VwGH 13.09.2016, Fr 2016/01/0014
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | § 18 BFA-VG 2014 stellt nach den Erläuterungen (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f) eine lex specialis zu § 13 Abs. 2 und § 22 Abs. 2 VwGVG 2014 dar. Dementsprechend normiert § 18 Abs. 7 BFA-VG 2014, dass die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG 2014 nicht anwendbar sind. |
Normen | BFA-VG 2014 §18 Abs5; VwGG §30 Abs2; VwGVG 2014 §13 Abs3; VwGVG 2014 §13 Abs4; VwGVG 2014 §22 Abs1; VwGVG 2014 §22 Abs3; |
RS 2 | § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG 2014 regelt, dass das BVwG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen hat. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie er etwa in § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG 2014 sowie § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehen ist (vgl. zum Recht, einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG zu stellen, den B vom , Ra 2016/21/0081) - ist in § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 nicht vorgesehen. |
Normen | |
RS 3 | Die Systematik des § 18 BFA-VG 2014, wonach die aufschiebende Wirkung von der Behörde aberkannt werden kann (Abs. 1) und einer Beschwerde vom VwG die aufschiebende Wirkung (wieder) zuerkannt werden kann (Abs. 5), entspricht der Systematik des § 13 Abs. 2 und 5 VwGVG 2014: Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG 2014 kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG 2014 hat das VwG über die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden. |
Normen | BFA-VG 2014 §18 Abs1; BFA-VG 2014 §18 Abs5; |
RS 4 | Im Rahmen des § 18 BFA-VG 2014 kann sich der Bf in seiner Beschwerde an das BVwG gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 wenden. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 ist somit unzulässig. |
Normen | 12010P/TXT Grundrechte Charta Art19 Abs2; 12010P/TXT Grundrechte Charta Art47; 32008L0115 Rückführungs-RL Art13; 32008L0115 Rückführungs-RL Art6; 62014CJ0239 Tall VORAB; BFA-VG 2014 §18 Abs5; VwRallg; |
RS 5 | Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Fehlen einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung, einen Folgeantrag auf Asyl nicht weiter zu prüfen, grundsätzlich mit Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der GRC vereinbar. Auch wenn es eine solche Entscheidung einem Drittstaatsangehörigen nicht ermöglicht, internationalen Schutz zu erhalten, kann ihr Vollzug an sich nämlich nicht zur Abschiebung dieses Drittstaatsangehörigen führen. Dagegen muss, wenn ein Mitgliedstaat im Rahmen der Prüfung eines Asylantrags, der vor oder nach einer Entscheidung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gestellt wurde, gegenüber dem betreffenden Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2008/115 erlässt, dieser gegen diese Entscheidung einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 13 dieser Richtlinie einlegen können (vgl. das C- 239/14, Abdoulaye Amadou Tall, Rn. 56 und 57, mwN). Eine derartige Rückkehrentscheidung hatte auch der Gesetzgeber des § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 vor Augen, der davon spricht, dass "die Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bis zu einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ausgesetzt" wird (RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f). |
Normen | 12010P/TXT Grundrechte Charta Art19 Abs2; 12010P/TXT Grundrechte Charta Art47; 62014CJ0239 Tall VORAB; BFA-VG 2014 §18 Abs1; BFA-VG 2014 §18 Abs5; MRK Art13; VwGVG 2014 §13 Abs2; VwGVG 2014 §13 Abs5; |
RS 6 | Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich, "dass ein Rechtsbehelf jedenfalls dann notwendigerweise aufschiebende Wirkung haben muss, wenn er gegen eine Rückkehrentscheidung gerichtet ist, deren Vollzug geeignet ist, den betroffenen Drittstaatsangehörigen einer ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe auszusetzen, so dass auf diese Weise im Hinblick auf diesen Drittstaatsangehörigen die Einhaltung der Anforderungen von Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta gewährleistet ist" (vgl. das , Abdoulaye Amadou Tall, Rn. 58). Vor diesem Hintergrund muss im Falle eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG 2014 sichergestellt sein, dass diese Entscheidung durch ein Gericht überprüft wird, um ein wirksames Rechtsmittel iSd Art. 13 MRK darzustellen. Eine solche Überprüfung ist durch § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 sichergestellt. |
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RS 7 | Nach den Erläuterungen zu § 18 BFA-VG idF des FNG-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2013, "sieht der Entwurf in Abs. 5 weiterhin einen hohen Rechtsschutzstandard vor" um "entsprechende Rechtssicherheit gewährleisten zu können" und soll mit § 18 Abs. 5 BFA-VG dem BVwG "die Möglichkeit einer entsprechenden Korrektur" eingeräumt werden (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12f). Dabei folgt § 18 Abs. 1 und 5 BFA-VG der Systematik des § 13 Abs. 2 und 5 VwGVG 2014. Hier wie dort kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen bzw. aberkennen. Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG 2014 hat das VwG über eine Beschwerde gegen einen solchen Ausschluss "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden" (Hinweis B vom , Ra 2015/08/0049). § 18 Abs. 5 BFA-VG kann daher - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG 2014 - nur so gelesen werden, dass das BVwG über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden hat. Eine solche dringende Behandlung der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, in jenen Fällen, in denen nach der Erfahrung das Rechtschutzinteresse mangels echter Gefährdung des Antragstellers am geringsten ist (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f) ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen (vgl. RV 582 BlgNR 25. GP, 6). |
Normen | |
RS 8 | Die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht durchgeführt hat, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. Ro 2014/05/0097). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/08/0049 B RS 1 |
Normen | |
RS 9 | Eine Entscheidungspflicht iSd § 34 Abs 1 VwGVG 2014, deren Verletzung zur Erhebung eines Fristsetzungsantrages iSd Art 133 Abs 7 B-VG bzw des § 38 VwGG berechtigt, setzt einen Antrag bzw eine Beschwerde einer Partei vor dem Verwaltungsgericht voraus. Ein "Antrag" ist (grundsätzlich) ein Anbringen, das auf die Erlassung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerichtet ist. Auch über Anträge, die unzulässig sind, etwa mangels Legitimation, hat das Verwaltungsgericht durch eine (zurückweisende) Entscheidung zu entscheiden; nicht von Bedeutung ist daher, ob eine (stattgebende oder ablehnende) Sachentscheidung oder eine verfahrensrechtliche Entscheidung (zB Zurückweisung) zu ergehen hat (vgl idS etwa ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Fr 2015/03/0011 B RS 2 |
Normen | BFA-VG 2014 §18 Abs5; VwGVG 2014 §34 Abs1; |
RS 10 | Das BVwG ist nach Ablauf der (allgemeinen) Entscheidungspflicht nach § 34 Abs. 1 VwGVG 2014 verpflichtet, über einen unzulässigen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 (in Form einer Zurückweisung) zu entscheiden. |
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RS 11 | Die Entscheidungspflicht des VwG nach § 34 Abs. 1 VwGVG 2014 wird (erst) mit dem Einlangen der Beschwerde ausgelöst. Erst das tatsächliche Einlangen beim VwG ist maßgeblich (Hinweis B vom , Fr 2016/01/0004, mwN). Gleiches gilt für einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Berger, über den Fristsetzungsantrag des V K in W, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Bundesverwaltungsgericht in einer Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Asyl und Fremdenwesen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Verfahrensgang
1 Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Serbien und stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Fluchtgrund gab er im Wesentlichen an, aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit (Roma) ständig schikaniert und einmal tätlich angegriffen worden zu sein.
2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Asyl und Fremdenwesen (BFA) vom wurde dieser Antrag in vollem Umfang abgewiesen (I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Serbien zulässig ist (III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung aberkannt (IV.).
Begründend gab das BFA an, der Antragsteller habe keine asylrelevante Verfolgung in seinem Herkunftsstaat glaubhaft machen können. Es stützte sich dabei beweiswürdigend vor allem auf die Widersprüchlichkeit seines Vorbringens. Zur Nichtgewährung des subsidiären Schutzes (II.) führte das BFA nach der Feststellung, der Antragsteller leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung, Alkoholabusus, hohem Blutdruck und Problemen mit dem Rücken, und Feststellungen zur medizinischen Versorgung in Serbien aus, die medizinische Versorgung sei im Fall von auftretenden gesundheitlichen Problemen gewährleistet. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (IV.) führte es aus, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei deshalb abzuerkennen, weil Serbien ein sicherer Herkunftsstaat gemäß § 19 BFA-VG sei und feststehe, dass für den Antragsteller bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei.
3 Gegen diesen Bescheid einschließlich der mit Spruchpunkt IV. erfolgten Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erhob der Antragsteller Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Mit ergänzender Stellungnahme vom wurde (u.a.) die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
4 Mit Aktenvermerk vom hielt das BVwG nach Beschwerdevorlage fest, dass sich keine konkreten Anhaltspunkte ergäben, dass dem Antragsteller in seinem Herkunftsstaat eine Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK bzw. des 6. oder 13. ZPEMRK drohe, weshalb der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen sei.
Fristsetzungsantrag
5 Mit dem vorliegenden Fristsetzungsantrag beantragt der Antragsteller, dem BVwG gemäß § 38 VwGG aufzutragen, die Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb einer festzusetzenden und im Hinblick auf die Dringlichkeit der Angelegenheit angemessenen Frist vorzulegen und den Bund zum Kostenersatz zu verhalten.
6 Begründend wird im Wesentlichen vorgebracht, § 18 Abs. 5 BFA-VG sei dahingehend auszulegen, dass das BVwG in jedem Fall binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde eine Entscheidung über die Gewährung oder Nichtgewährung von aufschiebender Wirkung zu treffen habe.
7 Dabei stützt sich der Antragsteller auf den Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung sowie die Notwendigkeit verfassungs- und unionsrechtskonformer Interpretation, wonach die Bestimmung des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht so verstanden werden könne, dass das Bundesverwaltungsgericht lediglich im Falle der Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verhalten sei, innerhalb einer Woche - somit bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit des angefochtenen Bescheids - über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu entscheiden. Eine solche Auslegung würde den Anforderungen an einen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 13 iVm Art. 2, 3 und 8 EMRK nicht Genüge tun und verletze das Unionsgrundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 47 GRC, aus welchem sich auch eine Gewährleistungsverpflichtung auf einstweiligen bzw. vorläufigen Rechtsschutz ergebe.
8 Der Fristsetzungsantrag erweist sich als unzulässig. Rechtslage
§ 18 BFA-VG
9 § 18 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung
BGBl. I Nr. 70/2015, lautet (auszugsweise):
"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende
Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das
Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19)
stammt,
... .
... . Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt,
gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
...
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."
10 Die Erläuterungen zu § 18 BFA-VG in der Fassung des FNG-Anpassungsgesetz, BGBl. I Nr. 68/2013, lauten auszugsweise (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f):
"§ 18 stellt eine lex specialis zu § 13 Abs. 2 und § 22 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz dar; im Verfahren vor dem Bundesamt ist eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde nur in den in § 18 geregelten Fällen zulässig.
Abs. 1 soll ... jene Fälle regeln, in denen einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden kann. (...) Die in Abs. 1 genannten Fälle stellen nach der Erfahrung der Praxis jene Fälle dar, in denen das Rechtsschutzinteresse mangels echter Gefährdung des Antragstellers am geringsten ist. Es handelt sich bei dieser taxativen Aufzählung um Aspekte der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt, keine Verfolgungsgründe geltend gemacht hat oder offensichtlich zur Bedrohungssituation die Unwahrheit sagt, wollte aller Erfahrung nach nicht Schutz, sondern einen Aufenthalt in Österreich aus anderen Gründen erreichen.
...
Um entsprechende Rechtssicherheit gewährleisten zu können - eine Abschiebung in Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung geht in den Herkunftsstaat -, sieht der Entwurf in Abs. 5 weiterhin einen hohen Rechtsschutzstandard vor und wird die Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bis zu einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ausgesetzt; die Entscheidung ist - etwa im Hinblick auf Schubhaft - weiterhin durchsetzbar, aber dem Bundesverwaltungsgericht kommt die Möglichkeit einer entsprechenden Korrektur binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu. Zur Verfassungskonformität siehe VfGH 237, 238/03 (, Anm.) ua. Entsprechend der Judikatur wird Art. 8 EMRK ergänzt."
11 Die Erläuterungen zu § 18 in der Fassung des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 (FrÄG 2015), BGBl. I Nr. 70/2015, lauten auszugsweise (vgl. RV 582 BlgNR 25. GP, 6):
"Art. 31 Abs. 8 Neufassung der Verfahrensrichtlinie nennt abschließende Tatbestände, in denen ein beschleunigtes Verfahren geführt werden kann (vgl. § 27a AsylG 2005 neu). Zusätzlich kann in diesen Fällen gemäß Art. 46 Abs. 6 Neufassung der Verfahrensrichtlinie die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt werden. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde bisher bereits in § 18 Abs. 1 BFA-VG geregelt. Lediglich Z 2 der bisher geltenden Rechtslage findet in der Neufassung der Verfahrensrichtlinie keinen Niederschlag und entfällt daher. Die Möglichkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung bei nicht frühestmöglicher Antragstellung ist ausdrücklich durch Art. 46 Abs. 6 lit. a Neufassung der Verfahrensrichtlinie untersagt. Stattdessen wird durch die Neuaufnahme zweier Tatbestände in Z 2 und 7 Art. 31 Abs. 8 lit. i und j Neufassung der Verfahrensrichtlinie umgesetzt. ..."
Kein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
12 § 18 stellt nach den Erläuterungen eine lex specialis zu § 13 Abs. 2 und § 22 Abs. 2 VwGVG dar. Dementsprechend normiert § 18 Abs. 7 BFA-VG, dass die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar sind.
13 § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG regelt, dass das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen hat. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung - wie er etwa in § 13 Abs. 3 und 4 und § 22 Abs. 1 und 3 VwGVG sowie § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehen ist (vgl. zum Recht, einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 30 Abs. 2 VwGG zu stellen, den hg. Beschluss vom , Ra 2016/21/0081) - ist in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen.
14 Die Systematik des § 18 BFA-VG, wonach die aufschiebende Wirkung von der Behörde aberkannt werden kann (Abs. 1) und einer Beschwerde vom Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung (wieder) zuerkannt werden kann (Abs. 5), entspricht der Systematik des § 13 Abs. 2 und 5 VwGVG: Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausschließen, gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden.
15 Auch im Rahmen des § 18 BFA-VG kann sich der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das BVwG gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. Mit einem derartigen Abspruch des BVwG hat sich der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom , Ra 2014/18/0146 bis 0152, befasst und diesen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben (auf die näheren Entscheidungsgründe wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen).
16 Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren ist ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG gesetzlich nicht vorgesehen. Es kann dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen.
17 Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG, wie ihn der Antragsteller vorliegend gestellt hat, ist somit unzulässig. Zu Art. 13 EMRK und Art. 47 GRC
18 Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Fehlen einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung, einen Folgeantrag auf Asyl nicht weiter zu prüfen, grundsätzlich mit Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der GRC vereinbar. Auch wenn es eine solche Entscheidung einem Drittstaatsangehörigen nicht ermöglicht, internationalen Schutz zu erhalten, kann ihr Vollzug an sich nämlich nicht zur Abschiebung dieses Drittstaatsangehörigen führen. Dagegen muss, wenn ein Mitgliedstaat im Rahmen der Prüfung eines Asylantrags, der vor oder nach einer Entscheidung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gestellt wurde, gegenüber dem betreffenden Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2008/115 erlässt, dieser gegen diese Entscheidung einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 13 dieser Richtlinie einlegen können (vgl. das , Abdoulaye Amadou Tall, Rn. 56 und 57, mwN).
19 Eine derartige Rückkehrentscheidung hatte auch der Gesetzgeber des § 18 Abs. 5 BFA-VG vor Augen, der davon spricht, dass "die Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bis zu einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ausgesetzt" wird (RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f).
20 Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich weiter, "dass ein Rechtsbehelf jedenfalls dann notwendigerweise aufschiebende Wirkung haben muss, wenn er gegen eine Rückkehrentscheidung gerichtet ist, deren Vollzug geeignet ist, den betroffenen Drittstaatsangehörigen einer ernsthaften Gefahr der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe auszusetzen, so dass auf diese Weise im Hinblick auf diesen Drittstaatsangehörigen die Einhaltung der Anforderungen von Art. 19 Abs. 2 und Art. 47 der Charta gewährleistet ist" (vgl. Urteil Tall, Rn. 58).
21 Vor diesem Hintergrund wendet der Antragsteller zu Recht ein, dass im Falle eines Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG sichergestellt sein müsse, dass diese Entscheidung durch ein Gericht überprüft werde, um ein wirksames Rechtsmittel iSd Art. 13 EMRK darzustellen.
22 Eine solche Überprüfung ist durch § 18 Abs. 5 BFA-VG sichergestellt:
23 Nach den Erläuterungen "sieht der Entwurf in Abs. 5 weiterhin einen hohen Rechtsschutzstandard vor" um "entsprechende Rechtssicherheit gewährleisten zu können" und soll mit § 18 Abs. 5 BFA-VG dem BVwG "die Möglichkeit einer entsprechenden Korrektur" eingeräumt werden (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12f).
24 Dabei folgt § 18 Abs. 1 und 5 BFA-VG wie oben dargestellt der Systematik des § 13 Abs. 2 und 5 VwGVG. Hier wie dort kann die Behörde die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen bzw. aberkennen. Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen einen solchen Ausschluss "ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden" (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/08/0049).
25 § 18 Abs. 5 BFA-VG kann daher - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so gelesen werden, dass das BVwG über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden hat.
26 Eine solche dringende Behandlung der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, in jenen Fällen, in denen nach der Erfahrung das Rechtschutzinteresse mangels echter Gefährdung des Antragstellers am geringsten ist (vgl. RV 2144 BlgNR 24. GP, 12 f) ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen (vgl. RV 582 BlgNR 25. GP, 6).
27 Hinzuweisen ist darauf, dass die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist. Wurde eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung, wie sie das Bundesverwaltungsgericht durchgeführt hat, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. nochmals den Beschluss Ra 2015/08/0049, mwN).
28 Für die vorliegende Rechtssache ist anzumerken, dass im Hinblick auf die vorgebrachte Erkrankung des Antragstellers außergewöhnliche Umstände, bei denen die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde, (vgl. zum Ganzen den hg. Beschluss vom , Ra 2015/20/0142, mwN), nicht vorliegen. Der Antragsteller leidet nicht an einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem realen Risiko, unter qualvollen Umständen zu sterben und im sicheren Herkunftsstaat Serbien gibt es ohne Zweifel medizinische Behandlungsmöglichkeiten. Zur Entscheidungspflicht über unzulässige Anträge
29 Nach § 34 Abs. 1 VwGVG ist das Verwaltungsgericht grundsätzlich - das heißt soweit durch Bundes- oder Landesrecht nichts anderes bestimmt ist - verpflichtet, "über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden". Eine Entscheidungspflicht iSd § 34 Abs. 1 VwGVG, deren Verletzung zur Erhebung eines Fristsetzungsantrages iSd Art. 133 Abs. 7 B-VG bzw. des § 38 VwGG berechtigt, setzt einen Antrag bzw. eine Beschwerde einer Partei vor dem Verwaltungsgericht voraus. Ein "Antrag" ist (grundsätzlich) ein Anbringen, das auf die Erlassung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerichtet ist. Auch über Anträge, die unzulässig sind, etwa mangels Legitimation, hat das Verwaltungsgericht durch eine (zurückweisende) Entscheidung zu entscheiden; nicht von Bedeutung ist daher, ob eine (stattgebende oder ablehnende) Sachentscheidung oder eine verfahrensrechtliche Entscheidung (z.B. Zurückweisung) zu ergehen hat (vgl. zu allem den hg. Beschluss vom , Fr 2015/03/0011, mwN).
30 Das BVwG wäre daher nach Ablauf der (allgemeinen) Entscheidungspflicht nach § 34 Abs. 1 VwGVG verpflichtet, über den unzulässigen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG (in Form einer Zurückweisung) zu entscheiden.
31 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes nach § 34 Abs. 1 VwGVG (erst) mit dem Einlangen der Beschwerde ausgelöst wird. Erst das tatsächliche Einlangen beim Verwaltungsgericht ist maßgeblich (vgl. den hg. Beschluss vom , Fr 2016/01/0004, mwN). Gleiches gilt für die oben angeführten Anträge.
32 Vorliegend ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG mit Stellungnahme vom gestellt worden, der nach der Aktenlage am selben Tag beim BVwG einlangte. Die Entscheidungsfrist von sechs Monaten ist daher noch nicht abgelaufen, sodass auch aus diesem Grund keine Entscheidungspflicht des BVwG besteht.
Ergebnis
33 Aus diesen Erwägungen erweist sich der vorliegend gestellte Fristsetzungsantrag, weil eine Verletzung der Entscheidungspflicht des BVwG nicht vorliegt, als unzulässig.
34 Er war daher gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | 12010P/TXT Grundrechte Charta Art19 Abs2; 12010P/TXT Grundrechte Charta Art47; 32008L0115 Rückführungs-RL Art13; 32008L0115 Rückführungs-RL Art6; 62014CJ0239 Tall VORAB; BFA-VG 2014 §18 Abs1; BFA-VG 2014 §18 Abs5; BFA-VG 2014 §18 Abs7; BFA-VG 2014 §18; B-VG Art133 Abs1 Z2; B-VG Art133 Abs4; B-VG Art133 Abs7; MRK Art13; VwGG §30 Abs2; VwGG §34 Abs1; VwGG §38; VwGVG 2014 §13 Abs2; VwGVG 2014 §13 Abs3; VwGVG 2014 §13 Abs4; VwGVG 2014 §13 Abs5; VwGVG 2014 §13; VwGVG 2014 §22 Abs1; VwGVG 2014 §22 Abs2; VwGVG 2014 §22 Abs3; VwGVG 2014 §34 Abs1; VwGVG 2014 §34; VwRallg; |
Sammlungsnummer | VwSlg 19449 A/2016 |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2016:FR2016010014.F00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-50010