VwGH 14.03.2017, Ra 2017/06/0005
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Der Nachbar hat die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, hinzunehmen; die von Abstellflächen, die Pflichtstellplätze sind, typischerweise ausgehenden Immissionen sind grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen (vgl. , mwN). Solche besonderen Umstände liegen etwa vor, wenn Stellplätze - wie im Revisionsfall - in einer Tiefgarage geplant sind, welche mit besonderen Lüftungs- und Schallverhältnissen verbunden ist (vgl. , mwN). |
Normen | |
RS 2 | Dem Revisionswerber ist nach der mündlichen Verhandlung vor dem VwG eine Frist einzuräumen, um den in der Verhandlung mündlich ausgeführten Gutachten, das ihm vor der mündlichen Verhandlung nicht übermittelt wurde, auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten zu können (Hinweis E vom , 2013/04/0153, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/06/0009 E RS 2 |
Normen | AVG §52 BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z4 |
RS 3 | Einem bautechnischen Sachverständigen kann nicht die Kompetenz abgesprochen werden, eine bauliche Anlage auch brandtechnisch zu beurteilen (vgl. ). |
Normen | |
RS 4 | Die mangelnde Fachkunde eines Sachverständigen kann mit Erfolg nur durch ein konkretes Vorbringen geltend gemacht werden, wonach das von dem Sachverständigen erstattete Gutachten unrichtig oder unvollständig ist (). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/03/0016 B RS 10 |
Normen | BauG Stmk 1995 §26 Abs1 BauRallg |
RS 5 | § 26 Abs. 1 Stmk BauG 1995 räumt dem Nachbarn hinsichtlich der Frage, ob die erteilte Baubewilligung einen Verstoß gegen das Ortsbildkonzept darstelle, kein Nachbarrecht ein (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. des Ing. R,
2. der M, beide vertreten durch die Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , Zl. LVwG 50.21-342/2016-31, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz; mitbeteiligte Partei: N GmbH, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Der vorliegende Antrag wird damit begründet, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine öffentlichen Interessen entgegenstünden. Würde die angefochtene, mit dem Immissionsschutz und dem Flächenwidmungsplan im Widerspruch stehende Bauführung und Nutzung einsetzen, würden die Revisionswerber durch die dadurch ausgelösten Immissionen einer Gesundheitsbeeinträchtigung ausgesetzt werden. Die Verwirklichung dieses Risikos würde einen nicht wieder gut zu machenden Schaden bedeuten.
2 Die mitbeteiligte Partei sprach sich in einem Schriftsatz vom gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus.
3 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
4 Zu beachten ist zunächst, dass es im Provisorialverfahren betreffend die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht um die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses geht, sondern einzig und allein um die Auswirkungen eines (möglichen) sofortigen Vollzuges dieses Erkenntnisses (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2016/06/0016).
5 Die bloße Ausübung der mit einer Bewilligung eingeräumten Berechtigung während des Revisionsverfahrens kann für sich allein nicht als unverhältnismäßiger Nachteil angesehen werden, während das Interesse eines Bauwerbers an der baldigen Umsetzung seines Bauvorhabens auf der Hand liegt. Im Fall des Obsiegens des Nachbarn als Revisionswerber hat allein der Bauwerber die Folgen einer dann allenfalls eingetretenen Konsenslosigkeit des ausgeführten Baues und die damit verbundenen finanziellen Nachteile zu tragen und wäre die Behörde von Amts wegen verpflichtet, für die Beseitigung eines dann konsenslosen Baues zu sorgen (vgl. den hg. Beschluss vom , Ra 2015/05/0048, mwN).
6 Bei der gemäß § 30 Abs. 2 VwGG gebotenen Interessenabwägung ist im Übrigen allgemein davon auszugehen, dass die aufschiebende Wirkung ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element ist. Die Rechtsschutzfunktion des Verwaltungsgerichtshofes soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Revisionsverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden. Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zugunsten der revisionswerbenden Partei aus, wenn der ihr durch den Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Revision nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte (vgl. auch dazu den zitierten hg. Beschluss vom ).
7 Während grundsätzlich, wie bereits dargestellt, die Interessen des Bauwerbers an der Umsetzung der Baubewilligung auf der Hand liegen, haben die Revisionswerber nicht substantiiert dargelegt, dass bzw. weshalb die Bauführung irreversible Veränderungen mit sich brächte. Insofern ist nicht ersichtlich, weshalb der durch die Ausübung der Berechtigung zu erwartende Nachteil unverhältnismäßig sein sollte (vgl. nochmals den zitierten hg. Beschluss vom ).
8 Dem Antrag musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kovacs, über die Revision 1. des Ing. R R und 2. der M R, beide in L und vertreten durch die Stenitzer & Stenitzer Rechtsanwälte OG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 32-34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom , LVwG 50.21-342/2016-31, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde Leibnitz; mitbeteiligte Partei: N GmbH in W, vertreten durch die Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerber haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde L. vom wurde der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung von zwei Wohngebäuden mit 24 Wohneinheiten und einer Ordination, einer Tiefgarage mit 39 PKW-Abstellflächen, einer PKW-Abstellfläche im Freien sowie einer geringfügigen Geländeveränderung auf einem näher bezeichneten Grundstück in der KG L. erteilt. Die Einwendungen der revisionswerbenden Parteien, die Eigentümer des unmittelbar an das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben angrenzenden Grundstückes sind, wurden als unbegründet abgewiesen. Die (u.a.) von den revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde L. vom als unbegründet abgewiesen.
Die dagegen (u.a.) von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark (LVwG) mit einer Maßgabe hinsichtlich Projektänderungen und Konkretisierungen als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Soweit die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung in Frage stellt, ob die Nachbarn die durch 40 Abstellplätze hinzukommenden Immissionen hinzunehmen hätten, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt hat, dass der Nachbar die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, hinzunehmen hat; die von Abstellflächen, die Pflichtstellplätze sind, typischerweise ausgehenden Immissionen sind grundsätzlich als im Rahmen der Widmung Wohngebiet zulässig anzusehen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine andere Beurteilung geboten erscheinen lassen (vgl. , mwN). Solche besonderen Umstände liegen etwa vor, wenn Stellplätze - wie im Revisionsfall - in einer Tiefgarage geplant sind, welche mit besonderen Lüftungs- und Schallverhältnissen verbunden ist (vgl. , mwN). Das LVwG kam unter Berufung auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren und die Gutachten der beigezogenen Amtssachverständigen zu dem Ergebnis, dass die bereits vorherrschende Belastungssituation durch Verwirklichung des revisionsgegenständlichen Bauvorhabens keine relevanten zusätzlichen unzumutbaren bzw. dem Gebietscharakter widersprechenden Belästigungen oder Gesundheitsbeeinträchtigungen bei der revisionswerbenden Nachbarschaft verursachen würde. Da die Revision keine Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten der eingeholten Gutachten aufzuzeigen und diesen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten vermochte, wird mit den Zulässigkeitsausführungen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
6 Wenn die revisionswerbenden Parteien in diesem Zusammenhang darüber hinaus zwar zu Recht eine Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen, weil ihrem Antrag, ihnen nach der mündlichen Verhandlung vor dem LVwG eine Frist einzuräumen, um den in der Verhandlung mündlich ausgeführten Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten zu können, nicht stattgegeben wurde (vgl. diesbezüglich wiederum , mwN), ist darauf hinzuweisen, dass bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln von den revisionswerbenden Parteien in den Zulässigkeitsgründen auch die Relevanz des Verfahrensmangels dargetan werden muss. Das heißt, dass der behauptete Verfahrensmangel geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für die revisionswerbenden Parteien günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa , mwN). Da die Revision - wie bereits ausgeführt - keine Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten der eingeholten Gutachten aufzuzeigen und diesen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten vermochte, wurde die Relevanz des Verfahrensfehlers nicht dargelegt, weshalb mit dem Vorbringen keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt wird.
7 Soweit die revisionswerbenden Parteien vorbringen, ihnen sei der mündliche Vortrag ihres Rechtsmittels verwehrt worden, mangelt es auch diesbezüglich an der erforderlichen Relevanzdarstellung.
8 Wenn die Revision das Unterbleiben von Ermittlungen zur Feststellung des natürlichen Geländes und damit der Einhaltung der Abstände moniert, ist zu entgegnen, dass das LVwG diesem bereits in der mündlichen Verhandlung erstatteten Vorbringen mit den dazu erfolgten Ausführungen des Amtssachverständigen für Bautechnik begegnete, der keine Zweifel an der Richtigkeit des Lage- und Höhenplans und einer vorhandenen Vermessungsurkunde äußerte und zu dem Ergebnis kam, dass das vorliegende Projekt die gesetzlich normierten Abstände einhalte. Eine Unschlüssigkeit dieser Ausführungen des LVwG bzw. des Gutachtens vermochte die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. allgemein zur Beweiswürdigung , mwN).
9 Soweit die Revision weiters die Zulässigkeit der Beurteilung der brandschutzrechtlichen Fragen durch einen Bausachverständigen in Frage stellt, ist auszuführen, dass einem bautechnischen Sachverständigen nicht die Kompetenz abgesprochen werden kann, eine bauliche Anlage auch brandtechnisch zu beurteilen (vgl. ). Zudem kann die mangelnde Fachkunde eines Amtssachverständigen mit Erfolg nur durch ein konkretes Vorbringen geltend gemacht werden, wonach das vom Sachverständigen erstattete Gutachten unrichtig oder unvollständig ist, welches die gegenständliche Revision vermissen lässt (vgl. , mwN).
10 Wenn die Revision zuletzt moniert, dass die erteilte Baubewilligung einen Verstoß gegen das Ortsbildkonzept darstelle, genügt der Hinweis, dass § 26 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz 1995 dem Nachbarn hinsichtlich dieser Frage kein Nachbarrecht einräumt (vgl. , mwN).
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20 14, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | VwGG §30 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017060005.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-49112