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VwGH 20.03.2018, Ro 2017/16/0018

VwGH 20.03.2018, Ro 2017/16/0018

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Art. VI Z 28 GGG ist nicht als jüngere generelle Norm anzusehen, welche gegenüber einer älteren speziellen Norm keine Derogationswirkung entfalten könnte (vgl. dazu etwa , , und ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., in der Revisionssache der I GmbH & Co KG in I, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W 199 2111918-1/3E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Innsbruck), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen von 553,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit einem (in den vorgelegten Akten des Verfahrens nicht enthaltenen) Kaufvertrag und einem Nachtrag zu diesem Kaufvertrag vom veräußerte F.T. zwei näher bezeichnete, in seinem grundbücherlichen Eigentum stehende Liegenschaften der Stadt Innsbruck.

2 Die Stadt Innsbruck übertrug diese Liegenschaften mit einem (in den vorgelegten Akten des Verfahrens nicht enthaltenen) "Einbringungsvertrag vom 1./" der revisionswerbenden Kommanditgesellschaft (Revisionswerberin).

3 Auf Grund eines mit Schriftsatz vom gestellten Antrages der Stadt Innsbruck einerseits und der Revisionswerberin andererseits erfolgte mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom die Einverleibung des Eigentumsrechtes an den in Rede stehenden Liegenschaften für die Revisionswerberin.

4 Nach einem Zahlungsauftrag der Kostenbeamtin des Landesgerichtes Innsbruck vom und einer mit Schriftsatz vom dagegen erhobenen Vorstellung schrieb der Präsident des Landesgerichtes Innsbruck der Revisionswerberin mit Bescheid vom Eintragungsgebühr nach TP 9 lit. b Z 1 GGG samt Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG in näher angeführter Höhe vor.

5 Mit Schriftsatz vom erhob die Revisionswerberin dagegen Beschwerde mit der Begründung, entgegen der Ansicht der belangten Behörde seien die Voraussetzungen für die Befreiung nach Art. 34 § 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 gegeben.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7 Im Zeitpunkt des Antrages auf Einverleibung des Eigentumsrechtes an den in Rede stehenden Liegenschaften für die Revisionswerberin seien die in Rede stehenden Liegenschaften im grundbücherlichen Eigentum des F.T. gestanden. Das Eigentum der Stadt Innsbruck sei nämlich nach dem Kauf der Liegenschaften durch die Stadt Innsbruck nicht eingetragen gewesen. Für den vorliegenden Fall einer sogenannten Sprungeintragung, bei der nur das zweite zugrunde liegende Rechtsgeschäft die Voraussetzungen des Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 erfülle, ergebe sich wie bei der durch § 26a GGG begünstigten Konstellation nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26a GGG, dass die Eintragung nicht gebührenbefreit sei, weil eben nur das zweite der der Sprungeintragung zugrunde liegenden beiden Rechtsgeschäfte gebührenbefreit sei.

8 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob eine "Sprungeintragung" von der Eintragungsgebühr nach TP 9 lit. b Z 1 GGG befreit sei, wenn nur der letzte von mehreren Erwerbsvorgängen von der Befreiungsbestimmung des Art. 34 § 1 Abs. 1 Budgetbegleitgesetz 2001 erfasst sei.

9 Das Bundesverwaltungsgericht legte die gegen sein Erkenntnis erhobene Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens und eine den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Revision enthaltende Revisionsbeantwortung des Präsidenten des Landesgerichtes Innsbruck dem Verwaltungsgerichtshof vor.

10 Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht auf Befreiung von der Eintragungsgebühr auf Grund des Art. 34 § 1 Abs. 2 Budgetbegleitgesetz 2001 verletzt.

11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden.

13 Zur Zulässigkeit der Revision verweist die Revisionswerberin auf den Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes und führt ebenso an, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung noch nicht mit der Rechtsfrage befasst gewesen sei, ob bei der Befreiungsbestimmung des Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 die gesamte Erwerbskette begünstigt sein müsse.

14 Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 144/2001, lautete samt Überschrift:

"Artikel 34

Steuerliche Sonderregelungen für die Ausgliederung von

Aufgaben der Gebietskörperschaften

§ 1. (1) Die durch die Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben der Gebietskörperschaften an juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sowie an Personenvereinigungen (Personengemeinschaften), die unter beherrschendem Einfluss einer Gebietskörperschaft stehen, unmittelbar veranlassten (anfallenden) Schriften, Rechtsvorgänge und Rechtsgeschäfte sind von der Gesellschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, den Stempel- und Rechtsgebühren sowie von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreit. Derartige Vorgänge gelten nicht als steuerbare Umsätze. Ist die juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts im Rahmen der Aufgabenerfüllung als Unternehmer tätig, gelten für Zwecke der Umsatzsteuer die Rechtsverhältnisse für diese Tätigkeit als Unternehmer weiter."

15 Mit Art. VII des Abgabenänderungsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 84/2002, (im Folgenden: AbgÄG 2002), wurde Art. 34 des Budgetbegleitgesetzes 2001 geändert. In dessen Überschrift wurde das Wort "Gebietskörperschaften" durch die Wortfolge "Körperschaften öffentlichen Rechts" ersetzt und dessen § 1 Abs. 1 erster Satz lautet nunmehr:

"Die durch die Ausgliederung und Übertragung von Aufgaben der Körperschaften öffentlichen Rechts an juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sowie an Personenvereinigungen (Personengesellschaften), die unter beherrschendem Einfluss einer Körperschaft öffentlichen Rechts stehen, unmittelbar veranlassten (anfallenden) Schriften, Rechtsvorgänge und Rechtsgeschäfte sind von der Gesellschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, den Stempel- und Rechtsgebühren sowie von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren befreit."

16 Diese Änderung trat (mangels besonderer Inkrafttretensbestimmung) gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung, mit Ablauf des , in Kraft.

17 Der mit der Euro-Gerichtsgebühren-Novelle, BGBl. I Nr. 131/2001, am in Kraft getretene § 13 Abs. 1 des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) lautet samt Überschrift:

"Sachliche Gebührenfreiheit

§ 13. (1) Soweit Staatsverträge nicht entgegenstehen, sind in gesetzlichen Vorschriften ohne Beziehung auf bestimmte Personen aus sachlichen Gründen gewährte Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren unwirksam. Ausgenommen hievon sind die Befreiungen von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nach § 15 Abs. 3 Agrarverfahrensgesetz, dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, dem Neugründungs-Förderungsgesetz, dem 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz, dem Euro-Genossenschaftsbegleitgesetz und Art. 34 § 1 Budgetbegleitgesetz 2001."

18 Mit Art. I Z 12 des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl. I Nr. 24/2007, wurde dem Art. VI des Gerichtsgebührengesetzes u.a. folgende Z 28 angefügt:

"28. In gesetzlichen Vorschriften vorgesehene persönliche oder

sachliche Befreiungen von den Gerichts- und

Justizverwaltungsgebühren, die nach dem in Kraft

getreten sind, sind unwirksam, soweit dem Staatsverträge nicht

entgegenstehen. Ausgenommen hievon sind die Befreiungen von den

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren nach

a) ...

...

n) ..."

19 Die Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2007 (ErläutRV 43 BlgNR 23. GP, 15) führen dazu aus, die mit der Euro-Gerichtsgebühren-Novelle geschaffene materielle Derogation (u.a. die "Regenschirmderogation" in § 13 Abs. 1 GGG) habe nur solche Abgabenbefreiungsregelungen erfasst, die vor dem in Kraft getreten seien. Hingegen habe sich die Derogationswirkung nach der lex posterior-Regel nicht auf solche Gesetzesbestimmungen über Abgabenbefreiungen erstrecken können, die nach dem in Kraft getreten seien. In dem etwas mehr als fünfjährigen Zeitraum seit dem habe sich wieder eine stattliche Anzahl von allgemeinen Abgabenbefreiungen "angesammelt", die zum Teil nur implizit, zum Teil aber ausdrücklich auch die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren umfassten. Es bedürfe einer neuerlichen Derogationsanordnung für die im Zeitraum vom bis zum Ablauf des in Kraft getretenen Abgabenbefreiungen. Dabei seien wieder grundsätzliche Ausnahmen zu machen, die entweder auf Staatsverträgen basierten oder im zweiten Satz der Z 28 taxativ aufgezählt seien.

20 Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde Art. VI Z 28 GGG auf einen im Wesentlichen gleichbleibenden Wortlaut geändert. Damit sollte erreicht werden, dass die sich im etwas mehr als dreijährigen Zeitraum seit Jahresmitte 2007 (In-Kraft-Treten des Budgetbegleitgesetzes 2007) bis zum Budgetbegleitgesetz 2011 wieder "angesammelten" allgemeinen Abgabenbefreiungen durch die Neufassung der Derogationsanordnung in Art. VI Z 28 GGG, die seit dem Budgetbegleitgesetz 2007 in Kraft getreten und nicht von der taxativen Auflistung ausgenommen sind, erfasst werden und nach der lex posterior-Regel hinsichtlich Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren unwirksam werden (vgl. ErläutRV 981 BlgNR 24. GP, 64f).

21 Die von der Revisionswerberin angesprochene Befreiung von der Eintragungsgebühr ist in Art. 34 § 1 Abs. 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 in der Fassung des AbgÄG 2002 normiert. Bis zum AbgÄG 2002 bestand eine Gebührenbefreiung betreffend Gebietskörperschaften. Mit dem AbgÄG 2002 wurde eine Gebührenbefreiung für (alle) Körperschaften öffentlichen Rechts eingeführt. Diese Befreiung ist - wie erwähnt - mit Ablauf des in Kraft getreten. Damit ist diese sachliche Gebührenbefreiung jedoch von Art. VI Z 28 GGG erfasst, weil es sich um eine in gesetzlichen Vorschriften vorgesehene sachliche Befreiung von den Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren handelt, die nach dem in Kraft getreten ist. Die taxative Aufzählung von Ausnahmen hievon in Art. VI Z 28 GGG nennt den Art. 34 § 1 des Budgetbegleitgesetzes 2001 nicht. Art. VI Z 28 GGG ist auch nicht als jüngere generelle Norm anzusehen, welche gegenüber einer älteren speziellen Norm keine Derogationswirkung entfalten könnte (vgl. dazu etwa , , und ).

22 Somit blieb Art. 34 Abs. 1 erster Satz des Budgetbegleitgesetzes 2001 zufolge der Ausnahme in § 13 Abs. 1 letzter Satz GGG auf Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren zunächst anwendbar (vgl. auch , , und , betreffend jeweils eine vor dem In-Kraft-Treten des Art. VI Z 28 GGG entstandene Eintragungsgebühr).

23 Art. 34 § 1 erster Satz des Budgetbegleitgesetzes 2001 in der Fassung des AbgÄG 2002 mit der (neuen) Abgabenbefreiung betreffend Körperschaften öffentlichen Rechts ist jedoch seit dem Budgetbegleitgesetz 2007 von Art. VI Z 28 GGG erfasst und scheint in der taxativen Aufzählung der Ausnahmen hievon in Art. VI Z 28 lit. a bis lit. n GGG nicht auf.

24 Damit ist jedoch die von der Revisionswerberin begehrte Befreiung von den Gerichtsgebühren nach Art. 34 § 1 Abs. 1 erster Satz des Budgetbegleitgesetzes 2001 in der Fassung des AbgÄG 2002 im Revisionsfall unwirksam.

25 Da sich die zur Auslegung dieser Bestimmung aufgeworfene Rechtsfrage im Revisionsfall somit nicht stellt, ist sie nicht grundsätzlich iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.

26 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung durch einen gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen.

27 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017160018.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-49732

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