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VwGH 13.04.2018, Ra 2018/01/0110

VwGH 13.04.2018, Ra 2018/01/0110

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Der mit § 45 Abs. 2 AVG normierte Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass die Behörde bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/14/0434 B RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der J (geboren 1997), vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I403 2162953-1/22E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , mit dem ihr Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen wurde, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit der Abschiebung der Revisionswerberin nach Nigeria festgestellt wurde, mit der Maßgabe der Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise als unbegründet ab.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist.

3 Es ist davon auszugehen, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für die Revisionswerberin - schon mit Blick auf die verfügte Außerlandesbringung - ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2017/01/0227, mwN). Dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende oder zumindest überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, ist nicht zuletzt im Hinblick auf die unterlassene Äußerung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu diesem Antrag innerhalb der gesetzten Frist nicht zu erkennen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der J I, in W, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I403 2162953-1/22E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine nigerianische Staatsangehörige, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - im Beschwerdeverfahren - den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria fest, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 3 Das BVwG legte seiner Entscheidung nachfolgende - soweit im Revisionsverfahren wesentlich - Feststellungen zugrunde:

Die von der Revisionswerberin behauptete homosexuelle Orientierung und ihre damit begründete Verfolgung seien nicht glaubhaft. Ebenso wenig glaubhaft sei, dass die Revisionswerberin Nigeria verlassen habe, um einer Verfolgung wegen homosexueller Aktivitäten zu entgehen. Schließlich sei ihre erst in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG aufgestellte Behauptung, Opfer von Menschenhandel zu sein, nicht glaubhaft. Die Anwesenheit der Revisionswerberin (in Österreich) sei daher zur Gewährleistung der Strafverfolgung nicht erforderlich.

4 Rechtlich führte das BVwG - soweit wesentlich - aus, der Revisionswerberin sei der Status des Asylberechtigten mangels Glaubhaftigkeit ihres Fluchtvorbringens nicht zu zuerkennen. Ebenso wenig lägen in Anbetracht ihrer familiären und sozialen Kontakte in Nigeria, ihrer Schulbildung, der Möglichkeit im Fall ihrer Rückkehr in Nigeria ihre dringendsten Bedürfnisse zu befriedigen und der fehlenden Gefahr in eine dauerhaft aussichtslose Lage zu geraten, die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus vor.

Gleichermaßen seien die Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 für die Zuerkennung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht gegeben. Es sei nicht glaubhaft, dass die Revisionswerberin ein Opfer von Menschenhandel sei. Überdies habe die Landespolizeidirektion Wien mit Stellungnahme vom bestätigt, dass eine Anwesenheit der Revisionswerberin "zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen, insbesondere bei Opfern von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel, nicht erforderlich" sei.

Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das BVwG nicht.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bekämpft in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zunächst die Beweiswürdigung des BVwG in Bezug auf die mangelnde Glaubwürdigkeit des Vorbringens der Revisionswerberin zu ihren Fluchtgründen und ihrer homosexuellen Orientierung. 10 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa , mwN). 11 Eine derart krasse Fehlbeurteilung des BVwG wird im Zulässigkeitsvorbringen nicht dargelegt. Für die Darlegung einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Beweiswürdigung genügt im vorliegenden Fall die Behauptung der nicht ausreichenden Auseinandersetzung mit einem von vielen vom Verwaltungsgericht aufgenommen Beweismitteln nicht. Soweit die Revision moniert, das BVwG habe sich bei seiner Beweiswürdigung nicht mit den "UNHCR-Leitlinien zu Anträgen auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestützt auf sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität" auseinandergesetzt, ist ihr der mit § 45 Abs. 2 AVG normierte Grundsatz der freien Beweiswürdigung entgegen zu halten, wonach die Behörde bzw. iVm § 17 VwGVG das Verwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat (vgl. , Rn. 11, mwN). Insofern vermag der Vorwurf des Abgehens von in den UNHCR-Leitlinien dargelegten allgemeinen Ausführungen und Regeln zur "Beweislast und (Prüfung der) Glaubwürdigkeit" von Antragstellern mit behaupteter lesbischer, schwuler, bisexueller oder transgeschlechtlicher Orientierung (Punkt II. E. der Leitlinien) eine Fehlbeurteilung des BVwG in seiner freien Beweiswürdigung nicht aufzuzeigen (vgl. im Übrigen zur fehlenden Bindung von rechtlichen Empfehlungen des UNHCR , Rn. 13).

12 Im Übrigen stützt die Revision ihre Zulässigkeit auf einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot. Ausgehend von der Mitteilung der Landespolizeidirektion Wien, wonach die Anwesenheit der Revisionswerberin zur Gewährleistung der Strafverfolgung nicht erforderlich sei, habe das BVwG die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 verneint. Hätte das BVwG der Revisionswerberin die Stellungnahme der Landespolizeidirektion zur Kenntnis gebracht, hätte sie vorbringen können, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht eingestellt, sondern aufgrund des bisherigen Scheiterns der Versuche, die Beschuldigten einzuvernehmen bzw. ihrer habhaft zu werden, gemäß § 197 Abs. 1 und 2 StPO zur Ausforschung der Beschuldigten abgebrochen worden sei. Dieses Vorgehen der Staatsanwaltschaft habe keinen verfahrensbeendenden Charakter und somit keine mit einer Einstellung des Strafverfahrens vergleichbare Konsequenz. Die Annahme des BVwG, die Anwesenheit der Revisionswerberin sei aufgrund der Stellungnahme der Sicherheitsbehörde nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung notwendig, betreffe die Sachverhaltsebene, sodass die unterlassene Erörterung dieser Feststellung konkret einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot darstelle.

Gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel zu erteilen. Die Revisionswerberin bringt dazu vor, Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel geworden zu sein. Nach den Feststellungen des BVwG konnte die Revisionswerberin dies nicht glaubhaft machen. Es mangelt bereits insofern am Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 (vgl. ). Soweit die Revision einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot im Hinblick auf die Feststellung, die Anwesenheit der Revisionswerberin sei zur Gewährleistung der Strafverfolgung nicht erforderlich, geltend macht, kommt dieser Rüge daher ebenso wenig rechtliche Bedeutung zu wie der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfrage, ob ein von der Staatsanwaltschaft zur Ausforschung der Beschuldigten gemäß § 197 Abs. 1 und 2 StPO abgebrochenes Strafverfahren mit einem eingestellten Strafverfahren gleichzustellen sei und deshalb der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 entgegen stehe. Dem diesbezüglichen Zulässigkeitsvorbringen mangelt es deshalb an der erforderlichen rechtlichen Relevanz. 13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AsylG 2005;
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018010110.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-49455