Suchen Hilfe
VwGH 30.06.2016, Ra 2014/11/0074

VwGH 30.06.2016, Ra 2014/11/0074

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Aus der Wortfolge "für die Dauer der Entsendung" im ersten Satz des § 7b Abs. 1 AVRAG ergibt sich zweifelsfrei, dass der Anspruch auf kollektivvertragliche Entlohnung für die in Österreich verbrachte Arbeitszeit (und nicht etwa für ganze Monate, wenn nur Teile davon in Österreich zur Arbeitsleistung verbracht wurden) besteht.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Z in Z, vertreten durch die Rechtsanwälte Lang & Schulze-Bauer OG in 8280 Fürstenfeld, Realschulstraße 2a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 33.12-568/2014-18, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld; mitbeteiligte Partei: BUAK Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse in 1050 Wien, Kliebergasse 1a), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe als Verantwortlicher des Unternehmens A (in Ungarn) zu verantworten, dass vier näher genannte Arbeitnehmer auf einer österreichischen Baustelle als Baufacharbeiter, Bauhilfsarbeiter und Bauhelfer beschäftigt gewesen seien, ohne den ihnen zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien nach dem österreichischen Kollektivvertrag für das Baugewerbe und die Bauindustrie erhalten zu haben. Der Revisionswerber habe dadurch § 7i Abs. 3 AVRAG iVm dem Kollektivvertrag für das Baugewerbe und die Bauindustrie verletzt, weshalb über ihn vier Geldstrafen zu je EUR 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 10 Tage und 12 Stunden) verhängt würden.

2 Der dagegen erhobenen Berufung (nunmehr: Beschwerde) gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis insofern statt, als es die Geldstrafen gemäß § 19 VStG auf je EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage) herabsetzte. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen und die ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

3 Das Verwaltungsgericht ging nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung davon aus, den ungarischen Arbeitnehmern sei, obwohl sie im Juni 2012 für 52 Stunden auf einer österreichischen Baustelle eingesetzt gewesen seien, für den ganzen Monat lediglich der (ungarische) Grundlohn von brutto EUR 312,35 (HUF 93.000) bzw. EUR 362,73 (HUF 108.000) ausbezahlt worden. Das entspreche für die in Österreich absolvierte Arbeitszeit einer Unterentlohnung von 82,69 %bzw. 82,88 %.

4 Gegen dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichts richtet sich die vorliegende, unter Anschluss der Verfahrensakten vorgelegte außerordentliche Revision, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet hat, die Revision zurück- oder abzuweisen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 In der Revision wird zur Zulässigkeit lediglich vorgebracht, es existiere keine hg. Rechtsprechung, "wonach Dienstnehmer, die in zwei unterschiedlichen Staaten während eines Monates beschäftigt werden, in Österreich einer Vollbeschäftigung entsprechend zu entlohnen sind, obwohl diese lediglich einen Teil ihrer Arbeitsleistung in Österreich und die restliche Arbeitsleistung im Rahmen ihrer Vollbeschäftigung in einem anderen Staat, konkret in Ungarn, erbringen".

7 Die maßgeblichen Bestimmungen des AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993, im Hinblick auf den Zeitpunkt der Begehung der vorgeworfenen Übertretung idF der Novelle BGBl. I Nr. 98/2012, lauten (auszugsweise):

"Ansprüche gegen ausländische Arbeitgeber mit Sitz in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat

§ 7b. (1) Ein Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, hat unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf

1. zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt;

...

Strafbestimmungen

§ 7i. ...

(3) Wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

..."

8 Fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, liegt trotzdem keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ro 2014/07/0053, und vom , Zl. Ra 2015/03/0041, mwN).

9 Aus der Wortfolge "für die Dauer der Entsendung" im ersten Satz des § 7b Abs. 1 AVRAG ergibt sich zweifelsfrei, dass der Anspruch auf kollektivvertragliche Entlohnung für die in Österreich verbrachte Arbeitszeit (und nicht etwa für ganze Monate, wenn nur Teile davon in Österreich zur Arbeitsleistung verbracht wurden) besteht. Aufgrund dieser eindeutigen Rechtslage ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu erkennen.

10 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014110074.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-50136