VwGH 25.04.2018, Ra 2018/09/0027
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Das VwG hat jedoch stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim VwG angefochten wurde (vgl. ; ; , Ra 2016/02/0055). |
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RS 2 | Zwar kann die Teilnahme eines befangenen Amtssachverständigen einen wesentlichen Verfahrensmangel und die Rechtswidrigkeit der Entscheidung des VwG bedeuten. Für die Beurteilung, ob solche Bedenken im Grunde der § 53 iVm § 7 AVG und § 17 VwGVG 2014 (wonach sich Amtssachverständige im Fall jeder Befangenheit der Ausübung ihres Amtes enthalten müssen), zu Recht bestehen, kommt es vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 MRK darauf an, ob diese objektiv gerechtfertigt sind, wobei dafür vom EGMR drei Faktoren für maßgeblich erachtet wurden: 1. die Natur der dem Sachverständigen übertragenen Aufgabe, 2. die Stellung des Sachverständigen in der Hierarchie der Partei des Verfahrens, und 3. seine Rolle im Verfahren, insbesondere im Hinblick auf das seinem Gutachten beigemessene Gewicht (vgl. EGMR Urteile , Sara Lind Eggertsdottir gegen Island, Nr. 31930/04; und , Korošek gegen Slowenien, Nr. 77212/12). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/09/0046 B RS 1 |
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RS 3 | Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/12/0082 E RS 2 |
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RS 4 | Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des VwGH in Bezug auf die Beweiswürdigung (vgl. B , Ra 2014/03/0012) liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das VwG die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. B , Ra 2015/02/0162). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/02/0020 B RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des Dr. X Y in Z, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W183 2152785-1/14E, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde stellte mit Bescheid vom fest, dass die Erhaltung des Stadtpalais A in B gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im öffentlichen Interesse gelegen sei.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Liegenschaftseigentümers und nunmehrigen Revisionswerbers ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich in seiner Entscheidung auf das Gutachten der bereits im Administrativverfahren beigezogenen und der belangten Behörde beigegebenen Amtssachverständigen und dessen Ergänzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie eine Stellungnahme einer Kommission des Denkmalbeirates, während es das vom Revisionswerber beigebrachte Privatgutachten als nicht überzeugend beurteilte. Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Hinblick auf ausreichend vorhandene nicht uneinheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.
4 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision vielmehr im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
6 Der Revisionswerber erachtet seine Revision in diesem Zusammenhang deshalb als zulässig, weil das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts der eindeutigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Befangenheit von schon in der Administrativinstanz beigezogenen Amtssachverständigen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zuwiderlaufe (Hinweis auf ). Danach reiche für eine Befangenheit der Anschein einer Voreingenommenheit. Das Wesen der Befangenheit bestehe in der Hemmung einer unparteiischen Entschließung durch unsachliche psychologische Motive. Ein Verwaltungsgericht könne diese Problematik nur verhindern, indem es nicht dieselbe Amtssachverständige zur Erstattung eines Gutachtens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestelle, die bereits im Verfahren vor dem Bundesdenkmalamt tätig gewesen sei. Das Bundesverwaltungsgericht begründe seine Entscheidung mit älterer Rechtsprechung und übersehe dabei die wesentlichen Passagen des zitierten, jüngst ergangenen Judikats. Die zu entscheidende Rechtsfrage habe aber auch deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht bloß den Einzelfall betreffe, sondern in ihrer Abstraktheit eine hohe Wiederkehrwahrscheinlichkeit habe.
7 In der Revision wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt. Hinsichtlich der Frage, ob es zulässig ist, dass ein Bediensteter der belangten Behörde, der bereits im Verfahren vor der Behörde als Sachverständiger tätig geworden ist, auch vom Verwaltungsgericht in derselben Sache als Sachverständiger beigezogen wird, hat sich der Verwaltungsgerichtshof dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , E 707/2014, angeschlossen (, mwN; vgl. auch ). Demnach bestehen gegen die Heranziehung von Amtssachverständigen keine grundsätzlichen Bedenken. Das Verwaltungsgericht hat jedoch stets nach den Umständen des Einzelfalls mit der gebotenen Sorgfalt zu untersuchen und zu beurteilen, ob ein Amtssachverständiger unbefangen, unter anderem also tatsächlich unabhängig von der Verwaltungsbehörde ist, deren Bescheid beim Verwaltungsgericht angefochten wurde. Bei der Beurteilung, ob Bedenken gegen die Unbefangenheit des Amtssachverständigen zu Recht bestehen, kommt es vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK darauf an, ob diese Bedenken objektiv gerechtfertigt sind, wobei dafür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte drei Faktoren für maßgeblich erachtet wurden: 1. die Natur der dem Sachverständigen übertragenen Aufgabe, 2. die Stellung des Sachverständigen in der Hierarchie der Partei des Verfahrens, und
3. seine Rolle im Verfahren, insbesondere im Hinblick auf das seinem Gutachten beigemessene Gewicht (siehe dazu ausführlich , mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des EGMR; vgl. ebenfalls ).
8 Anders als der Revisionswerber meint, kann auch aus dem Erkenntnis Ro 2016/09/0009 nicht abgeleitet werden, dass eine Amtssachverständige, die bereits im Verfahren vor der Behörde als Sachverständige beigezogen war, vom Verwaltungsgericht in keinem Fall mehr beigezogen werden dürfte. Ebensowenig verkannte das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Erkenntnis die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
9 Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigte die Stellung der Amtssachverständigen in der belangten Behörde, wo diese als "einfache" Mitarbeiterin an der rechtlichen Entscheidung der Unterschutzstellung nicht mitwirkte. Dem tritt auch die Revision nicht konkret entgegen. Es maß dem Gutachten der Amtssachverständigen im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) auch keinen höheren Beweiswert bei (siehe ), sondern setzte sich in seiner Beweiswürdigung ausführlich mit dem Gutachten der Amtssachverständigen und dem Inhalt des vom Revisionswerber beigebrachten Gegengutachtens auseinander.
10 Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde, stellt hingegen keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist (). Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der in einem Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung auch nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (siehe etwa , mwN).
11 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Einzelnen mit dem Vorwurf der Befangenheit der Amtssachverständigen und dem inneren Beweiswert der beiden Gutachten auseinandergesetzt und ist zu einem nicht unschlüssigen Ergebnis gekommen. Der Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalls kommt hier somit keine grundsätzliche Bedeutung zu. Dass die zu lösende Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen auftreten könnte, bewirkt für sich allein noch nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (, mwN).
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090027.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-49532