VwGH 10.07.2017, Ra 2017/08/0058
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Nichtstattgebung - Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG - Das angefochtene Erkenntnis, mit dem gegenüber der revisionswerbenden Partei die Pflichtversicherung einer bestimmten Person gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG festgestellt wurde, ist insofern einem Vollzug iS des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich, als auf ihm aufbauend Geldleistungen vorgeschrieben werden können (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/08/0045, mwN). |
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RS 2 | Nichtstattgebung - Pflichtversicherung nach ASVG und AlVG - Selbst eine beengte finanzielle Situation der revisionswerbenden Partei kann nicht zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führen, wenn gegengerichtete Interessen der belangten Behörde zu berücksichtigen sind und eine Abwägung dieser Interessen zulasten der revisionswerbenden Partei ausschlägt. Ein solches gegengerichtetes Interesse liegt hier vor: Es liegt im Interesse des Sozialversicherungsträgers (und damit im öffentlichen Interesse), die ihm aufgetragene Einhebung der Sozialversicherungsbeiträge (die ihrerseits wieder zu einem klaglosen Funktionieren des Systems der sozialen Sicherheit benötigt werden) - so gut es geht - baldmöglichst zumindest sicherzustellen. Würde die aufschiebende Wirkung in solchen Angelegenheiten bei schlechter Einkommens- und Vermögenslage der Partei stets gewährt, so bliebe das Vollzugsinteresse dabei vollkommen außer Ansatz und der Sozialversicherungsträger hätte keine Möglichkeit, zumindest den Versuch einer Sicherstellung seiner Forderung (z.B. durch zwangsweise Pfandrechtsbegründungen) zu unternehmen. Das Vollzugsinteresse des Versicherungsträgers überwiegt jedenfalls dann, wenn das angefochtene Erkenntnis nicht offenkundig rechtswidrig ist (was hier nicht gegeben ist) und seine vorläufige Vollstreckung nicht bei der antragstellenden Partei zu unwiederbringlichen Vermögensnachteilen führt, wie dies etwa im Falle der exekutiven Betreibung einer Versteigerung von Vermögensgegenständen und dem damit verbundenen - nicht wieder auszugleichenden - Wertverlust der Fall wäre. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der C GmbH, vertreten durch die Denk Kaufmann Fuhrmann Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Teinfaltstraße 4/8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I401 2004234- 11/4E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Gebietskrankenkasse; mitbeteiligte Parteien:
1. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Hauptstelle in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65), den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag der revisionswerbenden Partei die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für die revisionswerbenden Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Das angefochtene Erkenntnis, mit dem gegenüber der revisionswerbenden Partei die Pflichtversicherung des Günter S. gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG festgestellt wurde, ist insofern einem Vollzug iS des § 30 Abs. 2 VwGG zugänglich, als auf ihm aufbauend Geldleistungen vorgeschrieben werden können (vgl. den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2007/08/0045, mwN).
Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung durchführen zu können, ist es erforderlich, dass die revisionswerbende Partei schon in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihr behauptete Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.
Der Vollzug des Bescheides an sich ist noch kein Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG, sofern dadurch nicht der Rechtschutz der Partei dauernd wesentlich beeinträchtigt wird. Ein bloßer Vermögensnachteil, der im Falle des Obsiegens vor dem Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen wieder ausgeglichen werden kann, muss daher für sich allein genommen noch kein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG sein, sofern nicht besondere Umstände hinzutreten (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10381/A).
Die revisionswerbende Partei macht geltend, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden sei, weil eine Fälligkeit von "insgesamt strittigen" Beiträgen iHv zumindest EUR 186.881,96 in ihrer derzeitigen Situation zur Zahlungsunfähigkeit führen würde. Die Liquidität werde sich aber auf Grund der Aufträge für 2018 günstig entwickeln. Darüber hinaus wäre ihr es verwehrt, sich weiter an öffentlichen Vergabeverfahren zu beteiligen.
Die belangte Behörde verweist in ihrer Stellungnahme darauf, dass im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Einbringlichkeit ihrer Beitragsforderungen gefährdet sei.
Selbst eine beengte finanzielle Situation der revisionswerbenden Partei kann nicht zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung führen, wenn gegengerichtete Interessen der belangten Behörde zu berücksichtigen sind und eine Abwägung dieser Interessen zulasten der revisionswerbenden Partei ausschlägt.
Ein solches gegengerichtetes Interesse liegt hier vor:
Es liegt im Interesse des Sozialversicherungsträgers (und damit im öffentlichen Interesse), die ihm aufgetragene Einhebung der Sozialversicherungsbeiträge (die ihrerseits wieder zu einem klaglosen Funktionieren des Systems der sozialen Sicherheit benötigt werden) - so gut es geht - baldmöglichst zumindest sicherzustellen. Würde die aufschiebende Wirkung in solchen Angelegenheiten bei schlechter Einkommens- und Vermögenslage der Partei stets gewährt, so bliebe das Vollzugsinteresse dabei vollkommen außer Ansatz und der Sozialversicherungsträger hätte keine Möglichkeit, zumindest den Versuch einer Sicherstellung seiner Forderung (z.B. durch zwangsweise Pfandrechtsbegründungen) zu unternehmen.
Das Vollzugsinteresse des Versicherungsträgers überwiegt jedenfalls dann, wenn das angefochtene Erkenntnis nicht offenkundig rechtswidrig ist (was hier nicht gegeben ist) und seine vorläufige Vollstreckung nicht bei der antragstellenden Partei zu unwiederbringlichen Vermögensnachteilen führt, wie dies etwa im Falle der exekutiven Betreibung einer Versteigerung von Vermögensgegenständen und dem damit verbundenen - nicht wieder auszugleichenden - Wertverlust der Fall wäre. Dass ein derartiger Wertverlust aber unmittelbar drohen würde, wurde nicht behauptet. Für den Fall einer diesbezüglichen Änderung der Sachlage könnte überdies ein neuer Antrag gestellt werden. Bei Abwägung aller berührten Interessen liegt demnach noch kein unverhältnismäßiger Nachteil vor, sodass der Antrag abzuweisen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017080058.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-49170