VwGH 27.03.2018, Ro 2015/06/0022
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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RS 1 | Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2001/20/0195, legte der VwGH dar, aus der Regelung des § 13 Abs. 2 AVG, nach der unter anderem Rechtsmittel schriftlich einzubringen seien und deren Zweck allein in der Entlastung der Behörde liege, ergebe sich, dass die Behörden nicht dazu verpflichtet seien, durch die Aufnahme einer Niederschrift an der schriftlichen Fixierung des Anbringens mitzuwirken, und dass über ein bloß mündliches Anbringen nicht zu entscheiden sei. Entstehe jedoch ein Schriftstück über das Anbringen selbst, so sei die Beteiligung der Behörde an ihrem Zustandekommen kein Grund für die Abstandnahme von seiner inhaltlichen Behandlung. Für die Wirksamkeit eines Rechtsmittels sei in den Fällen, in denen sein Inhalt in der Form einer von der Partei unterfertigten Urkunde vorliege, nicht darauf abzustellen, ob es sich um eine zu mündlichem Vorbringen hinzutretende "Schrift der Partei" oder nur um eine schriftliche Dokumentation ihres mündlichen Anbringens handelt. Aus dieser Judikatur ergibt sich nicht, dass telefonische Anbringen bei gebotener Schriftlichkeit wirksam sein könnten, wenn sie in einem - von der Partei nicht unterfertigten - Aktenvermerk festgehalten werden. Von der Rechtsprechung des VwGH betreffend die Unwirksamkeit solcher Anbringen wurde im oben genannten hg. Erkenntnis vom somit nicht abgegangen (vgl. in gleichem Sinn bereits , sowie , in welchem der VwGH ebenfalls von der Unwirksamkeit einer telefonisch erstatteten Mitteilung bei gebotener Schriftlichkeit ausging). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der M K in G, vertreten durch die Achammer & Mennel Rechtsanwälte OG in 6800 Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , LVwG- 328-002/R3-2015, betreffend Kanalanschluss (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Gaschurn, vertreten durch die Thurnher Wittwer Pfefferkorn Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Schulgasse 7, weitere Partei:
Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der Gemeinde Gaschurn Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe für die Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. etwa , mwN).
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde auf Grund einer von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde der Bescheid der Gemeindevertretung der Gemeinde G. vom , mit welchem der Berufung der Revisionswerberin gegen den die Kanalanschlussverpflichtung aussprechenden Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde G. vom keine Folge gegeben und der genannte Bescheid des Bürgermeisters bestätigt worden war, gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
5 In seinen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass auf der im Akt erliegenden Ausfertigung des Bescheides des Bürgermeisters ein Post-it mit dem mit einer Paraphe des (ehemaligen) Gemeindekassiers versehenen Vermerk "Frau (die Revisionswerberin) will noch NICHT anschließen! Landw. Haus. Gülle wird auf Wiesen ausgebracht! Tel. " angebracht sei. Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof die Erfüllung des für Berufungen geltenden Erfordernisses der Schriftlichkeit auch dann angenommen, wenn die Behörde ein mündliches Vorbringen in einer Niederschrift beurkundet habe. Im Revisionsfall sei über das Berufungsvorbringen der Revisionswerberin aber keine Niederschrift aufgenommen worden, weshalb ihr "mündliches" Anbringen nicht schon durch die Dokumentation in einem von der Revisionswerberin nicht unterfertigten Aktenvermerk durch ein Amtsorgan Wirksamkeit habe erlangen können. Da davon auszugehen gewesen sei, dass die Revisionswerberin keine wirksame Berufung eingelegt habe, sei der Anschlussbescheid vom rechtskräftig geworden, weshalb der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben gewesen sei.
6 Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Verwaltungsgericht dahingehend, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob eine mündlich erhobene Berufung, die (nur) durch einen, ausschließlich von einem Amtsorgan "unterschriebenen" Aktenvermerk dokumentiert worden sei, zulässig sei.
7 Die Revisionswerberin schließt sich in ihrer Revision der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes an und erstattet kein darüber hinausgehendes Zulässigkeitsvorbringen.
Mit diesen Ausführungen wird keine Rechtsfrage dargelegt, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
8 Schon zum AVG 1950 vertrat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die in § 63 Abs. 5 AVG angeordnete Schriftform einer Berufung die Ansicht, dass durch eine Niederschrift "keineswegs" die vorgeschriebene schriftliche oder telegraphische Form der Einbringung "ersetzt" werde. Es handle sich "um keine ‚Schrift' der Partei, auch wenn sie gemäß § 14 Abs. 3 AVG von der Partei durch ihre Unterschrift bestätigt sei; eine Niederschrift diene vielmehr ausschließlich dazu, mündliche Anbringen festzuhalten. Auch zum AVG 1991 wurde an diese Judikatur angeknüpft (vgl. zum Ganzen VwGH (verstärkter Senat) , 2001/20/0195, mwN).
9 Aus dieser vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Ansicht, wonach es sich bei einer Berufung um eine "Schrift" der Partei handeln müsse, ergibt sich, dass eine mündliche Berufung, auch wenn deren Inhalt in einer Niederschrift dokumentiert war, ebenso wie eine telefonisch erhobene Berufung unwirksam waren. An dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in der Folge festgehalten und diese auch zu § 13 Abs. 2 AVG in der auch im Revisionsfall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 bekräftigt.
10 Mit seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2001/20/0195, ist der Verwaltungsgerichtshof von dieser Rechtsprechung in Bezug auf mündliche Anbringen abgegangen. Darin legte der Verwaltungsgerichtshof dar, aus der Regelung des § 13 Abs. 2 AVG, nach der unter anderem Rechtsmittel schriftlich einzubringen seien und deren Zweck allein in der Entlastung der Behörde liege, ergebe sich, dass die Behörden nicht dazu verpflichtet seien, durch die Aufnahme einer Niederschrift an der schriftlichen Fixierung des Anbringens mitzuwirken, und dass über ein bloß mündliches Anbringen nicht zu entscheiden sei. Entstehe jedoch ein Schriftstück über das Anbringen selbst, so sei die Beteiligung der Behörde an ihrem Zustandekommen kein Grund für die Abstandnahme von seiner inhaltlichen Behandlung. Für die Wirksamkeit eines Rechtsmittels sei in den Fällen, in denen sein Inhalt in der Form einer von der Partei unterfertigten Urkunde vorliege, nicht darauf abzustellen, ob es sich um eine zu mündlichem Vorbringen hinzutretende "Schrift der Partei" oder nur um eine schriftliche Dokumentation ihres mündlichen Anbringens handelt.
11 Aus dieser Judikatur ergibt sich hingegen nicht, dass telefonische Anbringen bei gebotener Schriftlichkeit wirksam sein könnten, wenn sie, wie im Revisionsfall, in einem - von der Partei nicht unterfertigten - Aktenvermerk festgehalten werden. Von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Unwirksamkeit solcher Anbringen wurde im oben genannten hg. Erkenntnis vom somit nicht abgegangen (vgl. in gleichem Sinn bereits , sowie , in welchem der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls von der Unwirksamkeit einer telefonisch erstatteten Mitteilung bei gebotener Schriftlichkeit ausging; vgl. auch Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 13 Rz 17/2).
12 Das Verwaltungsgericht ist somit im Einklang mit der dargestellten hg. Judikatur zu Recht von der Unwirksamkeit des telefonischen Anbringens der Revisionswerberin, welches in dem von einem Amtsorgan verfassten Aktenvermerk vom festgehalten wurde, ausgegangen.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 13 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014. Das Mehrbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil der Ersatz eines Vorlageaufwandes an die Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG in den genannten Bestimmungen keine Deckung findet (vgl. etwa auch , mwN).
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2018:RO2015060022.J00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-49656