Suchen Hilfe
VwGH 20.12.2016, Ro 2014/15/0032

VwGH 20.12.2016, Ro 2014/15/0032

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
RS 1
Der Verpflichtete selbst wird durch die Bewilligung der Zwangsverwaltung und durch die Einführung des Zwangsverwalters (§§ 97 ff EO) nicht handlungsunfähig oder prozeßunfähig (siehe OGH, EvBl 1936 Nr 403 und das E , VwSlg 7062 A/1967). Daraus folgt, daß Rechtsgeschäfte und Klagen (Beschwerden), die auf eine Substanzveränderung abzielen, nicht zum Aufgabenbereich des Zwangsverwalters gehören, sondern ungeachtet der Zwangsverwaltung weiterhin dem Verpflichteten vorbehalten bleiben.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 1363/70 B RS 3 (hier nur erster Satz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des Dr. G I in G, vertreten durch Mag. Gerald Michael Griebler, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0303-G/11, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2002, 2003, 2007, 2008 und 2009, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1 Der Revisionswerber als Alleineigentümer und seine Ehefrau als Fruchtgenussberechtigte eines Gebäudes in G schlossen - nach einem Streit über die Errichtung einer Tiefgarage - am  mit der B AG, die Mieterin von in diesem Gebäude befindlichen Geschäftsräumlichkeiten war, und der L OHG den nachstehend auszugsweise wiedergegebenen außergerichtlichen Vergleich:

"6. Zur Abgeltung der meiner Mandantschaft (Anm: B AG) bereits entstandenen und bis entstehenden Schäden bezahlt (der Revisionswerber) an meine Mandantschaft zu meinen Handen einen Pauschalbetrag von EUR 360.000,-- (Euro dreihundertsechzigtausend) netto und verzichten (der Revisionswerber) und (seine Ehefrau) für den Zeitraum bis einschließlich auf den Hauptmietzins für das gesamte Mietobjekt meiner Mandantschaft, für welches von meiner Mandantschaft in diesem Zeitraum lediglich anteilige Betriebskosten und laufende öffentliche Abgaben sowie ihr Anteil an besonderen Aufwendungen, jeweils samt darauf entfallender Umsatzsteuer, zu entrichten sind. (Der Revisionswerber) und (seine Ehefrau) verpflichten sich, diese Vereinbarung der Mietfreistellung auf jeden Rechtsnachfolger im Eigentum oder in der Nutzung der Liegenschaft zu überbinden. (Der Revisionswerber) und (seine Ehefrau) verpflichten sich ferner, über erste Aufforderung meiner Mandantschaft alle Unterschriften in beglaubigter Form zu leisten, damit das Bestandrecht meiner Mandantschaft bis gemäß Bestandvertrag vom , Bestandvertrag vom , ‚Mietvertragsergänzung' vom und den Abänderungen in diesem Vergleichsvorschlag in das Grundbuch eingetragen wird und die Mietzinsvorauszahlung bis grundbücherlich angemerkt wird. (...)

8. In den anhängigen Gerichtsverfahren (Zivilprozessen und Außerstreitverfahren gemäß Mietrechtsgesetz) wird ‚ewiges Ruhen' (Ruhen mit allseitigem Verzicht auf Fortsetzung des Verfahrens) vereinbart. Nach dem rechtswirksamen Zustandekommen dieses Vergleiches bleiben Tagsatzungen beiderseits unbesucht. Von bereits ergangenen und allenfalls noch ergehenden Exekutionstiteln wird von keiner Seite Gebrauch gemacht, soweit dies mit dem Inhalt dieses Vergleiches in Widerspruch stünde. (...)

10. Hinsichtlich der wechselseitigen Exekutionsverfahren wird vereinbart, dass beide Seiten binnen einer Woche ab Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches die Einstellung beantragen, erlegte Sicherheiten wie insbesondere die von meiner Mandantschaft zugunsten des BG Mödling beigebrachte Bankgarantie ausdrücklich freigeben und, soweit von der jeweils verpflichteten Partei Beugestrafen entrichtet wurden, die Rückzahlung dieser Beugestrafen an die jeweils verpflichtete Partei beantragen. (...)

11. Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit der Errichtung der Tiefgarage auf den eingangs genannten Hofflächen bereinigt und verglichen, welche Generalklausel jedoch der Geltendmachung von Ansprüchen aus diesem Vergleich nicht entgegen steht."

2 Das Finanzamt ging bei der Umsatzsteuerveranlagung 2002, 2003, 2007, 2008 und 2009 davon aus, dass unter den in § 4 Abs. 1 UStG 1994 weit gefassten Entgeltsbegriff auch der "Verzicht" auf Forderungen gegenüber einem Unternehmer (Aufrechnung mit einem Schadenersatzanspruch) subsumierbar sei, und unterzog den mit der B AG vereinbarten Hauptmietzins, auf den der Revisionswerber mit Vergleich vom verzichtet hat, der Umsatzsteuer.

3 Der Revisionswerber berief gegen die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 2002, 2003, 2007, 2008 und 2009 und führte in der Berufung sowie in Ergänzungen zur Berufung u.a. aus, er habe über die gegenständlichen Mieten nicht rechtswirksam verfügen können, weil das Gebäude in G bei Abschluss des außergerichtlichen Vergleiches unter Zwangsverwaltung gestanden sei. Die Zwangsverwaltung des Gebäudes sei am bewilligt und am eingestellt worden. Die Verfügung über die Hauptmietzinse zugunsten der B AG sei am und damit während der aufrechten Zwangsverwaltung erfolgt. Sie wäre nur mit Zustimmung des Zwangsverwalters rechtswirksam gewesen.

4 Das Finanzamt legte die Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor, der ihr mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gab und zur Begründung u.a. ausführte, der Revisionswerber sei bezüglich der Mieteinnahmen der in Rede stehenden Liegenschaft ab Mai 2002 wieder verfügungsberechtigt gewesen, weshalb sich der ab über einen Zeitraum von zehn Jahren wirksame Verzicht auf den Hauptmietzins jedenfalls als rechtswirksam erweise. Die fehlende Zustimmung des Zwangsverwalters führe - entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Auffassung - nicht zur absoluten Nichtigkeit der Verzichtserklärung.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Revision.

5 Gemäß § 28 Abs. 5 Bundesfinanzgerichtsgesetz ist auf die vorliegende Revision § 4 des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetzes (VwGbk-ÜG) sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 4 Abs. 5 zweiter Satz VwGbk-ÜG ist die Revision unzulässig, wenn die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen. Zulässig ist sie demnach nur, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes (im vorliegenden Fall noch: der angefochtene Bescheid) von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG gelten für die Behandlung der Revision die Bestimmungen des VwGG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung sinngemäß mit der Maßgabe, dass statt der Ablehnung der Beschwerde gemäß § 33a VwGG die Revision als unzulässig zurückgewiesen werden kann.

6 Zur Zulässigkeit der gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates erhobenen, vom Bundesfinanzgericht als Rechtsnachfolger der belangten Behörde mit Gegenschrift beantworteten Revision wird ausgeführt, dass "keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beantwortung der Frage vorliegt, inwieweit eine zivilrechtlich begründete Handlungsunfähigkeit zufolge Zwangsverwaltung Auswirkungen auf die Anwendung der Bestimmung des § 79 BAO iVm § 21 BAO hat. In der gegenständlich bekämpften Entscheidung der belangten Behörde geht diese davon aus, dass ungeachtet einer vorliegenden Handlungsunfähigkeit die Bestimmungen der §§ 21 und 23 BAO derjenigen des § 79 BAO vorgeht und widerspricht diese Ansicht, wie in der Eingabe vom umfassend dargelegt und auf deren Inhalt ausdrücklich verwiesen wird, der aktuellen Rechtslage".

7 Dem Vorbringen zur Zulässigkeit ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den Rechtstandpunkt vertrat, dass der gegenständliche Vergleich vom trotz Zwangsverwaltung rechtswirksam war. Das stößt auf keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken, weil Verpflichtete weder durch die Bewilligung der Zwangsverwaltung noch durch die Einführung des Zwangsverwalters geschäfts- oder prozessunfähig werden. Abgesehen davon hat der OGH in einem den Vergleich des Revisionswerbers vom betreffenden Beschluss ausgesprochen, dass Verfügungen über den Gegenstand der Zwangsverwaltung nur relativ und zudem nur der betreibenden Partei gegenüber unwirksam sind, soweit sich die Verfügungen zu deren Nachteil auswirken (vgl. ). Im angeführten Beschluss wies der OGH zudem darauf hin, dass "die betreibende Partei des damaligen Zwangsverwaltungsverfahrens" die B AG war.

8 In der Revisionsergänzung werden somit keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt.

9 Die Revision war daher gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG zurückzuweisen, wobei die Parteien aufgrund der genannten Bestimmung in Verbindung mit § 58 Abs. 1 VwGG (idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013) den Verfahrensaufwand vor dem Verwaltungsgerichtshof selbst zu tragen haben (vgl. ).

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
Schlagworte
Zwangsverwaltung
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:RO2014150032.J00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-49640

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden