegungsanzeige beim Postamt habe beheben können.
13 In seiner Beschwerde gegen das Straferkenntnis der BH vom hatte der Revisionswerber einleitend ausgeführt, er erhebe "fristgerecht" Beschwerde gegen das genannte Straferkenntnis, das er "am erhielt".
14 Nach ständiger hg. Rechtsprechung hat vor einer Zurückweisung eines Rechtsmittels wegen Verspätung entweder von Amts wegen überprüft zu werden, ob ein Zustellmangel unterlaufen ist, oder es ist der Partei die Verspätung ihres Rechtsmittels vorzuhalten. Wird ohne vorangegangenen Vorhalt von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen, ist das Risiko einer Entscheidungsbehebung zu tragen (vgl. die in den Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision zitierte Judikatur; vgl. ferner etwa die hg. Erkenntnisse vom , 93/09/0462, und vom , Ra 2014/18/0026, mwN).
15 Diesem Erfordernis hat das LVwG mit dem an den Revisionswerber gerichteten Verspätungsvorhalt vom entsprochen. In seiner dazu abgegebenen Stellungnahme führte der Revisionswerber in diesem Zusammenhang lediglich aus, dass er das "Straferkenntnis vom erst am mittels Hinterlegungszettel beim Postamt beheben konnte".
16 Wenn der Revisionswerber unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom , 88/02/0010, dem LVwG ein Abweichen von der ständigen Judikatur vorwirft, weil "die Behörde, wenn sie das Vorbringen der Partei für nicht ausreichend hält, die geltend gemachte Abwesenheit von der Abgabestelle für glaubhaft zu erachten, die Partei auffordern (muss), die Glaubhaftmachung mit weiteren Mitteln zu ergänzen", lässt er außer Acht, dass er weder in der Beschwerde noch in seiner Stellungnahme zum Verspätungsvorhalt vorgebracht hat, von der Abgabestelle abwesend gewesen zu sein. Vielmehr hat er sein Vorbringen, er habe das Straferkenntnis am beheben können, nicht näher konkretisiert. Damit ist aber die Unwirksamkeit der Hinterlegung nicht begründet (vgl. dazu erneut das hg. Erkenntnis vom , 93/09/0462, sowie das hg. Erkenntnis vom , 99/05/0197, jeweils mwN, wonach auch die bloße Behauptung der Ortsabwesenheit ohne nähere Angaben und ohne Anbot entsprechender Bescheinigungsmittel das Vorliegen einer unwirksamen Zustellung nicht begründen könnte).
17 Das nun (im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung der Revision) erstattete Vorbringen, er habe bei einer im März 2015 bei der BH erfolgten Anhörung darauf hingewiesen, aufgrund einer Knieoperation seiner Frau und der danach notwendigen persönlichen Betreuung "mehrere Wochen vor und nach dem ortsabwesend zu sein", findet keine Bestätigung in den dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten (einschließlich der vom Revisionswerber nach Vorspielung des aufgenommenen Tonbandes unterfertigten Niederschrift der BH vom ) und verstößt gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Neuerungsverbot.
18 Auch der Vorwurf, das LVwG habe der Manuduktionspflicht im Sinne des § 13a AVG nicht entsprochen, trifft nicht zu. Nach der hg. Judikatur geht die Manuduktionspflicht nicht so weit, dass eine Partei zur inhaltlichen Ausgestaltung von Einwendungen angeleitet werden müsste (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2015/06/0124, mwN).
19 Das LVwG ist somit nicht von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
20 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §13a; AVG §37; AVG §39 Abs2; AVG §45 Abs3; B-VG Art133 Abs4; VwGG §28 Abs1; VwGG §34 Abs1; VwGVG 2014 §28 Abs1; VwGVG 2014 §7 Abs4; |
Schlagworte | Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:RA2015060088.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-50343