VwGH 05.09.2018, Ra 2018/11/0037
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Hat der Revisionswerber auf die Verkündung des Erkenntnisses verzichtet, so kann er durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung vor Schluss der Verhandlung in seinen Rechten nicht verletzt sein (vgl. , , ). |
Normen | FSG 1997 §26 Abs3 Z1; FSG 1997 §39 Abs5; |
RS 2 | Der Revisionswerber kann dadurch, dass das VwG (wie schon die belangte Behörde) unter Einrechnung jenes Zeitraums, in dem der Revisionswerber wegen vorläufiger Abnahme seines Führerscheins nicht lenken durfte (vgl. § 39 Abs. 5 FSG 1997), an Stelle der in § 26 Abs. 3 Z 1 FSG 1997 normierten Entziehungsdauer von zwei Wochen eine solche von (nur) acht Tagen festgesetzt hat (vgl. , ), nicht in Rechten verletzt sein. |
Normen | FSG 1997 §24 Abs2; FSG 1997 §26 Abs3 Z1; FSG 1997 §7 Abs1; FSG 1997 §7 Abs3 Z4; |
RS 3 | Gemäß § 24 Abs. 2 erster Satz FSG 1997 kann die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammenhängt. Im Revisionsfall war Grund der Entziehung die jedenfalls eine bestimmte Tatsache iSd. § 7 Abs. 1 FSG 1997 bildende Übertretung nach § 7 Abs. 3 Z 4 FSG 1997; die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers erfolgte also wegen des Wegfalls seiner Verkehrszuverlässigkeit. In einem solchen Fall ist aber kein Raum für die Anwendung des § 24 Abs. 2 FSG 1997 (vgl. , mwN). |
Normen | FSG 1997 §24; FSG 1997 §25 Abs1; |
RS 4 | Die nach § 25 Abs. 1 erster Satz FSG 1997 erforderliche Festsetzung der Entziehungsdauer erfordert deren Konkretisierung, also die klare Festlegung von Beginn und Ende. Unzulässig wäre zudem eine Entziehung für die Vergangenheit (vgl. nur etwa ), etwa durch die Festlegung des Beginns der Entziehungszeit mit der Zustellung des behördlichen Bescheids, ohne dass diesem - sei es wegen der Erlassung als Mandatsbescheid, sei es wegen der Aberkennung aufschiebender Wirkung durch die Behörde - vollstreckbare Wirkung zukäme. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des G R in N, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-4/1652/1/7-2017, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber war mit einem in Rechtskraft erwachsenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom (u.a.) angelastet worden, am als Lenker eines Motorrads an einer näher bezeichneten Stelle einer Freilandstraße die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 64 km/h überschritten zu haben (was mit einem technischen Hilfsmittel festgestellt worden war). Wegen dieser Geschwindigkeitsüberschreitung war dem Revisionswerber der Führerschein an Ort und Stelle am abgenommen und ihm am wieder ausgefolgt worden.
2 Basierend auf dieser Geschwindigkeitsübertretung erging seitens der belangten Behörde gegenüber dem Revisionswerber mit Bescheid vom folgender Spruch:
"Die (belangte Behörde) entzieht Ihnen die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge im gesamten Berechtigungsumfang auf die Dauer von 8 Tagen, gerechnet ab der Abgabe des Führerscheines.
Sie sind verpflichtet, den Führerschein nach Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides unverzüglich bei der (belangten Behörde) oder bei der Polizeiinspektion N abzugeben.
Rechtsgrundlagen
§ 24 Führerscheingesetz (FSG)
§§ 7, 26 und 29 FSG;
§ 13 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)" 3 In der Begründung dieses Bescheids wird auf die
rechtskräftige Bestrafung des Revisionswerbers verwiesen und dargelegt, dass die Entziehungsdauer zwei Wochen zu betragen habe. Wegen der vorläufigen Abnahme des Führerscheins sei die Entziehungsdauer um diesen Zeitraum zu reduzieren und somit mit acht Tagen festzusetzen gewesen. In der Rechtsmittelbelehrung wird (u.a.) ausgeführt, dass gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben werden könne.
4 Mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis wurde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen; die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
5 In der Begründung legte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen dar, an das in Rechtskraft erwachsene Straferkenntnis, insbesondere an die festgestellte Tat und das Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung, gebunden zu sein. Daraus resultiere gemäß § 26 Abs. 3 Z 1 FSG zwingend eine Entziehung der Lenkberechtigung für zwei Wochen, wobei von diesem Zeitraum die Zeit zwischen vorläufiger Abnahme und Wiederausfolgung des Führerscheins abgezogen worden sei. In den Fällen des § 26 FSG sei jedenfalls eine Entziehung für den vorgesehenen fixen oder Mindestzeitraum auszusprechen. Eine vom Revisionswerber angesprochene Ausnahme für die Führerscheinklasse AM, weil mit Motorfahrrädern eine (Basis der Entziehung bildende) "exzessive Geschwindigkeitsüberschreitung" nicht möglich sei, komme daher nicht in Betracht. Die vom Revisionswerber unter Hinweis auf die behördliche Festlegung des Entziehungszeitraums mit "ab der Abgabe des Führerscheins" monierte fehlende Konkretisierung des Entziehungszeitraums könne nicht gesehen werden: Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins nach Rechtskraft des Entziehungsbescheids ergebe sich unmittelbar aus § 29 Abs. 3 FSG. Auf diese Verpflichtung sei der Revisionswerber im Spruch des Bescheids auch ausdrücklich hingewiesen worden. Die "Abgabe des Führerscheins" sei somit durch die Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses, wodurch die Vollstreckbarkeit eintrete, in Zusammenhalt mit der gesetzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Abgabe des Führerscheins konkret bestimmt.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vom Verwaltungsgericht zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die danach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die gegenständliche Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hätte.
11 Der Argumentation, es sei durch Unterlassung einer mündlichen Verkündung des Erkenntnisses von (näher dargelegter) höchstgerichtlicher Judikatur abgewichen worden, ist durch die diesbezügliche, vom Verwaltungsgericht bei Vorlage der Revision erstattete Stellungnahme, zu der dem Revisionswerber mit Verfügung vom Parteiengehör eingeräumt wurde und der er inhaltlich nicht widersprochen hat, der Boden entzogen: Der Rechtsvertreter des Revisionswerbers habe nämlich in der amtswegig anberaumten Beschwerdeverhandlung vom um eine "rasche Entscheidung" ersucht und angekündigt, dass er im Fall mündlicher Verkündung jedenfalls eine Ausfertigung des Erkenntnisses beantragen würde. Daraufhin sei unter Hinweis auf § 29 Abs. 2a VwGVG besprochen worden, dass der Revisionswerber die Erledigung mit einer schriftlichen Erlassung des Erkenntnisses rascher erhalten würde. Gegen diese Vorgangsweise habe der Rechtsvertreter keinen Einwand erhoben und um Übermittlung einer Ausfertigung der Verhandlungsschrift mit der schriftlichen Erledigung ersucht. Das Verwaltungsgericht habe dies als Verzicht auf eine Verkündung gewertet und das Erkenntnis schriftlich erlassen, wobei die schriftliche Erledigung am Folgetag versandt und am zugestellt worden sei.
12 Dass das Verwaltungsgericht unter diesen Umständen von einem Verzicht auf die mündliche Verkündung ausgehen konnte, ist nicht als Fehlbeurteilung zu erkennen. Hat der Revisionswerber aber auf die Verkündung des Erkenntnisses verzichtet, so kann er durch die Unterlassung der mündlichen Verkündung vor Schluss der Verhandlung in seinen Rechten nicht verletzt sein (vgl. , , ).
13 Ebensowenig kann der Revisionswerber dadurch in Rechten verletzt sein, dass das Verwaltungsgericht (wie schon die belangte Behörde) unter Einrechnung jenes Zeitraums, in dem der Revisionswerber wegen vorläufiger Abnahme seines Führerscheins nicht lenken durfte (vgl. § 39 Abs. 5 FSG), an Stelle der in § 26 Abs. 3 Z 1 FSG normierten Entziehungsdauer von zwei Wochen eine solche von (nur) acht Tagen festgesetzt hat (vgl. , ).
14 Die Zulässigkeitsbegründung macht weiter geltend, es gebe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu der - vom Verwaltungsgericht verneinten - Frage, ob im Rahmen der Sonderfälle der Entziehung nach § 26 FSG iSd. § 24 Abs. 2 FSG vom Entzug der Lenkberechtigung für die Klasse AM abgesehen werden könne. Auch damit wird keine im vorliegenden Revisionsverfahren zu lösende grundsätzliche Rechtsfrage dargelegt:
15 Gemäß § 24 Abs. 2 erster Satz FSG kann die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammenhängt. Im Revisionsfall war Grund der Entziehung die jedenfalls eine bestimmte Tatsache iSd. § 7 Abs. 1 FSG bildende Übertretung nach § 7 Abs. 3 Z 4 FSG; die Entziehung der Lenkberechtigung des Revisionswerbers erfolgte also wegen des Wegfalls seiner Verkehrszuverlässigkeit. In einem solchen Fall ist aber kein Raum für die Anwendung des § 24 Abs. 2 FSG (vgl. , mwN).
16 Die Revision macht schließlich mangelnde Konkretisierung des vom Verwaltungsgericht festgelegten Entziehungszeitraums geltend. Die Festlegung des Beginns des Entziehungszeitraums mit "ab Abgabe des Führerscheins" bedeute eine Durchbrechung der Vollstreckbarkeit. Zu einem gleich gelagerten Fall gebe es noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs bzw. weiche das angefochtene Erkenntnis insoweit von näher genannter Judikatur ab.
17 Auch mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.
18 Die nach § 25 Abs. 1 erster Satz FSG erforderliche Festsetzung der Entziehungsdauer erfordert deren Konkretisierung, also die klare Festlegung von Beginn und Ende. Unzulässig wäre zudem eine Entziehung für die Vergangenheit (vgl. nur etwa ), etwa durch die Festlegung des Beginns der Entziehungszeit mit der Zustellung des behördlichen Bescheids, ohne dass diesem - sei es wegen der Erlassung als Mandatsbescheid, sei es wegen der Aberkennung aufschiebender Wirkung durch die Behörde - vollstreckbare Wirkung zukäme.
19 Der Revision ist einzuräumen, dass der diesbezüglichen, oben unter Rn. 2 wiedergegebenen, durch das Verwaltungsgericht übernommenen behördlichen Festlegung die wünschenswerte Klarheit fehlt. Im Zusammenhalt mit der entsprechenden, zur Auslegung heranzuziehenden Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich bei verständiger Würdigung allerdings noch ausreichend deutlich, dass als Beginn des Entziehungszeitraums die Rechtskraft des Entziehungsbescheids festgelegt wurde, zumal die einleitende Wendung "ab der Abgabe des Führerscheins" im Spruch des Bescheids unmittelbar im nächsten Satz verknüpft wird mit dem "Eintritt der Rechtskraft", zu welchem Zeitpunkt die Führerscheinabgabe zu erfolgen habe, und nichts darauf hin deutet, dass die Abgabe des Führerscheins für sich genommen, unabhängig von und gegebenenfalls vor der Rechtskraft, als Beginn des Entziehungszeitraums festgelegt werden sollte. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Festlegung des Entziehungszeitraums ist daher - noch - ausreichend konkretisiert; sie verstößt auch nicht gegen das Verbot einer Entziehung für die Vergangenheit.
20 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | FSG 1997 §24 Abs2; FSG 1997 §24; FSG 1997 §25 Abs1; FSG 1997 §26 Abs3 Z1; FSG 1997 §39 Abs5; FSG 1997 §7 Abs1; FSG 1997 §7 Abs3 Z4; VwGVG 2014 §29 Abs2a; VwGVG 2014 §29; VwRallg; |
Schlagworte | Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018110037.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-49549