VwGH 11.09.2013, 2013/02/0152
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Im Rahmen der eine "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht (vgl. B , 2012/02/0146) trifft den Wiedereinsetzungswerber die Obliegenheit, sich bei geeigneten Stellen bezüglich der Wahl des Höchstgerichtes bzw. der Möglichkeit zweier (rechtzeitiger bzw. fristwahrender) Verfahrenshilfeanträge zwecks Einbringung einer Parallelbeschwerde zu erkundigen. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller gerade nicht davon ausgehen durfte, die Frist für die Erhebung einer Beschwerde an den VwGH würde mit der Zustellung des den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses des VfGH neu zu laufen beginnen (vgl. B , 2010/21/0197). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über den Antrag des V in N, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrages auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-03/M/25/6291/2012-11, betreffend Übertretung der StVO (weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wurde über den Antragsteller eine Verwaltungsstrafe in Höhe von EUR 63,- wegen einer Übertretung der StVO verhängt.
Den durch den Antragsteller fristgerecht an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom ab. Die Übernahme dieses Beschlusses durch den Antragsteller erfolgte nach dessen (unbelegten) Behauptungen erst am .
Unter Bezugnahme auf die Übernahme dieses Beschlusses am stellte der Antragsteller nunmehr mit der an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Eingabe vom "einen Verfahrenshilfeantrag" "bzw. auch Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung des Antrages auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde", erkennbar gegen den eingangs genannten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde neben der Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen nur ausgeführt, in der Rechtsmittelbelehrung des angeführten Bescheides sei gestanden, dass der Antragsteller innerhalb von sechs Wochen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof "oder" Verwaltungsgerichtshof erheben könne. Er habe daher nach Ablehnung der Leistungsübernahme durch die Rechtsschutzversicherung einen Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verfassungsgerichtshof gestellt, weil dieser "ja zuerst" in der Rechtsmittelbelehrung gestanden sei. Erst nachdem ihm der abweisende Beschluss des Verfassungsgerichtshofes zugekommen sei, habe er verstanden, dass "hier" der Verwaltungsgerichtshof zuständig wäre.
Gemäß § 26 Abs. 3 VwGG ist die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - diese beträgt gemäß § 26 Abs. 1 VwGG sechs Wochen - gewahrt, wenn die Partei innerhalb der Frist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt hat.
Der hier gegenständliche Antrag richtet sich offenkundig auf Wiedereinsetzung in diese Frist, wobei der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung davon ausgeht, eine derartige Wiedereinsetzung sei an sich möglich (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/18/0099, mwN).
Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag ist entgegen § 24 Abs. 2 VwGG nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet. Ein Auftrag an den Beschwerdeführer, den Wiedereinsetzungsantrag zu verbessern, erübrigt sich jedoch, weil der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keine Anhaltspunkte für die Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung dieses Formgebrechens die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. 2012/02/0146, mwN).
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach Abs. 3 der genannten Bestimmung ist der Antrag in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses beim Verwaltungsgerichtshof zu stellen; die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Gemäß § 46 Abs. 4 VwGG ist über den Antrag in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden. Demnach ist über alle Wiedereinsetzungsanträge im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, also auch über einen Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung einer Frist in einer Angelegenheit der Verfahrenshilfe, durch Beschluss des Senates zu entscheiden (vgl. etwa den Beschluss vom , Zl. 2010/21/0197, mwN).
Nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag bestand das "Ereignis", das den Antragsteller an der rechtzeitigen Stellung eines an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Verfahrenshilfeantrages (binnen sechs Wochen nach Zustellung des anzufechtenden Bescheides) hinderte, offenbar darin, dass er der Meinung war, die Nennung von sowohl Verfassungsgerichtshof als auch Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsmittelbelehrung weise darauf hin, dass es ungeachtet der inhaltlichen Aspekte einer Beschwerde völlig gleichgültig wäre, bei welchem dieser Höchstgerichte die Beschwerde einzubringen wäre bzw. dass aufgrund der Nennung des Verfassungsgerichtshofes als erstem Höchstgericht in der Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde jedenfalls dann eben dort einzubringen wäre. Dieses Hindernis sei am mit der Übernahme des Abweisungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom weggefallen, und zwar erkennbar deshalb, weil der Antragsteller durch die Beschlussbegründung über seinen Rechtsirrtum aufgeklärt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt die Auffassung vertreten, dass auch ein Rechtsirrtum als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht kommen kann. Wenn ein solcher Irrtum als Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht wird, ist im Einzelfall die Verschuldensfrage zu prüfen (vgl. etwa den Beschluss vom , Zl. 2008/02/0104, mwN). Der Begriff des minderen Grades des Versehens im letzten Satz des § 46 Abs. 1 VwGG ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (siehe den Beschluss vom , Zl. 2012/22/0095, mwH).
Im Rahmen der ihn als "ordentliche Prozesspartei" treffenden Sorgfaltspflicht (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom , Zl. 2012/02/0146, mwN) hätte den Beschwerdeführer jedoch die Obliegenheit getroffen, sich bei geeigneten Stellen bezüglich der Wahl des Höchstgerichtes bzw. der Möglichkeit zweier (rechtzeitiger bzw. fristwahrender) Verfahrenshilfeanträge zwecks Einbringung einer Parallelbeschwerde zu erkundigen. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller gerade nicht davon ausgehen durfte, die Frist für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof würde mit der Zustellung des den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes neu zu laufen beginnen (vgl. z.B. den bereits zitierten hg. Beschluss vom ).
Dass er dies versucht hätte, bringt der Antragsteller nicht vor; dass er gehindert oder es ihm nicht zumutbar gewesen wäre, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen, ist ebenfalls nicht erkennbar. In Anbetracht der Bedeutsamkeit der Wahrung von Beschwerdefristen trifft den Antragsteller sohin ein Verschulden, das den minderen Grad des Versehens übersteigt (vgl. dazu auch den bereits zitierten Beschluss vom , Zl. 2008/02/0104, bezüglich der irrtümlichen und nicht fristwahrenden Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bei der dort belangten Behörde).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Über den damit verbundenen Verfahrenshilfeantrag ist von dem hiefür gemäß § 14 Abs. 2 VwGG zuständigen Berichter zu entscheiden.
Bei diesem Ergebnis konnte die - keinem Rechtsschutzinteresse des Antragstellers dienende - Aufforderung desselben, die dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden formellen Mängel zu beheben, entfallen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2013:2013020152.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-49888