VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0067
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | VwGG §31 Abs1 Z4; |
RS 1 | Der Befangenheitsgrund des § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG liegt vor, wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung des Richters gefolgert werden kann (vgl. zu § 31 Abs. 1 Z 5 VwGG in der bis zum geltenden Fassung etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2013/03/0088, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/01/0013 B RS 2 |
Normen | VwGG §31 Abs1; VwGG §31 Abs2; |
RS 2 | Wenn der Antragsteller den abgelehnten Richter einer strafgesetzwidrigen Handlung bzw. des Amtsmissbrauches bezichtigt, handelt es sich dabei um eine nicht weiter substantiierte pauschale Verdächtigung, mit der die Dartuung einer Befangenheit im Grund des § 31 Abs. 2 VwGG nicht gelingen kann (Hinweis B vom , 2004/03/0017). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/05/0053 B RS 3
(hier Bezichtigung auch der Verleumdung) |
Normen | |
RS 3 | Auch wenn der Antragsteller Strafanzeige gegen den Richter erhoben hat, bildet dies - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände - keinen Anlass, die Befangenheit des Richters anzunehmen, hätte es doch sonst jede Partei in der Hand, sich durch eine Einbringung derartiger Rechtsbehelfe dem gesetzlichen Richter zu entziehen (vgl. zB. das zu § 7 Abs. 1 Z 4 AVG ergangene, jedoch auch hinsichtlich der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG heranziehbare E vom , 2006/02/0122, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/05/0053 B RS 4 |
Normen | |
RS 1 | Bei der Beurteilung, ob ein Wideruf einer zuerkannten Leistung nach § 24 Abs. 2 AlVG zulässig ist und ob eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen iSd § 25 Abs. 6 AlVG durchgesetzt werden kann, ist nach dem im Verwaltungsverfahren geltenden allgemeinen Grundsatz das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ( 898/75, VwSlg 9315 A/1977). Die inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufes des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG wäre hingegen - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung - nach der Rechtslage zu prüfen, die im Zeitraum der Gewährung der Leistung gegolten hat ( ua). |
Normen | |
RS 2 | Nach § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2017 ist ein Widerruf nur zulässig und besteht eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen nur dann, wenn der Widerruf bzw. die Rückzahlungsverpflichtung mit erstinstanzlich erlassenem Bescheid innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum ausgesprochen wird. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines Rückforderungsgrundes durch das AMS kommt es nicht an (vgl. Julcher in Pfeil, AlVG-Komm § 24 AlVG Rz 12 und § 25 AlVG Rz 46). |
Normen | |
RS 3 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2017/08/0069
Ra 2017/08/0068
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Anträge des S S in L, auf Ablehnung des Hofrates des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Strohmayer in den Verfahren Ra 2017/08/0067 bis 0069, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag wird nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit Schriftsätzen vom legte der Antragsteller im Wesentlichen dar, dass die Entscheidungen des Hofrates Dr. Peter Strohmayer vom (zu Ra 2017/08/0067) und vom (zu Ra 2017/08/0068 und 0069, alle betreffend Abweisung von Anträgen auf Verfahrenshilfe in Angelegenheit der Zuerkennung, des Widerrufs und der Rückforderung von Arbeitslosengeld) rechtswidrig seien.
2 Der Antragsteller stellte jeweils einen Ablehnungsantrag "(für den Fall, dass Hr. Dr. Peter Strohmayer als zuständiger Richter für dieses Verfahrenshilfeverfahren ausgewählt wird) ... für dieses Verfahrenshilfeverfahren und das weitere Verfahren ab, weil sich dieser Richter zu meinen letzten Verfahrenshilfeanträgen vom in derselben Sache mit seinen mutwillig rechtswidrigen Ablehnungsbeschlüssen meiner Verfahrenshilfeanträge wahrscheinlich mehrerer Straftaten schuldig gemacht hat.
Der VwGH Richter Hr. Dr. Strohmayer hat damit seine Voreingenommenheit und Willkür in den Beschlüssen Ra 2017/08/0067- 2, Ra 2017/08/0068-2 und Ra 2017/08/0069-2, offenkundig und öffentlich gemacht und hat sich dadurch wahrscheinlich konkret der Verleumdung (§ 297 StGB) durch seine unbegründete öffentliche Behauptung von angeblich erwiesenen Straftaten (Verschweigen maßgeblicher Tatsachen) meinerseits, die jedoch bisher nicht einmal angezeigt oder angeklagt wurden, und des wissentlichen Amtsmissbrauches durch wissentliche Unterlassung der amtswegig zu berücksichtigenden Verjährungsfrist gemäß § 24 Abs. 2 3. Satz AlVG schuldig gemacht.
Die von einer in der Sache wahrgenommenen Rechtsberatung eingeleiteten Strafverfahren gegen Hrn. Dr. Strohmayer sind nach meinem Wissensstand derzeit anhängig."
3 Gemäß § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG haben sich die Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten, wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, in ihre volle Unbefangenheit Zweifel zu setzen.
4 Aus den in § 31 Abs. 1 VwGG angeführten Gründen können die Mitglieder des Gerichtshofes und Schriftführer gemäß § 31 Abs. 2 VwGG auch von den Parteien abgelehnt werden. Stützt sich die Ablehnung auf § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG, so hat die Partei die hiefür maßgebenden Gründe glaubhaft zu machen.
5 Das Wesen der Befangenheit besteht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive. Der Befangenheitsgrund des § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG liegt vor, wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung des Richters gefolgert werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/05/0053, mwN).
6 Es ist Sache des Ablehnenden, Gründe geltend zu machen, die auf die Möglichkeit des Vorhandenseins solcher unsachlichen psychologischen Motive hindeuten. Nach ständiger Rechtsprechung vermag der Umstand, dass eine Partei eine Entscheidung in materiell-rechtlicher oder verfahrensrechtlicher Hinsicht für unzutreffend erachtet, sofern nicht damit im Zusammenhang konkrete Umstände glaubhaft gemacht werden, die auf den Mangel einer objektiven Einstellung des Richters hindeuten, keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit zu bieten (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom , mwN).
7 Der Antragsteller macht zwar die Unrichtigkeit der Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom und geltend, er bringt aber keine konkreten Umstände vor, die auf den Mangel einer objektiven Einstellung des abgelehnten Richters gegenüber dem Antragsteller hindeuten könnten. Wenn der Antragsteller den abgelehnten Richter einer strafgesetzwidrigen Handlung bzw. der Verleumdung und des Amtsmissbrauches bezichtigt, handelt es sich dabei um eine nicht weiter substantiierte pauschale Verdächtigung, mit der die Dartuung einer Befangenheit im Grund des § 31 Abs. 2 VwGG ebenfalls nicht gelingen kann (vgl. erneut den zitierten hg. Beschluss vom , mwN). Auch wenn der Antragsteller Strafanzeige gegen den Richter erhoben hat, bildet dies - ohne Hinzutreten weiterer begründeter Umstände -
keinen Anlass, die Befangenheit des Richters anzunehmen, hätte es doch sonst jede Partei in der Hand, sich durch eine Einbringung derartiger Rechtsbehelfe dem gesetzlichen Richter zu entziehen (vgl. z.B. das zu § 7 Abs. 1 Z 4 AVG ergangene, jedoch auch hinsichtlich der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 31 Abs. 1 Z 4 VwGG heranziehbare hg. Erkenntnis vom , 2006/02/0122, mwN).
8 Dem Ablehnungsantrag war demnach gemäß § 31 Abs. 2 VwGG nicht stattzugeben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2017/08/0068 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des S S in L, vertreten durch Mag. Andrea Willmitzer, Rechtsanwältin in 2544 Leobersdorf, Aredstraße 13/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichte s vom , Zl. G305 2146114-2/13E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leoben), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Bezug des Arbeitslosengeldes durch den Revisionswerber gemäß § 24 Abs. 2 AlVG für den Zeitraum vom 1. Oktober bis widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt werde. Der Revisionswerber werde gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung des im angeführten Zeitraum unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes von EUR 1.250,04 verpflichtet.
2 Der Revisionswerber habe am bei der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leoben (im Folgenden: AMS) die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt. Im bundeseinheitlichen Antragsformular habe er im Antwortfeld bei Frage 10 "Ich befinde mich in Ausbildung (Schule, Hochschule, Fachschule, Kurs, Lehrgang, Praktikum usw.)" die Antwortoption "nein" angekreuzt. Vom 2. August bis habe der Revisionswerber Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 28,41 pro Tag bezogen.
3 Vom bis laufend (einschließlich Wintersemester 2016/2017) sei der Revisionswerber als ordentlicher Studierender zum Studium "Rohstoffingenieurwesen" an der Montanuniversität Leoben zugelassen gewesen. Er habe sich in diesem Zeitraum nie vom Studium abgemeldet und sei durchgehend inskribiert gewesen. Er habe den Beitrag für die österreichische Hochschülerschaft stets fristgerecht gezahlt. Es seien keine Umstände hervorgekommen, die nahe legen würden, dass er aus den im § 66 Abs. 1b UG (in seiner mit in Kraft getretenen Fassung BGBl. I Nr. 52) bzw. § 68 UG 2002 genannten Gründen die Zulassung als ordentlicher Studierender der Montanuniversität Leoben verloren hätte. Der Revisionswerber habe dem AMS das aufgenommene Hochschulstudium nie gemeldet.
4 Er habe am beim AMS neuerlich die Zuerkennung von Arbeitslosengeld beantragt und im Antragsformular die Frage 10 wiederum verneint (Sache des hg. Verfahrens Ra 2017/08/0068).
5 Auf Grund der jeweiligen Antragstellungen habe ihm das AMS vom 2. August bis Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 28,41 täglich, darin enthalten auch der hier gegenständliche Betrag für den Zeitraum 1. Oktober bis von EUR 1.250,04, und vom bis (das im hg. Verfahren Ra 2017/08/0068 gegenständliche) Arbeitslosengeld in Höhe von EUR 28,41 täglich, sohin insgesamt EUR 1.022,76 gewährt.
6 Nachdem das AMS im Zuge einer weiteren Antragstellung vom von dem am aufgenommenen Studium des Revisionswerbers erfahren hätte, habe es mit (verfahrensgegenständlichem) Bescheid vom den Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. Oktober bis widerrufen und ausgesprochen, dass der Revisionswerber zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 1.250,04 verpflichtet sei. Mit einem weiteren Bescheid vom (verfahrensgegenständlich zu Ra 2017/08/0068) habe das AMS den Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 11. Juli bis widerrufen und ausgesprochen, dass der Revisionswerber zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 1.022,76 verpflichtet sei. (Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass die beiden erstinstanzlichen Bescheide vom dem Revisionswerber am im Wege des elektronischen AMS-Systems zugestellt worden sind).
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, es könne nicht festgestellt werden, dass einer der in § 68 Abs. 1 UG 2002 genannten Erlöschenstatbestände verwirklicht worden wäre. Der Revisionswerber habe auch keinen Erlöschenstatbestand iSd § 68 Abs. 1 UG 2002 behauptet. § 68 Abs. 3 UG 2002 bestimme, dass das Erlöschen der Zulassung zum Studium zu beurkunden sei. Im Fall des § 68 Abs. 1 Z 4 habe das Rektorat auf Antrag einen Feststellungsbescheid zu erlassen. Aus keinem der vorgelegten Studienblätter ergebe sich eine Beurkundung eines allfälligen Erlöschens der Zulassung zum Hochschulstudium. Der Revisionswerber habe auch nie behauptet, dass eine derartige Beurkundung vorgenommen worden wäre. Mit dem nicht fristgerechten Absolvieren der für die Studieneingangs- und Orientierungsphase vorgesehenen Prüfungen sei weder ein Erlöschenstatbestand iSd § 68 Abs. 1 UG 2002 noch der im § 66 Abs. 1b UG 2002 idF BGBl. I Nr. 52/2013 neu eingeführte Erlöschenstatbestand verwirklicht. Nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle erlösche die Zulassung zum Hochschulstudium, wenn der Studierende bei einer für ihn im Rahmen der Studieneingangs- und Orientierungsphase vorgeschriebenen Prüfung auch bei der letzten Wiederholung negativ beurteilt werde. Dass der Revisionswerber bei einer der für die Studieneingangs- und Orientierungsphase vorgeschriebenen Prüfungen bei der letzten Wiederholung negativ beurteilt worden wäre, sei von ihm weder behauptet worden noch seien im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte dafür hervorgekommen.
8 Dem im § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannten Personenkreis gebühre grundsätzlich kein Arbeitslosengeld. Arbeitslosigkeit werde schon durch die Zulassung als ordentlicher Hörer bzw. ordentlicher Studierender an einer Universität ausgeschlossen. Es komme nicht darauf an, in welchem Umfang das Studium betrieben werde. Es sei weiter zu prüfen, ob eine Ausnahme von der Arbeitslosigkeit iSd § 12 Abs. 4 AlVG vorliege. Der Revisionswerber habe am erstmals Arbeitslosengeld beantragt. Am habe er sein Studium aufgenommen. Am sei er daher noch nicht in einer Ausbildung gestanden. Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei er 21 Jahre alt gewesen. Da diese erste Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung vor der Aufnahme des Hochschulstudiums erfolgt sei, sei die "Jugendanwartschaft" heranzuziehen. Gemäß § 14 Abs. 1 zweiter Satz AlVG sei die Anwartschaft auch dann erfüllt, wenn die arbeitslose Person, die vor Vollendung ihres 25. Lebensjahres Arbeitslosengeld beantrage, in den 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruchs (Rahmenfrist) im Inland insgesamt 26 Wochen (182 Tage) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Vom bis sei der Revisionswerber insgesamt 289 Tage vollversicherungspflichtig bei F. tätig gewesen, weshalb hier zum Zeitpunkt der ersten Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung die "Jugendanwartschaft" erfüllt sei.
9 Am und am habe der Revisionswerber weitere Male die Zuerkennung von (hier nicht verfahrensgegenständlichem) Arbeitslosengeld beantragt. Da er während der - neuerlichen - Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung zum Hochschulstudium an der Montanuniversität Leoben als ordentlicher Studierender zugelassen gewesen sei, gelte er nicht als arbeitslos iSd § 12 Abs. 3 lit. f AlVG. Im hier gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz ("große Anwartschaft") iVm § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG zur Anwendung gelangenden Zeitraum von 24 Monaten vor der (ersten) Inanspruchnahme der Arbeitslosenversicherung () weise der Revisionswerber insgesamt 320 Tage anstelle der vom Gesetz geforderten 364 Tage an arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungszeiten auf. Der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG für das Studium des Revisionswerbers ab dem sei nicht anzuwenden. Der Revisionswerber erfülle die Voraussetzungen der "großen Anwartschaft" ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten nicht. Die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes sei daher gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen bzw. rückwirkend zu berichtigen.
10 Die Verneinung der Frage nach der Absolvierung einer Ausbildung in den Antragsbögen bzw. die Unterlassung der Meldung des Hochschulstudiums rechtfertige die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen gemäß § 25 Abs. 1 AlVG.
11 Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
12 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom , E 2018/2017-19, E 1475/2018-8, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
13 Der Revisionswerber brachte daraufhin die vorliegende Revision ein. Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
16 Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, sind gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
18 Der Revisionswerber erblickt entgegen dem Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (insbesondere unter Verweis auf § 25 Abs. 6 AlVG idF BGBl. I Nr. 38/2017) darin, dass "der Widerruf und die Verpflichtung zur Rückzahlung nur innerhalb von drei Jahren ab dem Leistungszeitraum erfolgen" können. Die neue Rechtslage sei anzuwenden. Das angefochtene Erkenntnis sei nicht in der mündlichen Verhandlung vom verkündet worden. Es datiere vom und sei dem Revisionswerber nach dem zugestellt worden. Der Leistungszeitraum 1. Oktober bis liege mehr als drei Jahre vor der Bescheiderlassung am ().
19 Die Revision ist zulässig, weil der vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Widerruf mit § 24 Abs. 2 AlVG und § 25 Abs. 6 AlVG idF des SVÄG 2017, BGBl. I Nr. 38, nicht im Einklang steht.
20 § 24 Abs. 2 AlVG in der Fassung des SVÄG 2017 lautet:
"(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. Der Widerruf oder die Berichtigung ist nach Ablauf von drei Jahren nach dem jeweiligen Anspruchs- oder Leistungszeitraum nicht mehr zulässig. Wird die Berichtigung vom Leistungsempfänger beantragt, ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise."
21 § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung des SVÄG 2017 lautet:
"(6) Eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen einschließlich der Aberkennung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß Abs. 2 besteht nur, wenn eine solche innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum verfügt wird. Eine Verfügung zur Nachzahlung ist nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre zurück liegen. Wird eine Nachzahlung beantragt, so ist eine solche nur für Zeiträume zulässig, die nicht länger als drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegen. Die Frist von drei Jahren nach dem Anspruchs- oder Leistungszeitraum verlängert sich, wenn die zur Beurteilung des Leistungsanspruches erforderlichen Nachweise nicht vor Ablauf von drei Jahren vorgelegt werden (können), bis längstens drei Monate nach dem Vorliegen der Nachweise."
22 Gemäß § 79 Abs. 159 AlVG sind § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2017 mit in Kraft getreten und gelten, soweit Anträge auf Berichtigung oder Nachzahlung betroffen sind, für nach Ablauf des gestellte Anträge; auf vor dem gestellte Anträge sind § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 weiterhin in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2017 anzuwenden.
23 Das in Revision gezogene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wurde nicht mündlich verkündet, sondern schriftlich erlassen. Die Erkenntniswirkungen sind erst mit der Zustellung (Ausfolgung) der Erledigung nach dem eingetreten (Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG, Rz 86 zu § 29 VwGVG). Der Entscheidungszeitpunkt liegt sohin nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der genannten Novelle.
24 Bei der Beurteilung, ob ein Wideruf einer zuerkannten Leistung nach § 24 Abs. 2 AlVG zulässig ist und ob eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen iSd § 25 Abs. 6 AlVG durchgesetzt werden kann, ist nach dem im Verwaltungsverfahren geltenden allgemeinen Grundsatz das im Entscheidungszeitpunkt in Geltung stehende Recht anzuwenden ( 898/75, VwSlg. 9315 A/1977). Die inhaltliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufes des Arbeitslosengeldes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG wäre hingegen - entsprechend der grundsätzlichen Zeitraumbezogenheit von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung - nach der Rechtslage zu prüfen, die im Zeitraum der Gewährung der Leistung gegolten hat ( ua).
25 Nach § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2017 ist ein Widerruf nur zulässig und besteht eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen nur dann, wenn der Widerruf bzw. die Rückzahlungsverpflichtung mit erstinstanzlich erlassenem Bescheid innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum ausgesprochen wird. Auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme eines Rückforderungsgrundes durch das AMS kommt es nicht an (vgl. Julcher in Pfeil, AlVG-Komm § 24 AlVG Rz 12 und § 25 AlVG Rz 46).
26 Als Leistungszeitraum iSd § 24 Abs. 2 und § 25 Abs. 6 AlVG ist der (Kalender-)Monat (bzw. der Teil eines Monats) zu verstehen, für den ein Anspruch auf Leistung besteht bzw. für den eine solche bezogen wird (vgl. ). Die letzten vor den Verfügungen von Widerruf und Rückforderung liegenden Leistungszeiträume erstreckten sich vom 1. bis (Ra 2017/08/0067) bzw. vom 1. bis (Ra 2017/08/0068). Die erstinstanzlichen Widerrufs- und Rückforderungsbescheide ergingen an den Revisionswerber am , sohin mehr als drei Jahre nach dem Ende der genannten Leistungszeiträume. § 24 Abs. 2 AlVG und § 25 Abs. 6 AlVG stehen somit einem Widerruf und einer Rückforderung für die genannten und für alle früheren Leistungszeiträume entgegen.
27 Gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
28 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013. Der durch Verordnung pauschaliert festgesetzte Schriftsatzaufwand deckt die anfallende Umsatzsteuer, sodass das auf deren Ersatz gerichtete Begehren abzuweisen war. Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017080067.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAF-49175