VwGH 28.02.2014, 2014/08/0001
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über den Antrag des Dr. MS in G, vertreten durch Krückl Lichtl Huber Eilmsteiner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Harrachstraße 14/I, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln im mit Beschluss vom , Zl. 2013/08/0240, eingestellten Verfahren, den Beschluss
Spruch
gefasst:
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
1. Mit Verfügung vom forderte der Verwaltungsgerichtshof den damaligen Beschwerdeführer (nunmehrigen Antragsteller) gemäß § 34 Abs. 2 VwGG auf, seine Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom , Zl. Ges-180869/4-2013-Sax/Gu, betreffend Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach dem FSVG, durch näher umschriebene Angaben gemäß § 28 Abs. 1 VwGG sowie durch die Vorlage von vier weiteren Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde zu ergänzen. Der ergänzende Schriftsatz sei innerhalb einer Frist von sechs Wochen in vierfacher Ausfertigung vorzulegen. Die zurückgestellte Beschwerde sei im Original auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde. Eine Versäumung der Frist gelte als Zurückziehung der Beschwerde.
Innerhalb offener Frist ergänzte der Antragsteller sein Vorbringen mit einem ergänzenden Schriftsatz in vierfacher Ausfertigung. Zudem legte er vier weitere Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde vor. Die aufgetragene Wiedervorlage der zurückgestellten Beschwerde im Original unterblieb jedoch.
2. Mit Beschluss vom stellte der Verwaltungsgerichtshof das zur hg. Zl. 2013/08/0240 protokollierte Verfahren gemäß § 33 Abs. 1 und § 34 Abs. 2 VwGG wegen nicht vollständiger Mängelbehebung ein, weil der Beschwerdeführer die zurückgestellte Beschwerde nicht wieder vorgelegt hatte.
3. Mit dem vorliegenden Antrag vom begehrt der damalige Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG. Er begründete seinen Antrag mit dem Versehen einer Kanzleiangestellten seines anwaltlichen Vertreters. Der ergänzende Schriftsatz sei am durch seinen Vertreter erstellt worden. Bei Unterschriftsvorlage durch die Kanzleikraft N.W. habe sein Vertreter festgestellt, dass das Original der Bescheidbeschwerde dem ergänzenden Schriftsatz nicht beigelegen sei. Er habe N.W. deshalb ausdrücklich angewiesen, dieses dem Schriftsatz vor der Absendung beizulegen. Dies sei von N.W. bestätigend zur Kenntnis genommen worden.
Trotz ausdrücklicher Anordnung durch den Rechtsvertreter des Antragstellers sei allerdings vor Absendung des Schriftsatzes die Beilage des Originals der Bescheidbeschwerde zum ergänzenden Schriftsatz auf Grund eines Aufmerksamkeitsfehlers unterblieben. Bei N.W. handle es sich um eine ansonsten äußerst fleißige, sorgfältige und zuverlässige Arbeitskraft, der ein derartiger Fehler noch nie unterlaufen sei.
4. Nach § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt nur dann einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.
Unterfertigt ein Parteienvertreter einen Beschwerdeergänzungsschriftsatz, ist er verpflichtet zu überprüfen, ob mit der beabsichtigten Prozesshandlung dem gerichtlichen Auftrag fristgerecht entsprochen wird. In Anbetracht der Bedeutung, die der Vollständigkeit der Erfüllung eines Ergänzungsauftrages zukommt, ist der Parteienvertreter verhalten, auch die Vollständigkeit der Erfüllung der Aufträge zu überprüfen. Dazu gehört, dass er anlässlich der Unterfertigung des Ergänzungsschriftsatzes sein Augenmerk einerseits auch darauf richtet, ob am Ergänzungsschriftsatz die erforderliche Anzahl der Ausfertigungen und die vorzulegenden Beilagen vermerkt sind, und andererseits darauf, ob diese dem Schriftsatz auch angeschlossen sind.
Eine bloß mündlich erteilte Anordnung bei Fehlen eines schriftlichen Vermerks auf dem Ergänzungsschriftsatz oder zur Änderung oder Ergänzung eines unzureichenden schriftlichen Vermerks reicht auch aus dem Grunde der späteren verlässlichen Überprüfbarkeit nicht aus (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/08/0285, mwN).
Im vorliegenden Fall hat der Vertreter des Antragsstellers zur Erfüllung des Ergänzungsauftrages einen ergänzenden Schriftsatz mit dem Vermerk
"vierfach
Bescheidbeschwerde an den vierfach
Bescheidkopie"
vorgelegt.
Dem Vorbringen des Antragstellers zu Folge hätte die Kanzleikraft zwar "nach Weisung des Rechtsvertreters" handeln sollen, von der nach dem Gesagten erforderlichen schriftlichen Anordnung, dem Ergänzungsschriftsatz auch die zurückgestellte Beschwerde im Original anzuschließen, ist aber keine Rede. Aus der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages geht auch nicht hervor, dass der Vertreter die Vollständigkeit der Ergänzung vor der Kuvertierung nochmals überprüft hätte.
Damit ist er nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seinen Sorgfalts- und Überwachungspflichten nicht nachgekommen, zumal die Gefahr bestand, dass die Kanzleikraft vom Vermerk auf dem Beschwerdeschriftsatz ausgehen würde, wo (u.a.) die Vorlage der zurückgestellten Beschwerde im Original nicht vorgesehen war. Sowohl die Unterlassung der gebotenen Kontrolle anlässlich der Unterfertigung als auch die gänzliche Überantwortung der Durchführung des unter den vorliegenden Umständen lediglich mündlich erteilten Verbesserungsauftrages an eine Kanzleimitarbeiterin stehen einer Wiedereinsetzung als grobes Verschulden entgegen.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war daher gemäß § 46 VwGG keine Folge zu geben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §46 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2014080001.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-49945