VwGH 16.11.2017, Ra 2017/22/0179
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Bevollmächtigung einer Person, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreibt, ist nicht von vornherein unwirksam, weil es erst einer entsprechenden Verfügung der Behörde bedarf, einer derartigen Person die Ausübung dieser Tätigkeit zu unterbinden (vgl. ; , 2786/78, VwSlg. 10.325 A/1978; , 82/08/0120, VwSlg. 11.031 A/1983; , 85/07/0196). Soweit im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an die damals bevollmächtigt gewesene Person eine solche Verfügung nicht vorgelegen ist, ist für den Beginn der Rechtsmittelfrist der Zeitpunkt der Zustellung an den bevollmächtigten Vertreter maßgebend (vgl. ). Der Umstand, dass eine Person von der Behörde nicht zuzulassen gewesen ist, ändert für sich genommen daher noch nichts am Bestand und an der Wirksamkeit der Vertretungsvollmacht.In keiner dieser Entscheidungen hat der VwGH Bedenken dahingehend geäußert, dass eine Zustellung des Bescheides an die bevollmächtigte Person keine Wirkung entfaltet hätte. Nichts anderes gilt für den Fall, in dem die bevollmächtigte Person zum Zeitpunkt der Zustellung der bekämpften Bescheide von den revisionswerbenden Parteien noch bevollmächtigt war. Dass es von Belang ist, aus welchen Gründen eine Entscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AVG unterblieben ist, lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen. |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2017/22/0181
Ra 2017/22/0180
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien
1. M R, 2. X X, geboren am , sowie 3. X Y, geboren am , alle in Wien, alle vertreten durch die Salzborn Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in 1070 Wien, Stiftgasse 21/20, gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes Wien jeweils vom , 1. VGW-151/063/8382/2017-1 (protokolliert zu Ra 2017/22/0179), 2. VGW-151/063/8380/2017-1 (protokolliert zu Ra 2017/22/0180) und 3. VGW-151/063/8377/2017-1 (protokolliert zu Ra 2017/22/0181), jeweils betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter der weiteren, noch minderjährigen revisionswerbenden Parteien. Alle drei revisionswerbenden Parteien sind serbische Staatsangehörige und verfügten (auf Grund der am geschlossenen Ehe der Erstrevisionswerberin mit dem österreichischen Staatsbürger D R) über einen Aufenthaltstitel "Familienangehöriger", gültig bis .
2 Mit den - soweit für das vorliegende Verfahren relevant: im Wesentlichen inhaltsgleichen - Bescheiden der belangten Behörde vom wurden die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren betreffend die Erteilung des Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" an die revisionswerbenden Parteien gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG von Amts wegen wieder aufgenommen. Weiters wurden die Erstanträge sowie die Verlängerungsanträge (vom ) abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass es sich bei der Ehe der Erstrevisionswerberin um eine Aufenthaltsehe handle.
3 Mit den - wiederum im Wesentlichen inhaltsgleichen - Beschlüssen jeweils vom wies das Verwaltungsgericht Wien die gegen diese drei Bescheide erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien als verspätet zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde jeweils für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die angefochtenen Bescheide dem im behördlichen Verfahren ausgewiesenen Vertreter der revisionswerbenden Parteien Dr. J K am (durch persönliche Übernahme) zugestellt worden seien. Am sei durch Dr. J K gegen diese Bescheide Beschwerde eingebracht worden. Mit Eingabe vom sei von den revisionswerbenden Parteien - vertreten durch ihren nunmehrigen Rechtsvertreter - vorgebracht worden, es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass Dr. J K nicht mehr in die Rechtsanwaltsliste eingetragen sei, und es werde angeregt, die Vertretungsbefugnis des Dr. J K gemäß § 10 Abs. 3 AVG mit Bescheid zu beenden. Die Rechtsanwaltskammer Wien habe auf Anfrage des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt, dass Dr. J K per auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet habe.
In seinen rechtlichen Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Beschwerden angesichts ihrer Einbringung am verspätet seien. Eine (von diesem ins Treffen geführte) Erkrankung des vormaligen Vertreters der revisionswerbenden Parteien könne den Ablauf der Frist des § 7 Abs. 4 VwGVG nicht hemmen. Ungeachtet des mittlerweile bestehenden Verdachtes der Winkelschreiberei bezüglich des vormaligen Vertreters der revisionswerbenden Parteien seien sowohl die Zustellung der angefochtenen Bescheide an Dr. J K als auch die verspätet eingebrachten Beschwerden den revisionswerbenden Parteien zuzurechnen. Selbst eine nachträgliche Verfügung der belangten Behörde gemäß § 10 Abs. 3 AVG würde bezüglich der Rechtskraft der angefochtenen Bescheide nichts ändern.
4 Gegen diese Beschlüsse richten sich die - soweit für die vorliegende Entscheidung relevant: wiederum inhaltsgleichen - vorliegenden außerordentlichen Revisionen, die vom Verwaltungsgerichtshof auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden sind.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
7 Die revisionswerbenden Parteien räumen in der Zulässigkeitsbegründung ein, dass eine behördliche Verfügung über die Nichtzulassung einer nicht vertretungsbefugten Person gemäß § 10 Abs. 3 AVG nur "ex nunc Wirkung" entfalte. Wenn aber bereits amtsbekannt sei, dass ein ehemaliger Rechtsanwalt als Winkelschreiber auftrete und sohin unbefugt Vertretungshandlungen setze, sei es Aufgabe der Behörde "im Sinne ihrer Verpflichtung den Antragsberechtigten ein rechtskonformes Verfahren zu gewährleisten, dieses Wissen nicht in einzelnen Abteilungen einzubunkern, sondern vielmehr für eine vollständige Information ihres Behördenapparates über diese Rechtswidrigkeit und den Winkelschreiber Sorge zu tragen." Das Abschneiden der revisionswerbenden Parteien von dieser behördenbekannten Information verstoße gegen den Grundsatz der amtswegigen Wahrheitsfindung. Es sei zu klären, "inwieweit Organisationspflichten einer Behörde Teil der Amtswegigkeit des Verfahrens und somit der Pflicht zur vollständigen Wahrheitserforschung" seien.
8 In den Revisionen wird eingeräumt, dass Dr. J K von der Erstrevisionswerberin (für alle revisionswerbenden Parteien) in den zugrunde liegenden behördlichen Verfahren Vertretungsvollmacht erteilt worden ist. Auch die Feststellung des Verwaltungsgerichtes, dass die angefochtenen Bescheide vom vormaligen Vertreter Dr. J K am persönlich übernommen und die Beschwerden dagegen erst am erhoben worden seien, wird nicht bestritten.
9 Gemäß § 10 Abs. 3 AVG sind als Bevollmächtigte solche Personen nicht zuzulassen, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreiben.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits wiederholt festgehalten, dass die Bevollmächtigung einer Person, die unbefugt die Vertretung anderer zu Erwerbszwecken betreibt, nicht von vornherein unwirksam ist, weil es erst einer entsprechenden Verfügung der Behörde bedarf, einer derartigen Person die Ausübung dieser Tätigkeit zu unterbinden (vgl. ; , 2786/78, VwSlg. 10.325 A; , 82/08/0120, VwSlg. 11.031 A; , 85/07/0196). Soweit im Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides an die damals bevollmächtigt gewesene Person eine solche Verfügung nicht vorgelegen sei, sei für den Beginn der Rechtsmittelfrist der Zeitpunkt der Zustellung an den bevollmächtigten Vertreter maßgebend (siehe VwGH 0946/65). Der Umstand, dass eine Person von der Behörde nicht zuzulassen gewesen wäre, ändert für sich genommen daher noch nichts am Bestand und an der Wirksamkeit der Vertretungsvollmacht (vgl. in diesem Sinn auch Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen I. Band (1953) 140). In keiner der zitierten Entscheidungen hat der Verwaltungsgerichtshof Bedenken dahingehend geäußert, dass eine Zustellung des Bescheides an die bevollmächtigte Person keine Wirkung entfaltet hätte.
11 Nichts anderes gilt für den vorliegenden Fall, in dem Dr. J K zum Zeitpunkt der Zustellung der bekämpften Bescheide von den revisionswerbenden Parteien noch bevollmächtigt war. Dass es von Belang ist, aus welchen Gründen eine Entscheidung gemäß § 10 Abs. 3 AVG unterblieben ist, lässt sich der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht entnehmen. Daher vermag das Vorbringen der revisionswerbenden Parteien betreffend den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Amtswegigkeit schon aus diesem Grund zu keinem anderen Ergebnis zu führen.
12 Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 sowie § 15 Abs. 4 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung Verbesserungsauftrag Bejahung Einschreiten eines unbefugten Vertreters Ende Vertretungsbefugnis |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017220179.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-49445