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VwGH 11.09.2018, Ra 2017/16/0075

VwGH 11.09.2018, Ra 2017/16/0075

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
ABGB §229;
ABGB §276 Abs1;
FamLAG 1967;
GGG 1984 TP7 Anm8;
RS 1
Die in Anmerkung 8 zu TP 7 GGG für die Ermittlung der jährlichen Einkünfte genannten §§ 229, 276 ABGB gehen auf den mit dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 135/2000, neu geschaffenen § 266 ABGB zurück (vgl. ErläutRV 1420 BlgNR 22. GP 6; BGBl. I Nr. 15/2013 Art. 1 Z 29). Demnach sind von sämtlichen Einkünften die davon zu entrichtenden Steuern und Abgaben abzuziehen, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind. Damit wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die einer besonderen gesetzlichen Zweckwidmung unterliegenden Bezüge (etwa Pflegegeld oder Familienbeihilfe) bei der Ermittlung der Einkünfte unberücksichtigt bleiben sollen (vgl. ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 78). Die für die Anrechnung zu den Einkünften strittige Familienbeihilfe ist janusköpfig; sie beinhaltet sowohl eine Art sozialer Förderung bzw. Betreuungshilfe, will aber auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten (vgl. Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, 799 (808)). Die Familienbeihilfe soll grundsätzlich jenem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut wird, und hat die Funktion einer Abgeltung der steuerlichen Mehrbelastung von Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen (VfSlg. 16.562/2002). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe, sie soll deshalb die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten (vgl. etwa ). In die gleiche Richtung geht auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa ).
Normen
FamLAG 1967 §12a;
FamLAG 1967 §2;
FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
GGG 1984 TP7 Anm8;
RS 2
Die einem Elternteil für ein Kind gewährte Familienbeihilfe soll den durch Unterhaltsleistungen belasteten Elternteil entlasten. Demgegenüber dient nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 2 lit d FLAG dazu, fehlende Unterhaltsleistungen von Eltern des Unterhaltsberechtigten zu substituieren, und ist gleich anderen, dem Unterhaltspflichtigen zukommenden Unterhaltsleistungen zu behandeln und (wie diese) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (; in diesem Sinn auch Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9(12); ders., Unterhaltsrecht3, Rz 276 und 741; sowie Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 12a, Rz 79). Dieser Beitrag steht ihm als frei verfügbares Einkommen zur Verfügung und dient nicht unmittelbar dem Ausgleich eines bestimmten Sonderbedarfs aufgrund der Behinderung (; EF-Slg. 150.000).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision der I P in W, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W176 2136518-1/4E, betreffend Gerichtsgebühren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Landesgerichtes für ZRS Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom schrieb die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien der Revisionswerberin für die Bestätigung der mit Schriftsatz vom eingebrachten Pflegschaftsrechnung die Entscheidungsgebühr nach TP 7 lit. c Z 2 GGG mit dem Mindestbetrag von EUR 82,- sowie die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG in der Höhe von EUR 8,- zur Zahlung vor. Sie ging von jährlichen Einkünften der Revisionswerberin von EUR 15.803,46 aus, die sich aus der Mindestsicherung (14x EUR 813,99) und erhöhter Familienbeihilfe (12x EUR 367,30) zusammensetzten, weshalb die nach Anmerkung 8 zu TP 7 GGG für die Gebührenbefreiung relevante Einkommensgrenze von EUR 13.244,-- überschritten werde.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Rechtlich ging es davon aus, dass zwar bei erhöhter Familienbeihilfe der Erhöhungsbetrag nicht dem allgemeinen Zweck der Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern der Unterstützung bei der Finanzierung behinderungsbedingter Mehraufwendungen diene, die Revisionswerberin jedoch unter Bedachtnahme auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe immer noch ein für die Gebührenbefreiung zu hohes Gesamteinkommen von EUR 14.003,46 beziehe.

3 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

4 Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht auf Gewährung der Gebührenbefreiung gemäß Anmerkung 8 zu TP 7 GGG verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revisionswerberin trägt zur Zulässigkeit ihrer Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit die (erhöhte) Familienbeihilfe zur konkreten Bestimmung der Gebührenbefreiung nach Anmerkung 8 zu TP 7 GGG anzurechnen sei.

8 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. 9 Gemäß Anmerkung 8 zu TP 7 GGG in der Fassung der Gerichtsgebühren-Novelle 2015, BGBl. I Nr. 156, sind Verfahren über die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung auf Antrag der Partei gebührenfrei, wenn aus der Pflegschaftsrechnung als einziges Vermögen Sparguthaben bis zu EUR 20.000,-- ersichtlich sind und die ausgewiesenen jährlichen Einkünfte (§§ 229, 276 ABGB) EUR 13.244,-- nicht übersteigen.

10 Diese Gebührenbefreiung wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 für Fälle, in denen in aller Regel Verfahrenshilfe zu bewilligen ist, neu geschaffen (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 62). Dafür seien von den jährlichen Einkünften die vom Einkommen zu entrichtenden Steuern sowie Abgaben abzuziehen und die Höhe des Schwellenwertes sei derart gewählt worden, dass Bezieher von Mindestpensionen von der Gebührenbefreiung erfasst seien. Bei den Einkünften seien - wie in § 276 Abs. 1 ABGB geregelt - auch Bezüge nicht zu berücksichtigen, die kraft gesetzlicher Anordnung ausschließlich zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienten. Als wichtigste Beispiele für derartige Bezüge wurden in den Materialien das Pflegegeld und die Mietzinsbeihilfe genannt.

11 Die in Anmerkung 8 zu TP 7 GGG für die Ermittlung der jährlichen Einkünfte genannten §§ 229, 276 ABGB gehen auf den mit dem Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 135/2000, neu geschaffenen § 266 ABGB zurück (vgl. ErläutRV 1420 BlgNR 22. GP 6; BGBl. I Nr. 15/2013 Art. 1 Z 29). Demnach sind von sämtlichen Einkünften die davon zu entrichtenden Steuern und Abgaben abzuziehen, wobei Bezüge, die kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen, nicht als Einkünfte zu berücksichtigen sind. Damit wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die einer besonderen gesetzlichen Zweckwidmung unterliegenden Bezüge (etwa Pflegegeld oder Familienbeihilfe) bei der Ermittlung der Einkünfte unberücksichtigt bleiben sollen (vgl. ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 78).

12 Die für die Anrechnung zu den Einkünften der Revisionswerberin strittige Familienbeihilfe ist janusköpfig; sie beinhaltet sowohl eine Art sozialer Förderung bzw. Betreuungshilfe, will aber auch die Lasten des Geldunterhalts abgelten (vgl. Zorn, Kindesunterhalt und Verfassungsrecht, SWK 2001, 799 (808)). Die Familienbeihilfe soll grundsätzlich jenem Haushalt zukommen, in dem das Kind betreut wird, und hat die Funktion einer Abgeltung der steuerlichen Mehrbelastung von Unterhaltsverpflichteten zu übernehmen (VfSlg. 16.562/2002). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Familienbeihilfe ihrem Wesen nach Betreuungshilfe, sie soll deshalb die Pflege und Erziehung des Kindes als Zuschuss erleichtern und die mit der Betreuung verbundenen Mehrbelastungen zumindest zum Teil ausgleichen. Sie ist als Sozialbeihilfe des öffentlichen Rechts eine besondere Form der Drittzuwendung. Der Staat verfolgt mit ihr einen doppelten Zweck: den Mindestunterhalt des Kindes zu gewährleisten und gleichzeitig die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht zu entlasten (vgl. etwa ). In die gleiche Richtung geht auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa ).

13 Die einem Elternteil für ein Kind gewährte Familienbeihilfe soll den durch Unterhaltsleistungen belasteten Elternteil entlasten. Demgegenüber dient nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der Eigenanspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 2 lit d FLAG dazu, fehlende Unterhaltsleistungen von Eltern des Unterhaltsberechtigten zu substituieren, und ist gleich anderen, dem Unterhaltspflichtigen zukommenden Unterhaltsleistungen zu behandeln und (wie diese) in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen (; in diesem Sinn auch Gitschthaler, Familienbeihilfe und deren Anrechnung auf Kindesunterhaltsansprüche, JBl 2003, 9(12); ders., Unterhaltsrecht3, Rz 276 und 741; sowie Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 12a, Rz 79). Dieser Beitrag steht ihm als frei verfügbares Einkommen zur Verfügung und dient nicht unmittelbar dem Ausgleich eines bestimmten Sonderbedarfs aufgrund der Behinderung (; EF-Slg. 150.000).

14 Der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Beschluss des Obersten Gerichtshofes () hat die Nichteinbeziehung der Familienbeihilfe auf Grund Eigenanspruchs in die unterhaltsmindernde Bemessungsgrundlage des Geldunterhalts eines Unterhaltsberechtigten zum Gegenstand und ist daher auf die vorliegende Konstellation, einer von der Revisionswerberin zu leistenden Entschädigung an den Sachwalter nicht übertragbar.

15 Da bereits der Bezug von Mindestsicherung (14x EUR 813,99) und des Grundbetrages der Familienbeihilfe (12x EUR 158,90 gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 lit. d FLAG idF BGBl. I Nr. 35/2014) den für die Gebührenbefreiung nach Anmerkung 8 zu TP 7 GGG festgesetzten Schwellenwert von EUR 13.244,-- übersteigt, kommt es - wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend ausführte - auf die zur Bemessung von Einkommensbezügen für den Erhalt von anderen Transferleistungen ergangene Judikatur zur Nichtanrechnung des Erhöhungsbetrages gemäß § 8 Abs. 4 FLAG und die Frage deren Übertragbarkeit auf die Berechnung der Einkünfte nach §§ 229, 276 ABGB nicht mehr an.

16 Da somit der Inhalt der Revision bereits erkennen lässt, dass die von der Revisionswerberin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Revision gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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Normen
ABGB §229;
ABGB §276 Abs1;
FamLAG 1967 §12a;
FamLAG 1967 §2;
FamLAG 1967 §6 Abs2 litd;
FamLAG 1967 §6 Abs5;
FamLAG 1967;
GGG 1984 TP7 Anm8;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017160075.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-49345