VwGH 29.11.2013, AW 2013/07/0029
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | UVPG 2000; VwGG §30 Abs2; |
RS 1 | Nichtstattgebung - Genehmigung nach dem UVP-G 2000 - Eine beschwerdeführende Bürgerinitiative muss, um in einem Verfahren über einen von ihr gestellten Antrag, einer von ihr gegen einen rechtskräftigen Genehmigungsbescheid nach dem UVP-G 2000 erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, einen unverhältnismäßigen Nachteil darzutun, in ihrem Aufschiebungsantrag solche Beeinträchtigungen der von ihr als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltgüter konkretisiert darlegen, die nicht bereits in der von der belangten Behörde im angefochtenen Genehmigungsbescheid getroffenen, nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Interessenabwägung berücksichtigt wurden, wobei diese Abwägung auf der Grundlage von Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden sein muss, die nach der Aktenlage nicht von vornherein als unzutreffend zu beurteilen sind (vgl. dazu den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2009/07/0009, unter Bezugnahme auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Bürgerinitiative "g", vertreten durch die G & P Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, der gegen den Bescheid des Umweltsenates vom , Zl. US 1B/2011/18-32, betreffend Genehmigung nach dem UVP-G 2000 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; mitbeteiligte Partei: D GesmbH, vertreten durch S & Partner Rechtsanwälte OG), erhobenen und zur hg. Zl. 2013/07/0147 protokollierten Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen wurde der mitbeteiligten Partei (im Folgenden: mP) mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Reststoffdeponie und einer Halle auf näher genannten Grundstücken in der KG M zur Deponierung zahlreicher Abfallarten bewilligt.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde der mP die Genehmigung zur Errichtung und Betriebnahme einer Anlage ("Verfestigungsanlage") zur Behandlung von gefährlichen und nicht gefährlichen Abfällen (näher bezeichnete Flugaschen und -stäube aus Abfallbehandlungsanlagen) erteilt, wobei sich der Konsens auf maximal 4.000 t/Jahr (davon maximal 2.000 t/Jahr gefährliche Abfälle) bezog. Teil des Projektes war die Errichtung einer Mischanlage in der bestehenden und genehmigten Halle sowie die Errichtung von drei Silos zur Bevorratung von Flugasche und Zement außerhalb dieser Halle.
Mit weiterem Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , berichtigt mit Bescheid vom , wurde der mP die Genehmigung zur Durchführung eines Versuchsbetriebes, und zwar der Errichtung und des Betriebes einer Anlage zur Aufbereitung und Entmetallisierung von Abfällen, befristet bis , erteilt. Der Konsens umfasste die Vorbehandlung von näher bezeichneten nicht gefährlichen Abfällen mit einer maximalen Jahreskapazität von 30.000 t und einer maximalen Tageskapazität von 80 t.
Am beantragte die mP
a) die Erweiterung der Behandlungskapazität der Verfestigungsanlage auf 90.000 t/Jahr bzw. 500 t/Tag sowie die Erweiterung der in der Verfestigungsanlage zu behandelnden Abfallarten um zahlreiche gefährliche und nicht gefährliche Abfallarten;
b) die Genehmigung eines unbefristeten Dauerbetriebes der Entmetallisierungsanlage samt Erweiterung der Behandlungskapazität der Entmetallisierungsanlage auf 300.000 t/Jahr bzw. 1.500 t/Tag sowie die Erweiterung der in dieser Entmetallisierungsanlage zu behandelnden Abfallarten um zahlreiche gefährliche und nicht gefährliche Abfallarten;
c) die Erweiterung des Konsenses hinsichtlich der Zwischenlager im Hinblick auf die zwischenzulagernden Abfallarten.
Nachdem die mP Modifizierungen ihres Antrages vorgenommen hatte, wurde das Vorhaben mit Spruchpunkt I. des Bescheides der Niederösterreichischen Landesregierung vom nach dem UVP-G 2000 unter Vorschreibung von Auflagen genehmigt.
Dieser Spruchpunkt wurde auf Grund einer von der Beschwerdeführerin, einer Bürgerinitiative, erhobenen Berufung mit Bescheid der belangten Behörde vom aufgehoben. Die Rechtssache wurde gemäß § 66 Abs. 2 AVG an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen.
Nachdem die mP in weiterer Folge eine Projektänderung vorgenommen hatte, gemäß der u.a. die in den Anlagenteilen Verfestigung/Stabilisierung und Entmetallisierung zu behandelnden Abfälle zum Standort M ausschließlich per Lkw (nicht mehr per Bahn) angeliefert würden sowie die zur Behandlung in diesen Anlagen vorgesehenen Abfallarten so eingeschränkt wurden, dass sich die bisher bereits zur Deponierung genehmigten Abfallarten vollständig mit den nunmehr beantragten Abfallarten deckten, wurde das Vorhaben in dieser abgeänderten Ausführung mit Bescheid der Behörde erster Instanz vom genehmigt.
Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung wurde mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom nicht Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Im Beschwerdeschriftsatz beantragte sie abschließend, der Verwaltungsgerichtshof wolle der Beschwerde "gegen den Bescheid des Umweltsenats vom , GZ 20.3- 14/2012-19" gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
Begründend führte die Beschwerdeführerin dazu aus, der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Vielmehr würde diese Zuerkennung erst der Durchsetzung öffentlicher Interessen zum Durchbruch verhelfen. Durch das Vorhaben "drohen insbesondere Immissionen, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn gefährden (§ 17 Abs. 2 Z 2 lit. a UVP-G 2000) sowie erhebliche Belastungen der Umwelt durch nachhaltige Einwirkungen, die unter anderem den Boden, die Luft und den Zustand der Gewässer bleibend schädigen (§ 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP-G 2000). Weiters wird auf Dauer eine ordnungsgemäße Entsorgung umweltgefährdender Abfälle vereitelt (§ 17 Abs. 2 Z 3 UVP-G 2000)." Auf der Grundlage des angefochtenen Bescheides - so die Beschwerdeführerin - könnten "mehrere hundert verschiedene Abfallarten ohne Input-Limitierung der toxischen Inhaltsstoffe angeliefert und verarbeitet werden". In den verfahrensgegenständlichen Anlagen sollten insbesondere stark schwermetallhaltige Materialien verarbeitet werden. Es drohten damit massive Kontaminationen der Betriebshalle und des Bodens. Erfahrungsgemäß könnten Schwermetallkontaminationen nachträglich nicht mehr bzw. nur noch mit unverhältnismäßigem Aufwand beseitigt werden. Für die Entsorgung sei bisher keine Vorsorge getroffen worden. Zudem drohe der Republik Österreich ein erheblicher Vermögensnachteil, weil in dem bei aufwendigen Dekontaminationen sehr wahrscheinlichen Fall einer Insolvenz die öffentliche Hand für die Sanierung der betroffenen Bereiche zu sorgen habe.
Der mP - so führte die Beschwerdeführerin weiter aus - würde (aus näher genannten Gründen) durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch kein unverhältnismäßiger Nachteil erwachsen.
Schließlich wurde in der Begründung des Aufschiebungsauftrages ausgeführt, durch den Vollzug des mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Bescheides entstehe der Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger und unwiederbringlicher Nachteil. Die Unverhältnismäßigkeit eines sofortigen Vollzuges ergebe sich "aus dem oben bereits dargestellten Übergewicht der übergeordneten Interessen gegenüber den rein wirtschaftlichen Interessen der mitbeteiligten Partei". Den durch das verfahrensgegenständliche Vorhaben gefährdeten öffentlichen Interessen werde vom Gesetzgeber überragende Bedeutung eingeräumt. Die Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der mP falle demgegenüber nicht ins Gewicht, zumal der mP schon nach ihrem eigenen Bekunden kein wesentlicher wirtschaftlicher Nachteil drohe und angesichts der bereits errichteten Anlage keine bedeutenden, womöglich unaufschiebbaren wirtschaftlichen Dispositionen erforderlich seien. Die für die Interessen des Umweltschutzes entstehenden Nachteile seien unwiederbringlich. Die durch die Kontaminationen drohenden Umweltschäden könnten im Fall eines aufhebenden Erkenntnisses nicht mehr zur Gänze rückgängig gemacht werden.
Die belangte Behörde nahm zum Aufschiebungsantrag nicht Stellung.
Die mP beantragte in ihrer Stellungnahme vom , den Aufschiebungsantrag zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
2.1. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
2.2. Wie bereits unter Pkt. 1. dargelegt, beantragte die Beschwerdeführerin, der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde "vom , GZ 20.3-14/2012-19" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Gegen einen solchen Bescheid der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin vorliegend jedoch keine Beschwerde erhoben. Weder das zitierte Datum noch die genannte Geschäftszahl des erwähnten Bescheides stimmen mit den Daten des in Beschwerde gezogenen Bescheides der belangten Behörde vom überein. Auch eine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Bescheid (vom ) ist auszuschließen. Eine Sacherledigung über die aufschiebende Wirkung setzt aber eine in formeller Hinsicht zulässige Beschwerde voraus (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2012/04/0037, mwN). Unter diesem Gesichtspunkt erwiese sich der - auf eine (nicht existierende) Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen einen Bescheid der belangten Behörde vom "" bezogene - Aufschiebungsantrag als unzulässig.
2.3. Aber auch unter der Annahme, dass sich der gegenständliche Aufschiebungsantrag auf die vorliegende Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom bezieht - dafür spricht, dass die Beschwerdeführerin in der Begründung des Antrages auf den "mit der vorliegenden Beschwerde bekämpften Bescheid(..)" Bezug nimmt -, ist dem Antrag nicht stattzugeben.
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Beschwerdeführer schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt (vgl. dazu den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. 10.381/A; ferner etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2009/07/0009, mwN).
Nach der ständigen hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu beurteilen und haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hiebei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. dazu etwa die hg. Beschlüsse vom , Zl. AW 2009/07/0009, und vom , Zl. AW 2012/07/0059, jeweils mwN).
Eine beschwerdeführende Bürgerinitiative muss, um in einem Verfahren über einen von ihr gestellten Antrag, einer von ihr gegen einen rechtskräftigen Genehmigungsbescheid nach dem UVP-G 2000 erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, einen unverhältnismäßigen Nachteil darzutun, in ihrem Aufschiebungsantrag solche Beeinträchtigungen der von ihr als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltgüter konkretisiert darlegen, die nicht bereits in der von der belangten Behörde im angefochtenen Genehmigungsbescheid getroffenen, nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Interessenabwägung berücksichtigt wurden, wobei diese Abwägung auf der Grundlage von Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden sein muss, die nach der Aktenlage nicht von vornherein als unzutreffend zu beurteilen sind (vgl. dazu erneut den hg. Beschluss, Zl. AW 2009/07/0009, unter Bezugnahme auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofes).
Da nach dem Vorgesagten die (bloß) mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist, haben die Beschwerdebehauptungen in Bezug auf eine der belangten Behörde anzulastende Missachtung der Bindungswirkung ihres im ersten Rechtsgang erlassenen Zurückweisungsbescheides bei der vorliegenden Entscheidung über eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben.
Ferner hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid unter Verweis auf entsprechende Fachgutachten und unter Berücksichtigung der im zweiten Rechtsgang erfolgten Projektänderungen sowohl mit den Umweltauswirkungen durch den Lkw-Verkehr durch den Zu- und Abtransport der Abfälle - dies insbesondere im Hinblick auf die Fachbereiche Luftschadstoffe und Lärmschutz sowie unter dem Aspekt differenzierter Untersuchungsräume im Zusammenhang mit den Auswirkungen auf unterschiedliche Schutzgüter - als auch mit den aufgeworfenen Fragen einer Bahnanlieferung und des Umladens auf Bahnhöfen befasst. Darüber hinaus hat sie sich mit dem Vorbringen betreffend den Eintrag von Luftschadstoffen in den Boden bzw. die Einträge an Schwermetallen auseinandergesetzt. Im Ergebnis ist sie - näher begründend - den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Bedenken nicht gefolgt.
Die Beschwerdeführerin hat mit ihren Behauptungen zu ihrem Aufschiebungsantrag keine solchen Beeinträchtigungen von Umweltgütern konkretisiert vorgebracht, die nicht bereits in der im angefochtenen Bescheid getroffenen Interessenabwägung Berücksichtigung gefunden haben. Diese auf dem Boden der erwähnten fachgutachterlichen Äußerungen erfolgte Abwägung und die Sachverhaltsfeststellungen können auch nicht von vornherein als unschlüssig oder unzutreffend erachtet werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Normen | UVPG 2000; VwGG §30 Abs2; |
Schlagworte | Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung Begründungspflicht Unverhältnismäßiger Nachteil |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:AW2013070029.A00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-49961