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VwGH 27.12.2017, Ra 2017/08/0096

VwGH 27.12.2017, Ra 2017/08/0096

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
AVG §56
RS 1
Die Bescheidqualität ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Dies gilt ebenso für die Beurteilung des Bescheidwillens, wofür objektive Merkmale maßgeblich sind und es auf die subjektive Vorstellung bzw. Absicht der befassten Organwalter nicht ankommt (vgl. ; ; , 2001/05/0295).
Normen
RS 2
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer (Bescheid)Beschwerde an die Verwaltungsgerichte gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG ist das Vorliegen eines Bescheids. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist für den Fall, dass eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift bzw. Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter unerheblich. Allerdings kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ - also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend - eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Die bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen, können nicht als verbindliche Erledigung gewertet werden. Lässt der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen - wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist -, so ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell (vgl. , VwSlg 12778 A/1987; , mwN).

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

Ra 2017/08/0139

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge des Dr. G, vertreten durch Univ.Prof. Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl und Dr. Christian Ressi, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, den gegen die Beschlüsse 1. des Bundesverwaltungsgerichts vom , W178 2134624-2/8E (hg. Ra 2017/08/0096), und 2. des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW-101/027/11597/2016-4 und VGW- 101/V/027/11660/2016 (hg. Ra 2017/08/0139), betreffend Widerruf der Ausschreibung von Vertragsarztstellen (mitbeteiligte Parteien:

1. Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15- 19; 2. Ärztekammer für Wien in 1010 Wien, Weihburggasse 10-12), erhobenen außerordentlichen Revisionen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.

Begründung

1. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. etwa den Beschluss eines verstärkten Senats vom , VwSlg. 10.381A), hat der Antragsteller - unabhängig vom Fehlen eines zwingenden öffentlichen Interesses - in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zu konkretisieren, worin für ihn ein unverhältnismäßiger Nachteil gelegen wäre. Dabei hat er den ihm drohenden unverhältnismäßigen Nachteil durch nachvollziehbare Dartuung der konkreten wirtschaftlichen Folgen auf dem Boden seiner ebenso konkret anzugebenden gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse darzustellen. Erst eine solche ausreichende Konkretisierung ermöglicht die vom Gesetz gebotene Interessenabwägung (vgl. etwa ; , Ra 2015/03/0020; , Ra 2014/02/0052).

2. Der Revisionswerber bringt vor, aus der anderweitigen Besetzung der Stellen drohe ihm ein unverhältnismäßiger Rechtsnachteil. Sein privates und wirtschaftliches Interesse ergebe sich daraus, dass es um Stellen in Wien gehe, wo er seinen Wohnsitz und sein Privat- bzw. Familienleben habe. Er sei bisher in Steyr tätig gewesen und habe dorthin pendeln müssen, was mit einem unverhältnismäßigen Zeit- und Kostenaufwand verbunden gewesen sei. In Wien bestünden zudem bessere Erwerbschancen auf Grund der Bevölkerungszahl und des größeren Einzugsgebiets. Er habe schon mit der Vorgängerin auf einer der Stellen weit gediehene Verhandlungen geführt, die nun frustriert wären. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stünden auch keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen.

3. Mit diesem Vorbringen vermag der Revisionswerber freilich keinen unverhältnismäßigen Nachteil im oben aufgezeigten Sinn darzulegen, unterlässt er doch, konkret und substanziiert darzutun, aus welchen Umständen - insbesondere aus welchen konkreten wirtschaftlichen Folgen im Hinblick auf seine gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse - durch einen nicht aufgeschobenen Vollzug ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil drohen sollte. Das pauschale Hervorkehren einzelner Umstände (etwa das bisherige zeit- und kostenaufwändige Pendeln, die besseren Erwerbschancen in Wien, die Verhandlungen mit der Vorgängerin auf einer der Stellen) vermag einen unverhältnismäßigen Nachteil im Sinn der oben aufgezeigten Judikatur nicht darzutun. Mangels ausreichender Konkretisierung kann daher eine Interessenabwägung zu Gunsten des Revisionswerbers nicht vorgenommen werden (vgl. auch ; , Ra 2016/08/0005; , Ra 2017/08/0039).

4. Schon aus diesen Erwägungen war daher den Aufschiebungsanträgen nicht stattzugeben. Auf weitergehende Fragen - insbesondere nach der Vollzugstauglichkeit der angefochtenen Zurückweisungsbeschlüsse, aber auch der strittigen grundsätzlichen Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs - braucht nicht mehr eingegangen zu werden.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2017/08/0139 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des Dr. G R in W, vertreten durch Univ.Prof. Dr. Bruno Binder, Dr. Josef Broinger, Mag. Markus Miedl, LL.M., und Dr. Christian Ressi, MBA, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Khevenhüllerstraße 12, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , W178 2134624-2/8E, betreffend Widerruf der Ausschreibung von Vertragsarztstellen (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Wiener Gebietskrankenkasse, nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde (damals noch: Wiener Gebietskrankenkasse) und die Ärztekammer für Wien richteten am 11. und am jeweils ein gemeinsames Schreiben an den Revisionswerber, worin diesem als Bewerber um zwei ausgeschriebene Vertragsarztstellen mitgeteilt wurde, dass die belangte Behörde und die Ärztekammer für Wien „gemäß den Richtlinien für die Auswahl und Invertragnahme von Vertragsärzten für Allgemeinmedizin und Vertragsfachärzte“ einvernehmlich die Ausschreibung der betreffenden Planstellen widerrufen hätten. Im einen Fall sei dies geschehen, weil die Stelle seit über einem Jahr nicht habe besetzt werden können, sodass es zu einer dringenden Versorgungsnotwendigkeit gekommen sei, die nunmehr durch eine Gruppenpraxis sichergestellt werden solle. Im anderen Fall sei dies geschehen, weil der Oberste Gerichtshof die bisherige Regelung und Praxis bei der Vergabe von Punkten für die Wartezeit in einem Aspekt für nicht mehr zulässig erachtet habe, sodass ein Widerruf der Ausschreibung unumgänglich gewesen sei.

Beide Schreiben wiesen als Anrede „Sehr geehrter Herr Dr. R[...]“ bzw. „Sehr geehrter Herr Doktor“ auf. Im Text hieß es einleitend „Die Ärztekammer für Wien darf Sie als Bewerber darüber informieren, dass [...]“ bzw. „Die Wiener Gebietskrankenkasse und die Ärztekammer für Wien dürfen Sie als Bewerber darüber informieren, dass [...]“. Beide Schreiben endeten mit der Grußformel „Mit vorzüglicher Hochachtung“ und wurden vom Generaldirektor und vom Direktor (auf Seiten der Kasse) sowie vom Präsidenten und vom Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte (auf Seiten der Kammer) unterfertigt.

2.2. Der Revisionswerber erhob gegen die beiden - von ihm jeweils als „gemeinsamer Bescheid“ der belangten Behörde und der Ärztekammer für Wien erachteten (seiner Ansicht nach auch alle erforderlichen Bestandteile eines Bescheids aufweisenden) - Schreiben Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, dies verbunden mit Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.

3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden und die Wiedereinsetzungsanträge - ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung - zurück.

Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, es sei zu prüfen, ob die in Beschwerde gezogenen Erledigungen überhaupt als Bescheide zu erachten seien. Eine Erledigung sei dann als Bescheid zu qualifizieren, wenn sie von einer Verwaltungsbehörde gegenüber einer individuell bestimmten Person erlassen werde und eine konkrete Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regle, wenn sie also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt habe.

Die Sozialversicherungsträger seien in Angelegenheiten der Invertragnahme eines Arztes und auch der Auflösung eines solchen Vertrags nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich tätig. Für die - im Einvernehmen mit der Ärztekammer erfolgende - Invertragnahme sei kein Bescheid, sondern ein Vertragsabschluss vorgesehen. Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Ausschreibung einer Stelle, der Auswahl eines Bewerbers und den Vertragsverhandlungen seien vor den Zivilgerichten auszutragen. Ein mit Bescheid abzuschließendes verwaltungsbehördliches Verfahren sei daher nicht vorgesehen, auch Absagen an Bewerber stellten keine Bescheide dar.

Folglich seien vorliegend die betreffenden Schreiben nicht als Bescheide zu qualifizieren. Die belangte Behörde und die Ärztekammer für Wien hätten jedenfalls nicht den Willen gehabt, hoheitlich tätig zu sein, habe ihnen doch der Gesetzgeber keine diesbezügliche Befugnis erteilt. In den Schreiben werde auch nicht über Rechte und Pflichten des Revisionswerbers abgesprochen, vielmehr erfolge bloß eine allgemeine Mitteilung, dass die Ausschreibungen widerrufen worden seien. Da somit keine zu bekämpfenden Bescheide vorlägen, seien die Beschwerden schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Mangels Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht und seien auch die diesbezüglichen Anträge zurückzuweisen.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

4. Gegen diesen Beschluss erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, deren Behandlung mit Beschluss vom , E 376/2017-5, abgelehnt wurde. Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhob der Revisionswerber die hier gegenständliche außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs bzw. das Fehlen einer solchen Rechtsprechung in den nachstehend näher erörterten Punkten geltend gemacht wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

5. Vorauszuschicken ist, dass auf die Schriftsätze des Revisionswerbers vom 10. Oktober und vom , mit denen das Revisionsvorbringen nachträglich ergänzt wurde, hier nicht weiter Bedacht zu nehmen ist. Wie bereits ausgeführt wurde, ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Die gesondert darzustellenden Zulässigkeitsgründe müssen daher in der Revision enthalten sein; ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten (weiteren) Schriftsatz erstattetes Vorbringen ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen (vgl. ).

6.1. Der Revisionswerber macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung zur Klärung von Tatsachenfragen durchführen müssen. Insbesondere habe es in Ansehung der betreffenden Schreiben das Fehlen eines Bescheidwillens unterstellt, ohne dass insofern von einem unstrittigen Sachverhalt auszugehen wäre.

6.2. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs lassen die Akten im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer Verhandlung erforderlich wäre (vgl. ; , Ra 2016/06/0090). Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht (vgl. ; , Ra 2020/04/0023).

6.3. Vorliegend nahm das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage jedenfalls nicht unvertretbar von der Durchführung einer vom Revisionswerber beantragten mündlichen Verhandlung Abstand. Der dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Sachverhalt ist in den wesentlichen Punkten aktenkundig und unstrittig, es bedurfte daher zu seiner Klärung keiner weiteren Ermittlungsschritte.

Soweit der Revisionswerber moniert, das im Beschluss hervorgehobene Fehlen eines Bescheidwillens sei eine streitige Tatsachenfrage, die näher zu klären gewesen wäre, übersieht er, dass die Bescheidqualität nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen ist. Dies gilt ebenso für die Beurteilung des Bescheidwillens, wofür objektive Merkmale maßgeblich sind und es auf die subjektive Vorstellung bzw. Absicht der befassten Organwalter nicht ankommt (vgl. ; ; , 2001/05/0295). Im Hinblick darauf bedurfte es fallbezogen keiner näheren Klärung in Bezug auf einen allfälligen subjektiven Bescheidwillen.

Was die vorzunehmende - keineswegs komplexe - rechtliche Beurteilung betrifft, so konnte diese auf Grundlage einer gesicherten Rechtsprechung erfolgen. Auch insofern ist daher nicht ersichtlich, welche weitere Klärung eine mündliche Erörterung hätte bewirken können.

6.4. Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war daher vertretbar, wie auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss zum Ausdruck brachte.

7.1. Der Revisionswerber releviert, das Bundesverwaltungsgericht habe die Grundsätze für die Qualifizierung eines Behördenakts als Bescheid unrichtig angewendet bzw. nicht beachtet. Es habe zwar die Merkmale eines Bescheids angeführt, eine fallbezogene Würdigung, inwieweit die Kriterien erfüllt seien, jedoch unterlassen.

7.2. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer (Bescheid)Beschwerde an die Verwaltungsgerichte gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG ist das Vorliegen eines Bescheids. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist für den Fall, dass eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift bzw. Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter unerheblich. Allerdings kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ - also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend - eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Die bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen, können nicht als verbindliche Erledigung gewertet werden. Lässt der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen - wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist -, so ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell (vgl. , VwSlg. 12778 A; neuerlich 2006/03/0029, mwN).

7.3. Schon auf Grundlage dieser Rechtsprechung erweist sich der angefochtene Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, dem zufolge den gegenständlichen Schreiben die Bescheidqualität ermangle, als jedenfalls nicht unvertretbar. Den betreffenden Schreiben fehlt jeweils die Bezeichnung als Bescheid, sodass ihr Bescheidcharakter nach der sonstigen formalen und inhaltlichen Beschaffenheit außer Zweifel stehen müsste, was nicht der Fall ist. So lassen die Schreiben jegliche für einen Bescheid vorgesehene Gliederung in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung vermissen. Sie weisen die in Briefen üblichen Grußformeln („Sehr geehrter Herr Dr. R[...]“ bzw. „Sehr geehrter Herr Doktor“; „Mit vorzüglicher Hochachtung“) auf. Im Text selbst wird ausdrücklich hervorgehoben, dass es sich um eine (bloße) Information handle („[...] darf Sie als Bewerber darüber informieren, dass [...]“ bzw. „[...] dürfen Sie als Bewerber darüber informieren, dass [...]“). Es wird jedenfalls keine - sei es rechtsgestaltende, sei es rechtsfeststellende - normative Entscheidung im Sinn eines rechtsverbindlichen Abspruchs getroffen, sondern bloß mitgeteilt, dass (irgendwann davor) die Ausschreibungen widerrufen wurden.

Davon ausgehend stellen sich die betreffenden Schreiben jedoch als Erteilung einer bloßen Information in Briefform (über Verfahrensabläufe) dar, die gegen eine Bescheidqualität spricht.

8.1. Der Revisionswerber macht geltend, vom Abschluss des privatrechtlichen Einzelvertrags sei die vorgelagerte dem hoheitlichen Bereich zuzuordnende Ausschreibung einer Stelle bzw. hier deren Widerruf zu unterscheiden. Die gegenständlichen Schreiben griffen auch in die subjektiven Rechte des Revisionswerbers ein, weil dessen Anspruch aus der Reihung zunichte gemacht werde. In den Richtlinien für die Auswahl und Invertragnahme der Ärzte sei zwar der Widerruf einer Ausschreibung vorgesehen, die Kriterien seien aber nicht näher definiert; die betreffenden Schreiben seien schon deshalb als Bescheid zu qualifizieren, um eine rechtsstaatliche Kontrolle zu ermöglichen. Auch habe über die Ausschreibungen und den Widerruf ein im Gesetz nicht vorgesehener „Invertragnahmeausschuss“ entschieden; die Angelegenheiten fielen jedoch auf Grund ihres hoheitlichen Charakters in die ausschließliche Kompetenz des Vorstands des Krankenversicherungsträgers.

8.2. Wie bereits eingehend erörtert wurde, sind die im Blick stehenden - nicht als Bescheid bezeichneten - Schreiben nach ihrer formalen und inhaltlichen Beschaffenheit nicht als normative Entscheidungen im Sinn einer rechtsverbindlichen Gestaltung oder Feststellung zu erachten und schon deshalb nicht als Bescheide zu qualifizieren. Darüber hinaus wären Streitigkeiten um die Kassenarztauswahl und Kassenarztzulassung vor den ordentlichen Gerichten im Zivilrechtsweg auszutragen (). Auf die weiteren vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfragen braucht nicht (mehr) eingegangen zu werden.

9.1. Der Revisionswerber führt aus, die von ihm (ohne anwaltliche Vertretung) an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete Beschwerde wäre richtiger Weise in die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichts gefallen (Art. 131 Abs. 1 B-VG).

9.2. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die Beschwerden gegen die (behaupteten) „Bescheide“ - soweit sie der belangten Behörde zuzurechnen sind - bereits aus § 414 ASVG ergibt. Dahingestellt bleiben kann, ob die Zuständigkeit auch im Wege des Art. 131 Abs. 2 B-VG ableitbar wäre (vgl. näher ).

10. Insgesamt vermochte der Revisionswerber daher keine Rechtsfragen aufzuzeigen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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Norm
VwGG §30 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017080096.L00
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WAAAF-49183