VwGH 12.09.2013, 2013/21/0131
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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RS 1 | Die nach § 58 Abs 2 VwGG vorzunehmende hypothetische Prüfung des Verfahrensausganges ergibt im Fall der Ladung eines Fremden in einer Angelegenheit nach dem FrPolG 2005, dass die Beschwerde bei einer inhaltlichen Behandlung Erfolg gehabt hätte: Der Fremde befand sich bei Erlassung des bekämpften Ladungsbescheides rechtmäßig in Österreich. Denn entweder dokumentierte die ihm ausgestellte Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG 2005 - die zuvor ergangenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen iSd E , 2008/21/0123, verdrängend (Hinweis E , 2012/18/0005) - ohnehin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Oder aber, wenn dies nicht der Fall wäre, so hätte die Zurückziehung des Antrags auf internationalen Schutz durch den Fremden im Grunde des § 25 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 keine Rechtswirkungen entfaltet, weshalb das Asylverfahren erstinstanzlich anhängig wäre und dem Fremden dann (nach wie vor) die Stellung eines zugelassenen Asylwerbers mit Aufenthaltsberechtigung zukäme. Anlass für eine, den Zweck der gegenständlichen Ladung bildende "Sicherung der Ausreise" hätte daher keinesfalls bestanden. Demnach hat gemäß §§ 47 ff VwGG ein Kostenersatz an den Fremden zu erfolgen. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, in der Beschwerdesache des WO in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom , Zl. 1274121/FrB/13, betreffend Ladung in einer Angelegenheit nach dem FPG, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist nigerianischer Staatsangehöriger und stellte im Februar 2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde zweitinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom gemäß § 5 AsylG 2005 (wegen Zuständigkeit Italiens) zurückgewiesen, außerdem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 nach Italien ausgewiesen.
In der Folge war der Beschwerdeführer zunächst nicht greifbar. Am wurde er allerdings wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz nach der StPO festgenommen. Er verblieb bis in Gerichtshaft und wurde dann in Schubhaft überstellt.
Aus der Schubhaft wurde der Beschwerdeführer am zwecks Ausreise nach Italien entlassen. Bereits davor hatte die Bundespolizeidirektion Wien gegen ihn mit Bescheid vom wegen der mittlerweile erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten (unbedingter Strafteil zwei Monate) eine Rückkehrentscheidung erlassen und ein fünfjähriges Einreiseverbot verhängt.
Spätestens ab Oktober 2011 befand sich der Beschwerdeführer wieder in Österreich. Er stellte neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz, der vom Bundesasylamt zugelassen wurde.
Nach Eheschließung mit einer in Österreich niedergelassenen ungarischen Staatsangehörigen am (der Verbindung entstammt eine 2011 geborene Tochter) und Ausstellung einer Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG am zog der Beschwerdeführer den wiederholten Antrag auf internationalen Schutz zurück. Das brachte das Bundesasylamt der Landespolizeidirektion Wien mit Mitteilung vom zur Kenntnis. Diese erließ hierauf, wiewohl in Kenntnis von der dem Beschwerdeführer ausgestellten Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG, den nunmehr angefochtenen Ladungsbescheid vom , mit dem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, am um 09.00 Uhr zur Behörde zu kommen und in der Angelegenheit "Sicherung der Ausreise auf Grund Ihrer rechtskräftigen und durchsetzbaren Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot, gültig bis " als Partei mitzuwirken, wobei neben dem Ladungsbescheid ein amtlicher Lichtbildausweis und der Reisepass mitzubringen seien. Es sei notwendig, dass der Beschwerdeführer persönlich komme. Für den Fall der Nichtbefolgung der Ladung wurde (insbesondere) die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 3 AVG angedroht.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die vorliegende, am eingelangte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In ihrer dazu erstatteten Gegenschrift führte die Landespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) aus, dass die gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot am widerrufen worden seien; demzufolge sei das Rechtsschutzinteresse des Beschwerdeführers nachträglich weggefallen und die Beschwerde in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG gegenstandslos geworden.
Dieses Vorbringen kann nur so gedeutet werden, dass die belangte Behörde ein Erscheinen des Beschwerdeführers bei ihr nicht weiter für erforderlich erachte und dass sie unabhängig vom Ausgang des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon Abstand nehme, die Vorführung des - zum Termin am nicht erschienenen - Beschwerdeführers zu vollziehen. Von daher kommt dem Beschwerdeführer an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes kein rechtliches Interesse mehr zu. Ein solches hat er in seiner zur Gegenschrift der belangten Behörde erstatteten Äußerung auch nicht geltend gemacht und im Ergebnis selbst eingeräumt, dass "Klaglosstellung" anzunehmen sei.
Demzufolge war die Beschwerde gemäß der in der behördlichen Gegenschrift vertretenen Ansicht in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das verwaltungsgerichtliche Verfahren einzustellen.
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGG ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen. Die demnach vorzunehmende hypothetische Prüfung des Verfahrensausganges ergibt im vorliegenden Fall, dass die Beschwerde bei einer inhaltlichen Behandlung Erfolg gehabt hätte:
Der Beschwerdeführer befand sich bei Erlassung des bekämpften Ladungsbescheides nämlich rechtmäßig in Österreich. Denn entweder dokumentierte die ihm am ausgestellte Aufenthaltskarte nach § 54 Abs. 1 NAG - die zuvor ergangenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Sinn des hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2008/21/0123, verdrängend (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2012/18/0005) - ohnehin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht. Oder aber, wenn dies nicht der Fall wäre, so hätte die Zurückziehung des Antrags auf internationalen Schutz durch den Beschwerdeführer im Grunde des § 25 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 keine Rechtswirkungen entfaltet, weshalb das Asylverfahren erstinstanzlich anhängig wäre und dem Beschwerdeführer dann (nach wie vor) die Stellung eines zugelassenen Asylwerbers mit Aufenthaltsberechtigung zukäme. Anlass für eine, den Zweck der gegenständlichen Ladung bildende "Sicherung der Ausreise" hätte daher keinesfalls bestanden.
Demnach hat gemäß §§ 47 ff VwGG ein Kostenersatz an den Beschwerdeführer zu erfolgen, wobei sich die Höhe nach der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 richtet.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Zuspruch von Aufwandersatz gemäß §58 Abs2 VwGG idF BGBl 1997/I/088 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2013210131.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-49942