VwGH 30.05.2017, Ra 2017/16/0064
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | KanalG NÖ 1977 §1a Z7; KanalG NÖ 1977 §3 Abs2; |
RS 1 | Nach dem hg. Erkenntnis vom , 2003/17/0224, ist ein einheitliches Gebäude jedenfalls dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile durch gemeinsame Wände verbunden sind, welche überdies Öffnungen aufweisen, wodurch eine funktionelle Einheit dieser Teile hergestellt wird. Darüber hinaus liegt aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann ein einheitliches Gebäude vor, wenn beide Gebäudeteile jeweils eigene, aneinander angrenzende Außenwände besitzen und durch Verbindungstüren zwischen den Trakten eine funktionelle Einheit geschaffen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/17/0048). Der Umstand, dass Türen geschlossen und die Aufzugsstellung verändert werden können, ändert nichts an der vom Verwaltungsgericht festgestellten Möglichkeit des Durchgangs vom Alt- in den Neubau. (Hier: Über einen im Neubau eingebauten Lastenaufzug kann vom Obergeschoß des Altbaus in das erste Obergeschoß des Neubaus gegangen werden.) |
Norm | KanalG NÖ 1977 §5b Abs1; |
RS 2 | Auf den Vergleich der durchschnittlichen Berechnungsflächen pro Einwohner der Liegenschaft mit dem entsprechenden Durchschnittswert der Gemeinde kommt es für die Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalls nach § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/17/0147). |
Norm | |
RS 3 | Der Vorstellung, das Verwaltungsgericht müsse von der belangten Behörde nicht substantiiert Bestrittenes seinen Feststellungen ungeprüft zugrunde legen, steht § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO und die dazu sowie die zur Vorgängerregelung des § 289 Abs. 2 zweiter Satz BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Demnach ist das Verwaltungsgericht berechtigt, die zwischen den Parteien unstrittigen Standpunkte nicht zu teilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0036, und vom , Ra 2015/13/0047). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, über die Revision der Verlassenschaft nach H A, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef Straße 42, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-1208/001-2016, betreffend Kanalbenützungsgebühr, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerde der Revisionswerberin gegen die Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr teilweise Folge, sodass der Revisionswerberin ab für die Benützung des öffentlichen Mischwasserkanals unter Zugrundelegung einer Berechnungsfläche von 1.275,60 m2, eines Einheitssatzes von 2,55 EUR und einer Minderung von 10,14 % eine jährlich zu entrichtende Kanalbenützungsgebühr von 2.922,95 EUR zuzüglich USt vorgeschrieben wurde. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Verwaltungsgericht stellte - soweit für das Revisionsverfahren von Belang - fest, dass die Revisionswerberin Eigentümerin einer näher bezeichneten Liegenschaft sei, auf der sich ein Wohnhaus befinde, welches im Bereich des Altbaus mit zwei Geschoßen und im Bereich des Neubaus mit drei Geschoßen an den Ortskanal und die Ortswasserleitung angeschlossen sei. Die zur Versorgung des unbewohnten Neubaus nach Auffassung der Revisionswerberin erforderliche Pumpe sei defekt. Über einen im Neubau eingebauten Lastenaufzug könne vom Obergeschoß des Altbaus in das erste Obergeschoß des Neubaus gegangen werden.
3 Rechtlich ging das Gericht von einem einheitlichen Bauwerk aus, weil infolge des zwischen den Gebäudeteilen vorhandenen Durchgangs Alt- und Neubau einheitlich nutzbar seien. Daher seien sämtliche an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen in die Berechnungsfläche einzubeziehen und - entgegen der Auffassung der Abgabenbehörden - eine Durchfahrt mit einer Fläche von 20,4 m2 abzuziehen, was eine Nutzfläche von 1.275,6 m2 ergebe. Unter Bedachtnahme auf 16 Einwohnerwerte (EW) ergebe sich für die Liegenschaft der Revisionswerberin eine Benützungsfläche von 79,73 m2 pro EW, welche den Durchschnitt in der Marktgemeinde M um 10,14 % übersteige, sodass auf Grund der Härtefallregelung des § 5b Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 die Kanalbenützungsgebühr um diesen Prozentsatz herabzusetzen sei.
4 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision legte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revisionswerberin macht zur Zulässigkeit der Revision zunächst geltend, im angefochtenen Erkenntnis werde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, nämlich dem Erkenntnis vom , 2007/17/0037, abgegangen, weil das Verwaltungsgericht ein in das jeweilige Geschoß mündendes Rohr, das zur öffentlichen Kanalanlage führe, genügen lasse, obwohl Wasser nie durch- und abfließen könne. Das Vorbringen der Revisionswerberin über die zu sanierenden Wasserversorgungsleitungen und die Notwendigkeit einer - sich allerdings nicht rentierenden - neuen Pumpe werde im angefochtenen Erkenntnis nicht behandelt.
9 Dem ist entgegenzuhalten, dass dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde lag, wonach auf Grund von Umbauarbeiten (Demontage des Waschbeckens, Entfernung der WC-Anlagen und Zumauern des Kanalanschlusses) das dort in Rede stehende Geschoß keine unmittelbare Verbindung zum Kanalnetz aufwies und kein Rohr in das genannte Geschoß mündete. Inwiefern im gegenständlichen Fall der Kanalanschluss unterbrochen sein sollte, wird nicht aufgezeigt.
10 Weiters wird zur Zulässigkeit der Revision geltend gemacht, das Verwaltungsgericht sei vom hg. Erkenntnis vom , 2003/17/0224, abgewichen, indem es ein einheitliches Gebäude angenommen habe, obwohl zwei selbständige Gebäude vorlägen, die über keine gemeinsame Wand verfügten. Der Aufzug vermöge keine funktionelle Einheit der getrennten Teile herzustellen, weil eine geschlossene Aufzugstür den Durchgang ebenso verhindere wie ein nicht im ersten Stock befindlicher Aufzug.
11 Nach der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein einheitliches Gebäude jedenfalls dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile durch gemeinsame Wände verbunden sind, welche überdies Öffnungen aufweisen, wodurch eine funktionelle Einheit dieser Teile hergestellt wird. Darüber hinaus liegt aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann ein einheitliches Gebäude vor, wenn - wie hier - beide Gebäudeteile jeweils eigene, aneinander angrenzende Außenwände besitzen und durch Verbindungstüren zwischen den Trakten eine funktionelle Einheit geschaffen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2002/17/0048). Der Umstand, dass Türen geschlossen und die Aufzugsstellung verändert werden können, ändert nichts an der vom Verwaltungsgericht festgestellten Möglichkeit des Durchgangs vom Alt- in den Neubau.
12 Als zusätzlicher Grund für die Zulässigkeit der Revision wird fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob nur die polizeiliche Meldung den tatsächlichen Wohnsitz und damit den Wasserverbrauch bestimme, releviert.
13 Ersichtlich zielt damit die Revision auf die vom Verwaltungsgericht bei Anwendung der Härtefallregelung des § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 zugrunde gelegten 16 EW ab, die nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis auch die zwei Kinder des Revisionswerbervertreters beinhalten, die an der verfahrensgegenständlichen Adresse gemeldet sind. Auf den Vergleich der durchschnittlichen Berechnungsflächen pro Einwohner der Liegenschaft mit dem entsprechenden Durchschnittswert der Gemeinde kommt es indes für die Beurteilung des Vorliegens eines Härtefalls nach § 5b Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2013/17/0147). Damit fehlt es aber an einer Relevanz für das Ergebnis der Revision, weil das Verwaltungsgericht ohnedies zu Gunsten der Revisionswerberin eine Reduktion der Vorschreibung vornahm.
14 Soweit die Revision schließlich für ihre Zulässigkeit einen Verstoß gegen die Begründungspflicht behauptet, weil die Berechnung der Kanalgebühr aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht nachprüfbar sei, reicht es auf den Spruch und Punkt 3.1.9. der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zu verweisen.
15 Damit gelang es der Revision auch nicht aufzuzeigen, inwiefern ein weiteres Ermittlungsverfahren durch das Verwaltungsgericht erforderlich gewesen wäre.
16 Der Vorstellung der Revisionswerberin, das Verwaltungsgericht müsse von der belangten Behörde nicht substantiiert Bestrittenes seinen Feststellungen ungeprüft zugrunde legen, steht § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO und die dazu sowie die zur Vorgängerregelung des § 289 Abs. 2 zweiter Satz BAO in der Fassung vor dem FVwGG 2012 ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Demnach ist das Verwaltungsgericht berechtigt, die zwischen den Parteien unstrittigen Standpunkte nicht zu teilen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2007/15/0036, und vom , Ra 2015/13/0047).
17 Mit dem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe durch Bedachtnahme auf einen nicht existierenden Durchgang zu einem nicht genutzten und abbruchreifen Neubau die Kanalbenützungsgebühr - abweichend vom hg. Erkenntnis vom , 2003/17/0210 -
nicht proportional zu der von der Liegenschaft herrührenden Belastung des Kanalsystems vorgeschrieben, weicht die Zulässigkeitsbegründung der Revision vom festgestellten Sachverhalt (§ 41 VwGG) ab.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160064.L00 |
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Fundstelle(n):
IAAAF-49341