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VwGH 15.05.2017, Ra 2017/17/0214

VwGH 15.05.2017, Ra 2017/17/0214

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
RS 1
Eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung ist dann zulässig, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl , mwN).
Normen
AVG §45 Abs3;
VStG §44a Z3;
RS 2
Bei der Angabe der angewendeten Gesetzesbestimmung handelt es sich um eine Rechtsfrage, die nicht dem Parteiengehör unterliegt (vgl das hg Erkenntnis vom , 92/02/0093).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2011/17/0131 E RS 2
Normen
B-VG Art130 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §51 Abs6;
VwGVG 2014 §42;
VwGVG 2014 §50;
RS 3
Schon nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat - unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG 2014) gezogenen Grenzen - einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen. Es kann auch im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG 2014), für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (vgl , mwN). Dass das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis ein anderes Tatsachensubstrat als das bereits von der belangten Behörde herangezogene zugrunde gelegt hat, ist nicht ersichtlich. Eine Bestrafung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG (Veranstalten von verbotenen Glücksspielen) durch das Verwaltungsgericht anstelle des von der Behörde herangezogenen vierten Tatbildes dieser Bestimmung führt somit nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der revisionswerbenden Partei VZ, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG- 411399/8/Wg, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/17/0022, auf Grundlage der vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

5 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision auf die Beurteilung, Feststellungen und das Verfahren im Zusammenhang mit der Unionsrechtskonformität des Glücksspielgesetzes bezieht, zeigt es nichts auf, was hier zu einer gegenüber den zitierten Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts anderen Beurteilung hätte führen können.

6 Auch das Zulässigkeitsvorbringen der Revision, das Landesverwaltungsgericht weiche insofern von hg Rechtsprechung ab, als es einen Austausch der als erwiesen angenommenen Tat vorgenommen habe, wenn es im Verhalten des Revisionswerbers einen Verstoß (auch) gegen § 52 Abs 1 Z 1 1. Tatbild GSpG (Veranstalten von verbotenen Glücksspielen) erkannt und den Spruch des Straferkenntnis entsprechend abgeändert habe, geht insofern ins Leere, als eine Präzisierung bzw. Richtigstellung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung dann zulässig ist, wenn es nicht zu einem "Austausch der Tat" durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl , mwN). Bei der Angabe der angewandten Gesetzesbestimmung handelt es sich mithin lediglich um eine Rechtsfrage, die nicht dem Parteiengehör unterliegt (vgl , mwN).

7 Schon nach der Rechtsprechung zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, war die Berufungsbehörde in Verwaltungsstrafsachen berechtigt, die als erwiesen angenommene Tat - unter Beachtung der durch das Verbot der reformatio in peius (§ 51 Abs 6 VStG, vgl nun § 42 VwGVG 2014) gezogenen Grenzen - einer anderen rechtlichen Subsumtion, etwa der Unterstellung unter eine andere Strafnorm, zu unterziehen. Es kann auch im Hinblick auf die den Verwaltungsgerichten übertragene Pflicht, in Verwaltungsstrafsachen über Beschwerden meritorisch zu entscheiden (Art 130 Abs 4 erster Satz B-VG und § 50 VwGVG 2014), für das Beschwerdeverfahren gegen Straferkenntnisse der Verwaltungsbehörden vor den Verwaltungsgerichten nichts anderes gelten (vgl , mwN). Dass das Verwaltungsgericht seinem Erkenntnis ein anderes Tatsachensubstrat, als das bereits von der belangten Behörde herangezogene, zugrunde gelegt hat, ist nicht ersichtlich.

8 Eine Bestrafung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 erstes Tatbild GSpG (Veranstalten von verbotenen Glücksspielen) durch das Verwaltungsgericht anstelle des von der Behörde herangezogenen vierten Tatbildes dieser Bestimmung führt somit nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses.

9 Das Verwaltungsgericht weist in seinem Erkenntnis zurecht darauf hin, dass der (neue) Tatvorwurf des Veranstaltens verbotener Glücksspiele seitens des Finanzamtes bereits in der mündlichen Verhandlung und damit noch innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 VStG erhoben wurde.

10 Im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den EuGH gemäß Art 267 AEUV klar bzw geklärt. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl , Dickinger und Ömer, Rn 83 f, vom , C-390/12, Pfleger, Rn 47 ff, sowie vom , C-464/15, Admiral Casinos & Entertainment, Rn 31, 35 f). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom durch die Vornahme der sogenannten Gesamtwürdigung auch nachgekommen (vgl ). Ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Frage, ob das im Glücksspielgesetz normierte Monopolsystem mit dem Unionsrecht vereinbar ist, war daher - entgegen dem Vorbringen in der Revision - nicht zu stellen.

11 Die Revision war daher nach § 34 Abs 1 VwGG wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art 133 Abs 4 B-VG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art 6 Abs 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Genüge getan.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §45 Abs3;
B-VG Art130 Abs4;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VStG §44a Z3;
VStG §51 Abs6;
VwGVG 2014 §42;
VwGVG 2014 §50;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017170214.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-49381