VwGH 27.06.2017, Ra 2017/05/0098
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Das LVwG kann zwar einen Flächenwidmungsplan gemäß Art. 135 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 B-VG vor dem VfGH anfechten, es ist jedoch nicht zuständig, über die Rechtmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes zu befinden. Diese Zuständigkeit kommt ausschließlich dem VfGH nach Art. 139 B-VG zu. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/05/0144 B RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Das LVwG ist nicht verpflichtet, im angefochtenen Erkenntnis die Entscheidungsgrundlagen für den VfGH in einem Verordnungsprüfungsverfahren sachverhaltsmäßig aufzubereiten. Darauf besteht auch kein Rechtsanspruch der Revisionswerberin. Eine Verletzung der Revisionswerberin in subjektiven Rechten durch das angefochtene Erkenntnis wegen mangelhafter Ermittlungen und Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des Sachverhaltes in Bezug auf die Erlassung der maßgebenden Flächenwidmungsplanbestimmungen kann daher nicht gegeben sein. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/05/0144 B RS 2 |
Normen | |
RS 3 | Normbedenken gegen generelle Rechtsvorschriften vor dem VwGH können nicht als grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen werden (Hinweis B vom , Ra 2015/06/0009). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2016/05/0144 B RS 3 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
Ra 2017/05/0099
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lorenz, über die Revision der revisionswerbenden Parteien *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-268/001-2016, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:
Gemeindevorstand der Marktgemeinde Hinterbrühl, 2371 Hinterbrühl, Hauptstraße 29a; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde H. (im Folgenden: Gemeindevorstand) vom wurde das Ansuchen der Revisionswerber vom um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienhauses auf einem näher bezeichneten Grundstück im Hinblick auf die Widmung dieses Grundstückes als "Grünland-Grüngürtel" im Flächenwidmungsplan abgewiesen.
2 In der dagegen an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) erhobenen Beschwerde brachten die Revisionswerber (u.a.) vor, dass zwar der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , V 27/07-12, Slg. Nr. 18.304, entschieden habe, dass die Rückwidmung ihrer Liegenschaft von Bauland in Grünland zu Recht erfolgt sei. Mittlerweile hätten sie jedoch festgestellt, dass es nach dieser von ihnen bekämpften Umwidmung eine Mehrzahl von Umwidmungen (näher genannter Liegenschaften) von Grünland in Bauland gegeben habe. Die belangte Behörde habe willkürlich das mitten im Siedlungsgebiet liegende Grundstück der Revisionswerber weiterhin im Grünland belassen, und all dies sei unsachlich und verfassungswidrig. Sie seien daher berechtigt, die Angelegenheit neuerlich an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Ihnen sei natürlich bewusst, dass das Verwaltungsgericht vor einer Aufhebung des sie betreffenden Flächenwidmungsplanes ihrer Beschwerde keine Folge geben könne, es bestehe jedoch für dieses die Möglichkeit, den Verfassungsgerichtshof um Prüfung der Gesetzmäßigkeit der sie betreffenden Widmung zu ersuchen, was angeregt werde. In dieser Beschwerde stellten die Revisionswerber (u.a.) den Antrag, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - (unter Spruchpunkt 1.) die Beschwerde der Revisionswerber als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.
4 Dazu führte das Verwaltungsgericht (u.a.) aus, dass sich die Revisionswerber in ihrer Beschwerde ausschließlich gegen die Festlegung der Widmung "Grünland-Grüngürtel" wendeten, gemäß § 23 Abs. 1 NÖ Bauordnung 2014 die Baubewilligung im Falle des Widerspruches zu der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart zu "untersagen" (gemeint: versagen) sei, dem Grundeigentümer ein Rechtsanspruch auf Abänderung eines Flächenwidmungsplanes nicht zukomme und sich das Verwaltungsgericht nicht veranlasst sehe, den Verfassungsgerichtshof um neuerliche Prüfung der bereits von ihm (im oben genannten Erkenntnis) nicht beanstandeten Widmung zu ersuchen. Da der Sachverhalt hinreichend geklärt sei und die Revisionswerber ausschließlich rechtliche Fragen aufgeworfen hätten, habe im Sinne des § 24 Abs. 4 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden können.
5 Dagegen erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom , E 3220/2016-5, deren Behandlung ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Begründend führte der Verfassungsgerichtshof (u.a.) aus, dass in VfSlg 18.304/2007 (in seinem oben bereits genannten Erkenntnis) die Gesetzmäßigkeit der im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmung "Grünland-Grüngürtel" (des Grundstückes der Revisionswerber) festgestellt worden sei. Die von der Gemeinde H. im Bereich der Raumordnung nach dieser Entscheidung getroffenen, in der Beschwerde aufgezeigten Maßnahmen, nämlich eine geplante und drei realisierte Umwidmungen - nur ein Fall einer Umwidmung sei jedoch konkret vergleichbar - und die Beauftragung eines Raumplaners mit der Erstellung eines Konzeptes für Umwidmungen von Grünland in Bauland, ließen nicht auf das Vorliegen einer maßgeblichen Änderung der Grundlagen schließen, welche ein Gesetzwidrig-Werden dieser Widmung zur Folge haben könnte.
II.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
10 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe, die gesondert darzustellen sind (§ 28 Abs. 3 VwGG), zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa den Beschluss vom , Ra 2016/05/0076, mwN).
11 Die Revisionswerber bringen in der Revision (unter Punkt III.) zur Begründung deren Zulässigkeit im Wesentlichen vor, dass Art. 6 EMRK und auch Art. 47 GRC den Entfall der von ihnen beantragten Verhandlung als unzulässig erscheinen ließen und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in der Entscheidung vom (Nr. 65.631/01, Rechtssache Kugler) hinsichtlich der Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Flächenwidmungsplanes eine mündliche Verhandlung vor dem Verfassungsgerichtshof als unbedingt erforderlich erachtet habe. Durch die Ablehnung der Behandlung ihrer Beschwerde ohne Durchführung einer solchen Verhandlung habe sohin sowohl das Verwaltungsgericht, aber auch der Verfassungsgerichtshof den vom EGMR in solchen Fällen als ein Menschenrecht angesehenen Grundsatz "auf" eine öffentliche Verhandlung missachtet.
12 Einen weiteren grob gesetzwidrigen Eingriff in das Grundrecht der Revisionswerber auf ein faires Verfahren stelle auch das völlige Negieren deren ergänzenden Eingabe an das Verwaltungsgericht vom dar, wodurch dieses die Waffengleichheit zwischen ihnen und der belangten Behörde nicht beachtet habe, weil in jedem fairen Gerichtsverfahren einer Partei jeder Schriftsatz der gegnerischen Partei und alle von dieser vorgelegten Unterlagen zugestellt werden müssten. In dieser Eingabe hätten die Revisionswerber dargelegt, dass sich aus "der Stellungnahme" der belangten Behörde nicht ergeben habe, welche Unterlagen diese dem Verwaltungsgericht vorgelegt habe, sodass sie diesbezügliche Aufklärung bzw. die Übermittlung der entsprechenden Unterlagen verlangt und zusätzlich auch den Antrag gestellt hätten, den Gemeindevorstand aufzufordern, sämtliche Unterlagen über die strittige Widmungserklärung vom und über sämtliche danach erfolgte Umwidmungen von Grünland in Bauland vorzulegen. Wäre der ganze Umfang aller nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2007 vorgenommenen Umwidmungen im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hervorgekommen, wäre der Verfassungsgerichtshof sicherlich zu einer anderen Entscheidung gekommen. Auch unter dem Gesichtspunkt dieses schweren Verstoßes gegen den Grundsatz "auf" ein faires Verfahren durch die völlige Negierung des diesbezüglichen Antrages der Revisionswerber habe auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verzichtet werden können.
13 In ihrer Beschwerde an das Verwaltungsgericht hätten die Revisionswerber weiters ausführlich vorgebracht, dass die Vorgangsweise der Marktgemeinde H. ihnen gegenüber einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums darstelle. Da der Entfall einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 (VwGVG) nur dann zulässig sei, wenn kein Grundrecht verletzt werde, sei der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung unzulässig gewesen.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
15 Das Verwaltungsgericht kann zwar einen Flächenwidmungsplan gemäß Art. 135 Abs. 4 B-VG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof anfechten, es ist jedoch nicht zuständig, über die Rechtmäßigkeit des Flächenwidmungsplanes zu befinden. Diese Zuständigkeit kommt ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof nach Art. 139 B-VG zu. Die Revisionswerber haben den Verfassungsgerichtshof auch gemäß Art. 144 B-VG angerufen. Allenfalls wäre durch den Verfassungsgerichtshof als somit zur Entscheidung berufenes Gericht eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 883/10, Slg. 19.587, und vom , V 32/09).
16 Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, im angefochtenen Erkenntnis die Entscheidungsgrundlagen für den Verfassungsgerichtshof für eine solche Verordnungsprüfung sachverhaltsmäßig aufzubereiten. Darauf besteht auch kein Rechtsanspruch der Revisionswerber. Eine Verletzung der Revisionswerber in subjektiven Rechten durch das angefochtene Erkenntnis wegen mangelhafter Ermittlungen und Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des Sachverhaltes in Bezug auf die Erlassung der maßgebenden Flächenwidmungsplanbestimmungen kann daher nicht gegeben sein (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2016/05/0144).
17 Im Übrigen ist zu bemerken, dass Normbedenken gegen generelle Rechtsvorschriften vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht als grundsätzliche Rechtsfrage aufgeworfen werden können (vgl. dazu nochmals den Beschluss, Ra 2016/05/0144, mwN).
18 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BauRallg; B-VG Art133 Abs4; B-VG Art135 Abs4; B-VG Art139; B-VG Art140; B-VG Art89 Abs2; VwGG §28 Abs3; VwGG §34 Abs1; VwGVG 2014 §24; |
Schlagworte | Planung Widmung BauRallg3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017050098.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-49096