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VwGH 02.02.2017, Ro 2015/08/0025

VwGH 02.02.2017, Ro 2015/08/0025

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0084, klargestellt, was unter einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege im Sinn des § 18b ASVG zu verstehen ist. Demnach kommt es auf die anhand der Regelungen des Bundespflegegeldgesetzes und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung zu ermittelnde Anzahl der von der pflegenden Person für den nahen Angehörigen durchschnittlich zu leistenden Pflegestunden an, wobei eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. ab 60 Stunden monatlich anzunehmen ist.
Norm
RS 2
Durch die Einführung des § 18b ASVG sollte zwar in erster Linie eine Lücke in Bezug auf die Selbstversicherungsmöglichkeit für pflegende Personen geschlossen werden (vgl. ErläutRV 1111 BlgNR 22. GP 4). Dieser Normzweck steht aber - mangels Subsidiaritäts- oder Ausschlussregelungen - einer mehrfachen Versicherung durch Kumulierung einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG mit einer oder mehreren Pflichtversicherungen infolge Erwerbstätigkeit nicht entgegen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2014/08/0084 E RS 5

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt in Wien (als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht), vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W229 2105681-1/6E, betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG (mitbeteiligte Partei: H V in T; weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid der (nunmehrigen) Revisionswerberin vom , mit dem der Antrag der Mitbeteiligten auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG ab dem für Zeiten der Pflege eines nahen Angehörigen (ihres Vaters) mangels erheblicher Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege abgelehnt worden war, Folge und sprach in Abänderung der Entscheidung aus, dass der Anspruch auf Selbstversicherung anerkannt werde.

Das Verwaltungsgericht führte - auf Grundlage der getroffenen Feststellungen, wonach die Mitbeteiligte sieben Stunden täglich als selbständige Landwirtin arbeite und daneben ihren (zunächst Pflegegeld der Stufe 3 und ab Mai 2015 Pflegegeld der Stufe 4 beziehenden) Vater ungefähr fünf Stunden täglich in häuslicher Umgebung pflege - aus, dass ihre Arbeitskraft durch die Pflege erheblich beansprucht werde und daher die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG anzuerkennen sei. Die Selbstversicherung könne auch neben einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit - hier als selbständige Landwirtin - bestehen; die hohe Arbeitszeit in der Landwirtschaft schade nicht, da die Mitbeteiligte den diesbezüglichen Aufwand bereits um zwei Stunden täglich reduziert habe, auch habe sie als selbständige Landwirtin keine festen Arbeitszeiten und ein variables Arbeitsausmaß sowie den Arbeitsort regelmäßig in der Nähe des bäuerlichen Wohnhauses, sodass sie in ihren Dispositionen flexibler sei als ein unselbständig Erwerbstätiger. Der Mitbeteiligten sei daher jedenfalls möglich, die berufliche Tätigkeit mit der Pflege zu vereinbaren. Da eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege vorliege und auch die sonstigen Voraussetzungen erfüllt seien, sei der Anspruch auf Selbstversicherung in den Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG berechtigt.

2.2. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinn des § 18b ASVG vorliege.

3.1. Die Revisionswerberin führte in der ordentlichen Revision im Wesentlichen aus, die Bestimmung des § 18b ASVG sei eingefügt worden, um eine Absicherung pflegender Personen durch den Ausgleich pensionsversicherungsrechtlicher Nachteile zu gewährleisten, nicht jedoch um eine zusätzliche Absicherung bereits hinreichend abgesicherter pflegender Angehöriger zu bewirken. Vor diesem Hintergrund sei auch die gesetzliche Voraussetzung einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege zu sehen.

Vorliegend sei die Mitbeteiligte bereits auf Grund ihrer Tätigkeit als selbständige Landwirtin hinreichend abgesichert, ein auszugleichender pensionsversicherungsrechtlicher Nachteil durch die Pflege sei nicht gegeben. Nach den Feststellungen sei auf Grund der Pflege weder eine Verpachtung von landwirtschaftlichen Flächen erforderlich gewesen, wodurch der Einheitswert und damit eine künftige Pensionsleistung vermindert würden, noch sei eine Ersatzkraft zum Ausgleich eines Arbeitsausfalls in der Landwirtschaft einzustellen gewesen und dadurch ein Nachteil entstanden.

In der Gesamtschau sei daher die Ablehnung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG zu Recht erfolgt.

3.2. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

4. Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht zulässig.

5.1. Was die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts betrifft, so hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0084, auf dessen Inhalt verwiesen wird (§ 43 Abs. 2 VwGG), klargestellt, was unter einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Pflege im Sinn des § 18b ASVG zu verstehen ist. Demnach kommt es auf die anhand der Regelungen des Bundespflegegeldgesetzes und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung zu ermittelnde Anzahl der von der pflegenden Person für den nahen Angehörigen durchschnittlich zu leistenden Pflegestunden an, wobei eine erhebliche Beanspruchung der Arbeitskraft bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 14 Stunden wöchentlich bzw. ab 60 Stunden monatlich anzunehmen ist.

5.2. Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Feststellungen wurde bzw. wird der - zunächst Pflegegeld der Stufe 3 und zuletzt Pflegegeld der Stufe 4 beziehende - Angehörige ungefähr fünf Stunden täglich von der Mitbeteiligten gepflegt. Bei einer solchen täglichen Stundenanzahl ist das für das Vorliegen einer erheblichen Beanspruchung der Arbeitskraft vorauszusetzende zeitliche Ausmaß von durchschnittlich 14 Stunden wöchentlich bzw. 60 Stunden monatlich bei Weitem erfüllt. Da auch die sonstigen Voraussetzungen für die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG unstrittig gegeben sind, erweist sich der Anspruch der Mitbeteiligten als berechtigt.

6.1. Was das Revisionsvorbringen anbelangt, so hat der Verwaltungsgerichtshof ebenso bereits im (schon zitierten) Erkenntnis Ro 2014/08/0084 ausgesprochen, dass durch die Einführung des § 18b ASVG zwar in erster Linie eine Lücke in Bezug auf die Selbstversicherungsmöglichkeit für pflegende Personen geschlossen werden sollte. Dieser Normzweck steht jedoch - mangels Subsidiaritäts- oder Ausschlussregelungen - einer mehrfachen Versicherung durch Kumulierung einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG mit einer oder mehreren Pflichtversicherungen infolge Erwerbstätigkeit nicht entgegen (vgl. auch das weitere hg. Erkenntnis vom , Ro 2014/08/0082).

6.2. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin steht daher vorliegend der Umstand, dass die Mitbeteiligte neben der Pflege ihres Vaters einer Erwerbstätigkeit als selbständige Landwirtin im Umfang einer Vollbeschäftigung nachgeht, der erheblichen Beanspruchung ihrer Arbeitskraft durch die Pflege grundsätzlich nicht entgegen. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen bzw. begegnet fallbezogen keinen Bedenken, dass die Mitbeteiligte neben ihrer - wenngleich zeitaufwändigen - Erwerbstätigkeit als selbständige Landwirtin durchschnittlich weitere 14 Stunden (und mehr) wöchentlich für die Pflege aufwenden kann, insbesondere wenn sie - wie das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat - die Arbeitszeiten in der Landwirtschaft weitgehend flexibel gestalten kann.

7. Insgesamt sind daher die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bereits geklärt (siehe zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2014/03/0005) und wurden vom Verwaltungsgericht auch zutreffend gelöst.

8. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RO2015080025.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-49662