Suchen Hilfe
VwGH 23.05.2018, Ra 2018/05/0162

VwGH 23.05.2018, Ra 2018/05/0162

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
RS 1
Die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit einer alten Baulichkeit kommt nur dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich scheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes ist nur dann zu vermuten, wenn der Zeitpunkt der Herstellung desselben so weit zurückliegt, dass, von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen, auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht (Hinweis E vom , 2009/05/0252 und 0276, mwN). Ein Anfang der 1960er Jahre errichtetes Gebäude ist nicht als alter Bestand im Sinn dieser Rechtsprechung anzusehen (vgl. dazu das oben zitierte E vom sowie die Erkenntnisse vom , 86/05/0062, und vom , 87/05/0199, betreffend Baulichkeiten, die um 1940 errichtet wurden).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/05/0058 E RS 1
Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
RS 2
Ein vermuteter Konsens kann auch nicht allein deshalb angenommen werden, weil ein Einschreiten der Behörden wegen Konsenslosigkeit bisher nicht erfolgte (vgl ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2013/17/0041 E RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der P Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wollzeile 17/16, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , Zl. VGW-211/005/8521/2017/VOR-1, betreffend einen Entfernungsauftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa , 0004, mwN).

5 Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien (im Folgenden: Magistrat) vom wurde gemäß § 129 Abs. 10 und 11 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) der Revisionswerberin als Eigentümerin der Baulichkeit auf einer näher beschriebenen Liegenschaft in Wien aufgetragen, die folgenden Objekte zu entfernen, und zwar (Punkt 1.) das ohne Baubewilligung angebrachte Werbeschild im Ausmaß von ca. 6,00 m x 3,50 m an der Schauseite gerichtet zur W.-Straße, (Punkt 2.) das "über Punkt 1." ohne Baubewilligung angebrachte Werbeschild im Ausmaß von ca. 5,20 m x 7,00 m an der Schauseite gerichtet zur W.-Straße und (Punkt 3.) die "über Punkt 2." ohne Baubewilligung angebrachten Halogen-Strahler (zwei Stück).

6 Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom erklärte die Revisionswerberin, den angefochtenen Bescheid im Umfang dessen Punktes 3. (Halogen-Strahler) nicht zu bekämpfen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der genannte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. bestätigt.

8 In ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) bringt die Revision nach Hinweis auf das Erkenntnis , im Wesentlichen vor, dass die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit nicht nur dann Platz greifen solle, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliege, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich scheine, sondern insbesondere auch dann, wenn "bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist". Auch wenn im gegenständlichen Fall die schriftlichen Baubewilligungen im Bauakt nicht auffindbar seien, lägen Indizien vor, die im Sinne der hg. Judikatur für eine aufrechte Baubewilligung (gemeint: betreffend die auftragsgegenständlichen Werbeschilder) sprächen. So befinde sich die obere Werbetafel in ihrer derzeitigen Ausgestaltung und Größe seit etwa 20 Jahren an eben dieser Stelle der Hausfassade. Aufgrund der Situierung der Werbetafel in etwa 5 m Höhe unmittelbar neben der stark befahrenen T-Straße sowie aufgrund ihrer Größe und auffallenden Motive sei diese Tafel für jedermann seit 20 Jahren bestens ersichtlich. Dennoch sei sie etwa 20 Jahre lang unbeanstandet geblieben. Die Werbeschilder seien dem Magistrat mehrfach "aktiv" zur Kenntnis gebracht worden, und die verfahrensgegenständliche Fassade samt Werbeflächen habe die Grundlage diverser weiterer Ansuchen um Bewilligung von Werbemaßnahmen gebildet. Die verfahrensgegenständlichen Werbeflächen seien in diesen an den Magistrat gerichteten Ansuchen auch ganz eindeutig abgebildet gewesen. Es seien sogar Änderungen an den Werbeflächen in Abstimmung mit den zuständigen Behörden vorgenommen, auf Wunsch der MA (Magistratsabteilung) 19 im Jahr 1999 eine Verkleinerung der Werbeflächen und für diese Verkleinerung sogar eine Ortsaugenscheinsverhandlung durchgeführt worden. Aufgrund einer Vorschreibung der MA 4 vom habe die Revisionswerberin sogar rückwirkend bis Juli 1997 monatliche Abgaben für das obere der gegenständlichen Werbeschilder gezahlt. Dem Magistrat sei zum unteren Werbeschild bereits mit Baubeginnsanzeige vom ausdrücklich die "Tafelanbringung" angezeigt worden, aber erst mit der angefochtenen Entscheidung nach mehr als 22 Jahren sei erstmals beanstandet worden, dass lediglich eine Fassadenbeschriftung, nicht jedoch die Anbringung einer Werbetafel bewilligt worden sei.

9 Nach der hg. Rechtsprechung (Hinweis auf , und ) sei immer dann ein Baukonsens zu vermuten, wenn ein Bauwerk unbeanstandet bestanden habe und keine Anhaltspunkte für eine gegenteilige Annahme vorlägen. Für den gegenständlichen Fall sei daher jedenfalls der Baukonsens zu vermuten. Demgegenüber vertrete der VwGH allerdings auch die Rechtsansicht, dass der "Umstand mangelnder baubehördlicher Beanstandungen allein nicht die Annahme der Konsensmäßigkeit zu rechtfertigen vermöge" (Hinweis auf ). In Anbetracht dieser genannten Entscheidungen liege keine einheitliche Rechtsprechung des VwGH vor.

10 Darüber hinaus fehle - soweit überblickbar - hg. Judikatur zur Frage, welche konkreten Umstände die Vermutung eines Baukonsenses jedenfalls rechtfertigten.

11 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa , mwN) kommt die Rechtsvermutung der Konsensmäßigkeit einer alten Baulichkeit nur dann in Betracht, wenn der Zeitpunkt der Erbauung des Altbestandes so weit zurückliegt, dass die Erteilung der Baubewilligung fraglich scheint, oder bestimmte Indizien dafür sprechen, dass trotz des Fehlens behördlicher Unterlagen von der Erteilung einer Baubewilligung auszugehen ist. Die Rechtmäßigkeit des Bestandes ist nur dann zu vermuten, wenn der Zeitpunkt der Herstellung desselben so weit zurückliegt, dass - von besonders gelagerten Einzelfällen abgesehen - auch bei ordnungsgemäß geführten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht mehr besteht. So erachtete der VwGH in diesem Erkenntnis ein Anfang der 1960er Jahre errichtetes Gebäude nicht als alten Bestand im Sinne dieser Rechtsprechung.

13 Auch im Erkenntnis , - dieses betraf eine im Jahr 1968 errichtete Jagdhütte, für die kein Baubewilligungsbescheid aufzufinden war, obwohl bei der Baubehörde für vergleichbare Bauführungen aus dieser Zeit Akten über ordnungsgemäß geführte Bauverfahren und erlassene Bescheide auflagen - wurde unter Bezugnahme auf die vorzitierte Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass dieses Gebäude nicht als alter Bestand im Sinne der hg. Judikatur zum Vorliegen eines vermuteten Konsenses anzusehen sei.

14 Die oben genannten, in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ins Treffen geführten hg. Entscheidungen weichen von dieser Judikatur nicht ab. Im Übrigen wurde auch im Erkenntnis , ausgeführt, dass ein vermuteter Konsens nicht allein deshalb angenommen werden kann, weil ein Einschreiten der Behörden wegen Konsenslosigkeit bisher nicht erfolgte.

15 Nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen finden die in den Punkten 1. und 2. des Bescheides vom angeführten Werbetafeln in den vorliegenden Bewilligungsbescheiden keine Deckung. In diesem Zusammenhang hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass in Bezug auf die gegenständliche Hauseinlage eine Vielzahl von Bewilligungen bei der Baubehörde aufliege. Diesen Feststellungen tritt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht entgegen. Wenn das Verwaltungsgericht die Auffassung vertritt, es könne unter anderem in Anbetracht des Umstandes, dass in Bezug auf die gegenständliche Hauseinlage eine Vielzahl von Bewilligungen vorliegt, das Bestehen eines vermuteten Konsenses nicht angenommen werden, so ist nicht ersichtlich, dass diese Beweiswürdigung grob fehlerhaft und dabei gegen tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes verstoßen worden wäre, sodass keine Rechtsfrage des Verfahrensrechtes von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG dargelegt wurde (vgl. in diesem Zusammenhang etwa , mwN).

16 Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass das angefochtene Erkenntnis auf einer widersprüchlichen hg. Judikatur beruhe oder die vom Verwaltungsgericht beurteilten Rechtsfragen in der hg. Judikatur nicht gelöst seien.

17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten
Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018050162.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
IAAAF-49503

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden