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VwGH 18.09.2013, 2013/03/0094

VwGH 18.09.2013, 2013/03/0094

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
RS 1
Die Festsetzung einer Frist und die Anordnung ihrer Vormerkung fallen allein in die Verantwortung des Rechtsanwalts, ihm obliegt es daher auch, die richtige Eintragung der Fristen im Terminkalender zu überwachen (Hinweis E vom , 2005/05/0100, VwSlg 16.614 A/2005, und E vom , 2008/05/0239); es gehört zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden (Hinweis Beschlüsse des , vom , 2006/07/0028 und vom , 2012/03/0041).
Norm
VwGG §46 Abs1;
RS 2
Im vorliegenden Fall hat der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers das ihm vom Beschwerdeführer bekannt gegebene Zustelldatum "übersehen oder auf Grund altersbedingter Vergesslichkeit die Frist für die Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde nicht eingetragen". Auch wenn im Antrag auf Wiedereinsetzung darauf hingewiesen wird, dass der Rechtsvertreter im 84. Lebensjahr stehe und an schweren Erkrankungen leide, die ihn sehr belasteten, wobei seine Leistungsfähigkeit "zwar noch gegeben, aber alters- und krankheitsbedingt eingeschränkt" sei, kann dies unter Zugrundelegung des strengen Maßstabes auf Seiten des Rechtsvertreters nicht bloß als Versehen minderen Grades gewertet werden. Auf dem Boden seiner besonderen Sorgfaltspflicht hätte es dem Rechtsanwalt angesichts seiner Erkrankung vielmehr oblegen, anderweitig (etwa durch Einrichtung eines lückenlosen Kontrollsystem in seiner Kanzlei) dafür vorzusorgen, dass die fristgerechte Erstattung und Abfertigung fristgebundener Schriftsätze gewährleistet wird (Hinweis B vom , 1883/66, mwH).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2013/03/0095

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny,

1. über den Antrag des Dr. E L in W, vertreten durch Dr. Othmar Slunsky, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 28/1/4, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien vom , Zl UVS- 04/G/21/12181/2012, betreffend Verwaltungsübertretung nach der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen Betriebsordnung, und

2. über diese Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 Abs 1 VwGG nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am - Tatort und Tatzeit sind näher angegeben - ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Taxi als Lenker im Fahrdienst verwendet und sei ohne besondere straßenpolizeiliche Anordnung außerhalb eines Taxistandplatzes aufgefahren. Dadurch habe er § 30 Abs 1 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen Betriebsordnung iVm § 15 Abs 5 Z 1 des Gelegenheitsverkehr-Gesetzes 1996 übertreten; er wurde deshalb mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 45 Stunden) bestraft.

2. Mit dem vorliegenden, am zur Post gegebenen Antrag (protokolliert zur Zl 2013/03/0094) begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid. Gleichzeitig brachte der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid die zur Zl 2013/03/0095 protokollierte Beschwerde ein.

3. Gemäß § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein bevollmächtigter Vertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist (vgl etwa , , und ). Die Festsetzung einer Frist und die Anordnung ihrer Vormerkung fallen allein in die Verantwortung des Rechtsanwalts, ihm obliegt es daher auch, die richtige Eintragung der Fristen im Terminkalender zu überwachen (vgl , VwSlg 16.614 A/2005, und ); es gehört zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden (vgl nochmals die zitierten Beschlüsse des VwGH 2006/03/0149, 2006/07/0028 und 2012/03/0041).

Der Wiedereinsetzungswerber - oder sein Vertreter - darf nicht die im Verkehr mit Gerichten und Verwaltungsbehörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und demnach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben; dabei ist an rechtskundige Personen ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an einem gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen; die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei oder ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (vgl etwa , mwH, und ).

4. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich das Vorbringen des Antragstellers als nicht zielführend. Im vorliegenden Fall hat nämlich der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers - so sein Vorbringen - das ihm vom Beschwerdeführer bekannt gegebene Zustelldatum () "übersehen oder auf Grund altersbedingter Vergesslichkeit die Frist für die Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde nicht eingetragen". Auch wenn im Antrag darauf hingewiesen wird, dass der Rechtsvertreter im 84. Lebensjahr stehe und an schweren Erkrankungen leide, die ihn sehr belasteten, wobei seine Leistungsfähigkeit "zwar noch gegeben, aber alters- und krankheitsbedingt eingeschränkt" sei, kann dies unter Zugrundelegung des dargestellten strengen Maßstabes auf Seiten des Rechtsvertreters nicht bloß als Versehen minderen Grades gewertet werden. Auf dem Boden seiner besonderen Sorgfaltspflicht hätte es dem Rechtsanwalt angesichts seiner Erkrankung vielmehr oblegen, anderweitig (etwa durch Einrichtung eines lückenlosen Kontrollsystem in seiner Kanzlei) dafür vorzusorgen, dass die fristgerechte Erstattung und Abfertigung fristgebundener Schriftsätze gewährleistet wird (vgl dazu , mwH). Die Angaben im Wiedereinsetzungsantrag lassen derartige Vorkehrungen (etwa betreffend ein Kontrollsystem) in der Kanzlei des Rechtsanwalts der beschwerdeführenden Partei aber nicht (einmal ansatzweise) erkennen.

5. Dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag konnte daher im Grunde des § 46 Abs 1 VwGG nicht stattgegeben werden.

6. Mangels Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war die unbestritten nach Ablauf der Beschwerdefrist (gemeinsam mit dem Wiedereinsetzungsantrag) eingebrachte Beschwerde gemäß § 34 Abs 1 VwGG als verspätet zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2013:2013030094.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-49890