VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des VwGH für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (Hinweis E vom , 2004/09/0159). Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl. zu dieser Abgrenzung zwischen Wiederaufnahme und neuem Antrag das E vom , 2003/01/0431, mwH; die zu § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergangene hg. Judikatur zur Wiederaufnahme ist auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG 2014 übertragbar). |
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RS 2 | Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Berger, in der Revisionssache der revisionswerbenden Partei *****, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W210 1413946-3/8E, betreffend eine Asylangelegenheit, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
Die Revisionswerberin, eine russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, beantragte nach ihrer Einreise in Österreich im November 2009 erstmals internationalen Schutz und stützte ihren Antrag auf sexuelle Übergriffe seitens ihres Vorgesetzten. Dieser Antrag wurde im Beschwerdeverfahren vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom zur Gänze abgewiesen und die Revisionswerberin in die Russische Föderation ausgewiesen. Die Behandlung der gegen diese Entscheidung an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom abgelehnt.
Am stellte die Revisionswerberin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, den sie mit staatlicher Verfolgung aufgrund ihrer Verwandtschaft mit einem bekannten tschetschenischen Rebellen begründete. Aus Angst um ihre nach wie vor in Tschetschenien lebenden Verwandten habe sie ihre weiteren Fluchtgründe im ersten Asylverfahren nicht offengelegt. Als sie gesehen habe, dass ihre privaten Gründe für die Asylgewährung nicht ausreichten, habe sie sich entschlossen, ihre weiteren Fluchtgründe vorzutragen. Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die Revisionswerberin in die Russische Föderation ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. D16 413946- 2/2011/2E, als unbegründet abgewiesen.
Mit Antrag vom begehrte die Revisionswerberin die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom , Zl. D16 413946-2/2011/2E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens und legte zum Beweis der Richtigkeit ihres im Folgeantragsverfahren erstatteten Fluchtvorbringens zwei Schreiben der ehemaligen Russland-Korrespondentin des ORF Dr. Susanne Scholl vor. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revisionswerberin vor, das Bundesverwaltungsgericht weiche "insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, da diese(s) den Antrag auf Wiedereinsetzung aufgrund neu entstandener Beweismittel nicht zulässt, obwohl neue Tatsachen und Beweise zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätten." Die neu hinzugekommenen Beweise, konkret die vorgelegten Stellungnahmen von Dr. Susanne Scholl, wären jedenfalls geeignet gewesen wären, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu führen; diese Beweise seien auch in Abweichung von - näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht ganzheitlich gewürdigt worden.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Revision nicht die "Wiedereinsetzung", sondern die Wiederaufnahme im Auge hatte, erweist sich die Revision als nicht zulässig, weil sie von der Lösung der in der Revision aufgeworfenen Frage nicht abhängt.
Gemäß § 32 Abs. 1 Z 2
Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikaur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene - Tatsachen beziehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/09/0159). Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl. zu dieser Abgrenzung zwischen Wiederaufnahme und neuem Antrag das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2003/01/0431, mwH; die zu § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergangene hg. Judikatur zur Wiederaufnahme ist auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbar).
Unter Vorlage neuer Beweismittel zu dem von ihr im Rahmen ihres Folgeantragsverfahrens erstmals vorgebrachten Fluchtgrund begehrte die Revisionswerberin mit ihrem Antrag vom die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom abgeschlossenen Verfahrens (also des Folgeantragsverfahrens), nicht aber etwa des Asylverfahrens zu ihrem ersten Asylantrag, über den rechtskräftig inhaltlich abgesprochen worden war.
Im Folgeantragsverfahren können jedoch - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben.
Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin ihren (zweiten) Asylantrag auf behauptete Tatsachen - die Verfolgung aufgrund ihrer Verwandtschaftsverhältnisse - gestützt, die (ihrem Vorbringen zufolge) bereits zur Zeit des (ersten) Asylverfahrens bestanden haben, die sie jedoch aus den von ihr angeführten Gründen nicht bereits im (ersten) Asylverfahren vorgebracht hatte. Aus diesem Grund lag schon nach dem Vorbringen der Revisionswerberin keine entscheidungsrelevant maßgebliche Sachverhaltsänderung vor, sodass im Ergebnis der (zweite) Asylantrag der Revisionswerberin zu Recht wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen wurde.
Bei diesem Ergebnis könnte auch die Wiederaufnahme des Folgeantragsverfahrens gestützt auf die neu vorgelegten Beweismittel nichts ändern.
In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014180089.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
QAAAF-50192