VwGH 20.05.2015, Ra 2015/04/0031
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Bei der Frage, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, ist das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen, wobei hier "auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum" abgestellt wird (Hinweis E vom , 2013/04/0103, mwN, sowie auch das E vom , 2011/04/0148, wo sechseinhalb Jahre Wohlverhalten seit der letzten Straftat angesichts eines längeren Delikszeitraumes als nicht ausreichend angesehen wurde). |
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RS 2 | Die Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ist erst dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht (siehe zur vergleichbaren Prognose bei der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 das E vom , 2007/04/0195, und E vom , 2009/04/0237). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2010/04/0026 E RS 1 |
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RS 3 | Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der im Hinblick auf die zu erstellende Prognose gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ausgeführt, dass die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben können. Vielmehr bedarf es bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 erfüllt sind (Hinweis E vom , 2009/04/0288, mwH). Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise für das Nachsichtsverfahren. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2005/04/0250 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Revision des B S in L, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-850256/5/Bm/AK, betreffend Nachsicht vom Ausschluss von der Gewerbeausübung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom betreffend die Verweigerung der Nachsicht vom Ausschluss von der Ausübung des Gastgewerbes wegen gerichtlicher Verurteilung gemäß § 26 Abs. 1 iVm § 13 Abs. 1 Z 1 lit. b GewO 1994 abgewiesen.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es weder das Wohlverhalten des Revisionswerbers seit der Tat im Jahr 2011 noch den Umstand, dass die gegenständliche Verurteilung seine bisher einzige gewesen sei, ausreichend berücksichtigt habe. Auch werde überhaupt nicht berücksichtigt, dass dem Revisionswerber vom Strafgericht eine Freiheitsstrafe von neun Monaten bedingt nachgesehen worden sei.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Frage, ob nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist, das Wohlverhalten des Betroffenen zu berücksichtigen, wobei hier "auf den seit der Begehung der Delikte verstrichenen Zeitraum" abgestellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/04/0103, mwN, sowie auch das hg. Erkenntnis vom , 2011/04/0148, wo sechseinhalb Jahre Wohlverhalten seit der letzten Straftat angesichts eines längeren Delikszeitraumes als nicht ausreichend angesehen wurde). Eine Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 ist erst dann zu erteilen, wenn die in dieser Bestimmung genannte Befürchtung gar nicht besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/04/0026, mwN).
Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis bei seiner einzelfallbezogenen Beurteilung nicht abgewichen. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das Verwaltungsgericht das Wohlverhalten des Revisionswerbers seit der strafbaren Handlung in seine Prognoseentscheidung miteinbezogen. Ihm kann dabei nicht entgegengetreten werden, wenn es ausgehend von der Eigenart der im Jahr 2011 begangenen strafbaren Handlung, die unter anderem in einer vorsätzlichen Körperverletzung einer Mitarbeiterin bestanden hat, und vom relativ kurzen Zeitraum des Wohlverhaltens des Revisionswerbers zum Ergebnis gekommen ist, dass die Voraussetzungen für Erteilung einer Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1994 gegenständlich nicht vorliegen.
Was den vom Revisionswerber vorgebrachten Aspekt der bedingten Strafnachsicht betrifft, hat der Verwaltungsgerichtshof zu der in Hinblick auf die zu erstellende Prognose insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ausgeführt, dass die Überlegungen des Gerichtes bei der Anwendung der bedingten Strafnachsicht gemäß § 43 Abs. 1 StGB nicht schematisch außer Betracht bleiben können. Vielmehr bedürfe es bei Vorliegen besonderer Umstände im Entziehungsverfahren näherer Erörterungen, weshalb ungeachtet der günstigen Prognose durch das Strafgericht die (weiteren) gesetzlichen Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigung nach § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 erfüllt sind. Dies gelte in gleicher Weise für das Nachsichtsverfahren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/04/0150, mwN).
Solche nach dieser Rechtsprechung besonderen Umstände für eine Berücksichtigung der bedingten Strafnachsicht werden von der Revision aber nicht aufgezeigt, zumal diese primär die (bloße) Tatsache des Nachsehens der Strafe ins Treffen führt.
In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:RA2015040031.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-50286