VwGH 28.02.2014, 2014/03/0001
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Die Zusammenstellung des Schriftsatzes samt Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof zur aufgetragenen Behebung von Beschwerdemängeln obliegt der Partei, an die sich dieser Auftrag richtet. Wird sie von einem Rechtsanwalt vertreten, zählt diese Zusammenstellung zu den Aufgaben dieses Rechtsanwalts (Hinweis B vom , 2005/03/0234). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/03/0041 B RS 1 |
Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 2 | Ein Versehen einer Kanzleibediensteten stellt für einen Rechtsanwalt und damit für die von diesem vertretene Partei nur dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Angestellten hinreichend nachgekommen ist. Ein bevollmächtigter Vertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es etwa zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrnehmung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat (Hinweis B vom , 2008/03/0164, mwH). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/03/0041 B RS 2
(hier: ohne den ersten Satz) |
Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
RS 3 | In seiner Rechtsprechung hat es der Verwaltungsgerichtshof nicht als zweckmäßige und zumutbare Kontrollmaßnahme angesehen, dass sich der Rechtsanwalt nach Übergabe sämtlicher Schriftstücke an die bisher bewährte Kanzleikraft in jedem Fall noch von der tatsächlichen Durchführung der Expedierung der Sendung überzeugt. Die Überwachungspflicht des Parteienvertreters geht also nicht so weit, jede einzelne einfache Arbeitsverrichtung wie die Kuvertierung und Aufgabe von Postsendungen zu kontrollieren (Hinweis B vom , 2003/03/0164). Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Unterläuft im Zug eines solchen manipulativen Vorganges ein Fehler, liegt dem Rechtsanwalt - unter dem Gesichtspunkt einer rationellen und arbeitsteiligen, die Besorgung abgegrenzter Aufgabenbereiche delegierende Betriebsführung - eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nicht dadurch zur Last, dass er sich nach Zusammenstellung und Kontrolle des Mängelerhebungsschriftsatzes nicht von der richtigen Kuvertierung der Mängelbehebungspostendung überzeugte. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/03/0041 B RS 3
(hier: ohne die ersten zwei Sätze) |
Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 4 | Dass der Vertreter rein mechanische Vorgänge, wie das Kuvertieren und die Postaufgabe, grundsätzlich der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen kann, setzt voraus, dass auf Grund eindeutiger Anordnung (vor allem einen Beilagen- oder Gleichschriftenvermerk) klargestellt ist, welche Schriftstücke zu kuvertieren sind (Hinweis B vom , 2012/15/0198, und B vom , 2012/15/0237, beide mwH). Ohne eindeutigen Beilagenvermerk besteht eine erhöhte Kontrollpflicht des Beschwerdevertreters betreffend die Kuvertierung und Postaufgabe des Verbesserungsschriftsatzes samt notwendiger Beilagen (Hinweis B vom , 2012/06/0044, und B vom , 2012/15/0237). |
Norm | VwGG §46 Abs1; |
RS 5 | Geht aus einem Beilagenvermerk nicht hervor, dass dem Verwaltungsgerichtshof die ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde im Original wieder vorzulegen ist, wird durch einen solchen Beilagenvermerk nach der Rechtsprechung (Hinweis B vom , 2012/15/0198, mwH) eine gefahrengeneigte Situation geschaffen. Schon die Nichtanführung des Originals der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof löst die ausnahmsweise Kontrollpflicht des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers über die Kuvertierung und Postaufgabe des Verbesserungsschriftsatzes samt notwendiger Beilagen aus (Hinweis B vom , 2012/06/0044). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache des Dr. R F in W, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Argentinierstraße 20, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Versäumung der Frist zur vollständigen Mängelbehebung in dem eine Übertretung des ORF-Gesetzes betreffenden Beschwerdeverfahren Zl 2013/03/0115, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1.1. Mit Schriftsatz vom erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom , Zl UVS-06/48/3556/2010- 6, betreffend Übertretung des ORF-Gesetzes, BGBl Nr 379/1984 idF BGBl I Nr 50/2010, zunächst gemäß Art 144 B-VG Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof trat dem Verwaltungsgerichtshof diese Beschwerde - nach Ablehnung ihrer Behandlung - mit Beschluss vom , B 968/2012-7, gemäß Art 144 Abs 3 B-VG zur Entscheidung ab.
2. Mit Beschluss vom , 2013/03/0115- 5, wurde das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß §§ 34 Abs 2 und 33 Abs 1 VwGG eingestellt, weil die beschwerdeführende Partei der an sie gerichteten Aufforderung, die Mängel der vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde zu beheben, insoweit nicht fristgerecht nachkam, als weder die der beschwerdeführenden Partei zurückgestellte an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde im Original neuerlich noch die abgeforderten zwei weiteren Ausfertigungen dieser Verfassungsgerichtshofs-Beschwerde vorgelegt wurden.
3.1. Nach der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages sei die vorliegende Konstellation durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass es auf administrativer Ebene zwei parallele Verfahren gegeben habe, nämlich ein Feststellungsverfahren betreffend eine Verletzung des ORF-Gesetzes seitens des ORF (vgl das diesbezüglich beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren zur Zl 2012/03/0019) und daran anknüpfend das gegenständlich maßgebliche Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer. Der Beschwerdeführer habe den Auftrag zur Einbringung des Verbesserungsschriftsatzes am erteilt. Unmittelbar danach habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers seine verlässliche, erfahrene, gewissenhafte und seit langem fehlerlos arbeitende Kanzleikraft dahingehend instruiert, den Verbesserungsschriftsatz samt sämtlichen Beilagen abzufertigen. Der Rechtsvertreter habe hierbei auch auf die zusätzlich erforderlichen Beilagen, das seien eine Bescheidabschrift, der Einzahlungsbeleg samt Unwiderruflichkeitsvermerk und die Beschwerde aus dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gewesen, hingewiesen. Die Kanzleikraft habe dies entweder missverstanden oder es seien die Beilagen versehentlich nicht ins Kuvert gelegt worden. Die Kanzleikraft sei sich sicher gewesen, die Anweisung des Rechtsvertreters richtig verstanden und ausgeführt zu haben; sie habe daher nach Abfertigung des Schriftsatzes diesen aus dem Fristenbuch herausgestrichen, womit für alle Mitarbeiter die korrekte Erledigung dokumentiert worden sei. Der Rechtsvertreter habe am späten Nachmittag des auch noch nachgefragt, ob der Schriftsatz abgefertigt worden sei, was ihm bestätigt worden sei. Erst nach Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom am sei bekannt geworden, dass die Frist insofern nicht gewahrt worden sei, als die vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Beilagen nicht angeschlossen gewesen seien. Die antragstellende Partei sei daher durch ein unabwendbares bzw unvorhergesehenes Ereignis an der Einhaltung der gesetzten Mängelbehebungsfrist gehindert gewesen. Ob die Kanzleikraft ein Verschulden treffe, spiele keine Rolle. Allerdings sei auch dies bestenfalls in einem minderen Grad der Fall, zumal die bestehende Konstellation durch die engere Parallelität von Aufsichtsverfahren gegenüber dem ORF und Verwaltungsstrafverfahren gegenüber der beschwerdeführenden Partei als verantwortlichem Beauftragten für bestimmte Bestimmungen des ORF-Gesetzes gekennzeichnet sei, sich damit als etwas unübersichtlich darstelle und hiedurch allenfalls ein Missverständnis begünstigt worden sei. Relevant sei primär, ob den Rechtsvertreter ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden treffe. Dies sei allerdings nicht der Fall; die Kanzleikraft sei eine Mitarbeiterin, wie man sie sich nur wünschen könne; irgendwelche prozessuale Handlungsnotwendigkeiten auslösende oder sonstige Nachteile verursachende Fehler oder auch nur geringe Fehlleistungen seien der Kanzleikraft bisher nicht unterlaufen.
3.2. In der dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossenen "Eidesstättigen Erklärung" des Rechtsvertreters wird der Vorgang betreffend die Vornahme der Mängelbehebung im Wesentlichen gleich dargestellt. Der Rechtsanwalt habe nach dem Auftrag zur Vornahme der Mängelbehebung die Kanzleikraft angewiesen, den Schriftsatz samt Beilagen postalisch einzubringen und die Kanzleikraft insbesondere ersucht, eine Bescheidkopie, den Einzahlungsnachweis über die Eingabengebühr und die VfGH-Beschwerde samt Abschriften beizulegen. Die Kanzleikraft habe letztere beim Abfertigen versehentlich nicht in das Kuvert gelegt oder die Anweisung des Rechtsvertreters missverstanden. Sie habe dem Mängelbehebungsschriftsatz zwar die VwGH-Beschwerde zur Zl 2012/03/0019 samt Abschriften beigelegt, nicht aber die das Verwaltungsstrafverfahren betreffende VfGH-Beschwerde samt Abschriften. Erklären könne sich das der Rechtsvertreter eigentlich nur dadurch, dass er bei Verfassung des Verbesserungsschriftsatzes entschieden hätte, die VfGH-Beschwerde aus dem Parallelverfahren zur Zl 2012/03/0019 beizulegen, zumal in der Frage, ob überhaupt eine Verletzung des ORF-Gesetzes vorliege, die Rechtsfragen ident seien. Möglicherweise habe die Kanzleikraft auf Grund dessen die Anweisung des Rechtsvertreters zur Beilage der VfGH-Beschwerde missverstanden und nur die besagte VwGH-Beschwerde beigelegt. Der Rechtsvertreter habe die Kanzleikraft "irgendwann am späteren Nachmittag" noch gefragt, ob "der ORF-Schriftsatz weg" sei (der Verbesserungsschriftsatz sei an diesem Tag der einzige gewesen, der für den ORF einzubringen gewesen sei), was dem Rechtsvertreter bestätigt worden sei. Der Rechtsvertreter arbeite mit der Kanzleikraft seit über zehn Jahren zusammen. Sie sei schon in der Kanzlei tätig gewesen, als der Rechtsvertreter Mitte 2003 als Konzipient begonnen habe. Die Kanzleikraft sei laufend aus- und weitergebildet worden und verfüge seit Jahren über einen Wissensstand, der sie problemlos zu einer Kanzleileiterin befähigen würde; sie sei ausgesprochen intelligent und erfülle die Tätigkeiten gewissenhaft, umsichtig und zur vollsten Zufriedenheit des Rechtsvertreters. Sie sei seit Jahren nicht nur mit den unterschiedlichen Verfahrensarten, sondern insbesondere auch mit dem Abfertigen von Schriftsätzen vertraut und habe dies in hunderten Fällen völlig problemlos erfüllt. Eine Fehlleistung, die nennenswerte prozessuale oder materiell-rechtliche Konsequenzen gehabt hätte, sei ihr bisher nicht unterlaufen, vielmehr habe sie im Gegenteil in einigen Fällen darauf aufmerksam gemacht, dass zB ein Schriftstück laut Vermerk nicht in der vorgeschriebenen Anzahl eingebracht würde, dass Fehler im Kostenverzeichnis enthalten seien, usw. Dass die Kanzleikraft entgegen der ihr erteilten Anweisung die VfGH-Beschwerde nicht beigelegt habe, beruhe auf einem erstmaligen und nach Überzeugung des Rechtsanwalts auch einmaligem Fehler.
3.3. Aus der weiters angeschlossenen "Eidesstättigen Erklärung" der Kanzleikraft ergibt sich diesbezüglich noch, dass der Rechtsvertreter, als er ihr den Mängelbehebungsschriftsatz übergeben habe, auch gesagt habe, die Kanzleikraft möge bitte auch die Beilagen anschließen. Konkret habe der Rechtsvertreter auf eine Bescheidausfertigung, den Einzahlungsbeleg und die VfGH-Beschwerde hingewiesen. Während die Beschwerdegebühr eingezahlt worden sei, habe die Kanzleikraft den Schriftsatz kopiert und die Beilagen "zusammengestellt". Die Kanzleikraft habe den Überweisungsbeleg betreffend die Gebühr vom Rechtsvertreter unterschreiben lassen, diesen kopiert und dem zur Abfertigung vorbereiteten Schriftsatzkonvolut beigegeben und dieses sodann kuvertiert und zur Kanzleipost gelegt. Die Kanzleipost sei dann gesammelt von einer Kollegin gegen 17.30 Uhr zur Post gebracht worden. Nach Zustellung des genannten Einstellungsbeschlusses vom sei in der Kanzlei festgestellt worden, dass das vom Verwaltungsgerichtshof zurückgestellte VfGH-Beschwerdeexemplar nach wie vor im Handakt des Rechtsvertreters liege und diesbezüglich der Mängelbehebungsauftrag offenbar tatsächlich versehentlich nicht befolgt worden sei. Die Kanzleikraft wisse heute nicht mehr, ob dies einfach versehentlich geschehen sei, oder ob auf Grund des Umstands, dass zwischen der Anweisung zur Abfertigung und der tatsächlichen Abfertigung zahlreiche andere Dinge zu erledigen gewesen seien, sie dann einfach der unrichtigen Meinung gewesen sei, dass die beizulegende Beschwerde jene aus dem Beschwerdeverfahren betreffend die Verletzung des ORF-Gesetzes sei, welche ja auch tatsächlich beigelegt worden sei und dies auch hätte werden sollen.
4. Der Verwaltungsgerichtshof geht von dem im Wiedereinsetzungsantrag an sich widerspruchsfrei dargestellten Sachverhalt aus.
5. Gemäß § 46 Abs 1 VwGG (vorliegend iVm § 79 Abs 11 VwGG) ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich um einen minderen Grad des Versehens handelt.
6. Die Zusammenstellung des Schriftsatzes samt Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof zur aufgetragenen Behebung von Beschwerdemängeln obliegt der Partei, an die sich dieser Auftrag richtet. Wird sie (wie vorliegend) von einem Rechtsanwalt vertreten, zählt diese Zusammenstellung zu den Aufgaben dieses Rechtsanwalts (vgl etwa , mwH).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa , mwH) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein bevollmächtigter Vertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es etwa zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrnehmung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Rechtsanwalt aber nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen. Unterläuft im Zug eines solchen manipulativen Vorganges ein Fehler, liegt dem Rechtsanwalt - unter dem Gesichtspunkt einer rationellen und arbeitsteiligen, die Besorgung abgegrenzter Aufgabenbereiche delegierende Betriebsführung - eine Verletzung der Sorgfaltspflicht nicht dadurch zur Last, dass er sich nach Zusammenstellung und Kontrolle des Mängelerhebungsschriftsatzes nicht von der richtigen Kuvertierung der Mängelbehebungspostendung überzeugte (vgl wiederum , mwH).
Dass der Vertreter rein mechanische Vorgänge, wie das Kuvertieren und die Postaufgabe, grundsätzlich der alleinigen Erledigung der Kanzlei überlassen kann, setzt zudem voraus, dass auf Grund eindeutiger Anordnung (vor allem einen Beilagen- oder Gleichschriftenvermerk) klargestellt ist, welche Schriftstücke zu kuvertieren sind (vgl etwa , und , beide mwH). Ohne eindeutigen Beilagenvermerk besteht eine erhöhte Kontrollpflicht des Beschwerdevertreters betreffend die Kuvertierung und Postaufgabe des Verbesserungsschriftsatzes samt notwendiger Beilagen (vgl , und ).
7. Dass die Unterlassung der geforderten Wiedervorlage der zurückgestellten, vom Verfassungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde im Original sowie die Beifügung der abgeforderten beiden weiteren Ausfertigungen der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde erst im Zug der Kuvertierung oder bei der Postaufgabe - nachdem zuvor der Mängelbehebungsschriftsatz vom Rechtsvertreter selbst bzw unter seiner entsprechenden Kontrolle, dem Mängelbehebungsauftrag Genüge leistend, zusammengestellt worden war - erfolgt wäre, lässt sich dem vorliegenden Antrag nicht entnehmen.
Vielmehr ergibt sich aus dem Wiedereinsetzungsantrag samt Eidesstättigen Erklärungen, dass der mit der Erstellung des Schriftsatzes betraute Rechtsanwalt zwar den Anschluss dieser Unterlagen mündlich in Auftrag gab, sich aber dann nicht davon vergewisserte, dass diese Unterlagen dem Mängelbehebungsschriftsatz - vor der Kuvertierung - angeschlossen wurden. Auf dem Boden der Rechtsprechung kann dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag schon deshalb kein Erfolg beschieden sein (vgl nochmals ).
8. Darüber hinaus liegt gegenständlich auch ein zu dem eingetretenen Irrtum Anlass gebender Beilagenvermerk (Beilagenverfügung) vor, der dem Wiedereinsetzungsantrag den Erfolg versagt.
Im vorliegenden Fall trägt der vom Rechtsanwalt unterfertigte Verbesserungsschriftsatz vom folgenden Beilagenvermerk:
"3-fach
1 Halbschrift
2 Beilagen (1-fach)
2 Beilagen (3-fach)"
Aus diesem Beilagenvermerk geht nicht hervor, dass dem Verwaltungsgerichtshof die ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde im Original wieder vorzulegen ist. Durch einen solchen Beilagenvermerk wird nach der Rechtsprechung (vgl , mwH) eine gefahrengeneigte Situation geschaffen. Schon die Nichtanführung des Originals der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof löst die ausnahmsweise Kontrollpflicht des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers über die Kuvertierung und Postaufgabe des Verbesserungsschriftsatzes samt notwendiger Beilagen aus (vgl ). Eine solche Kontrolle der genannten Kanzleikraft im Zuge der Kuvertierung des Mängelbehebungsschriftsatzes samt Beilagen fand nach dem eigenen Vorbringen des Rechtsvertreters aber nicht statt.
Zudem wird im Wiedereinsetzungsantrag darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführervertreter den Auftrag gab, dem Mängelbehebungsschriftsatz auch den (im Übrigen vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren gegen den den Beschwerdeführer betreffenden Verwaltungsstrafbescheid gar nicht abverlangten) Beschwerdeschriftsatz (zur Zl 2012/03/0019) betreffend die Verletzung des ORF-Gesetzes anzuschließen. Damit war aber nicht erkennbar, dass mit dem zweimaligen Vermerk "2 Beilagen ..." der im Mängelbehebungsauftrag enthaltene Auftrag zur Übermittlung von zwei weiteren Ausfertigungen der beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Beschwerde erfasst werden soll. Auch im Wiedereinsetzungsantrag wird bemerkt, dass die Fassung des Beilagenvermerks in diesem Zusammenhang Anlass zu einem Missverständnis geben konnte.
Unter den geschilderten Umständen ist es dem Beschwerdeführervertreter als eigenes, über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden anzulasten, dass er bei Unterfertigung des Verbesserungsschriftsatzes nicht darauf drängte, die Beilagenverfügung klar zu fassen. Dieses Verschulden ist einem Verschulden des Antragstellers selbst gleichzuhalten (siehe ).
9. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte daher nicht stattgegeben werden.
Wien, am
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2014:2014030001.X00 |
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Fundstelle(n):
IAAAF-49944