VwGH 09.01.2018, Ra 2017/04/0135
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Bei der Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist die besondere Stellung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen. |
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RS 2 | Angesichts ihrer sich aus Art 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG 2014 dann nicht gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/03/0027 E RS 5 |
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RS 3 | Erschöpft sich die Begründung des Erkenntnisses des VwG in einem Verweis auf ein anderes, dem angefochtenen Erkenntnis bei der Zustellung an den Revisionswerber auch nicht beigeschlossenes Erkenntnis des VwG, so findet sich für einen derartigen Verweis, der an die Stelle einer eigenständigen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tritt, in den vom VwG anzuwendenden Verfahrensbestimmungen des VwGVG 2014 keine Rechtsgrundlage (vgl. demgegenüber § 43 Abs. 2 VwGG, wonach jedes Erkenntnis des VwGH zu begründen ist, es jedoch - soweit die Rechtsfrage bereits durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist - genügt, diese anzuführen). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2015/02/0115 E RS 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Gemeinde Freinberg vertr. durch Bürgermeister AP, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät, in 4020 Linz, Harrachstraße 6, Atrium City Center, der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-850684/54/MS, betreffend Genehmigungsverfahren nach dem Mineralrohstoffgesetz (mitbeteiligte Partei: E GmbH, vertreten durch Hochleitner Rechtsanwälte GmbH, in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den Bestimmungen des Mineralrohstoffgesetzes die Genehmigung eines Gewinnungsbetriebsplanes auf näher bezeichneten Grundstücken erteilt.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Antragstellerin mit dem Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
3 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag der Revision aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für die revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass die antragstellende Partei schon in ihrem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt.
4 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu überprüfen, sondern es ist, zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2013/04/0024, mwN).
1 Ausgehend von den Annahmen der belangten Behörde ist fallbezogen kein unverhältnismäßiger Nachteil zu erkennen, zumal das Verwaltungsgericht gestützt auf mehrere Sachverständigengutachten eine Interessenabwägung vorgenommen hat, die ergeben hat, dass keine unzumutbaren Belästigungen gegen die Genehmigung sprechen würden. Zudem wurde die Gewinnung naturschutzrechtlich mit separatem Bescheid genehmigt, der den betreffenden Einwänden Rechnung zu tragen hätte.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision der Gemeinde F, vertreten durch die Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in 4020 Linz, Harrachstraße 6, Atrium City Center, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-850684/54/MS, betreffend ein Genehmigungsverfahren nach dem Mineralrohstoffgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schärding; mitbeteiligte Partei: E GmbH in A, vertreten durch die Hochleitner Rechtsanwälte GmbH in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1. Mit Eingabe vom beantragte die mitbeteiligte Partei die Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplans für den Neuaufschluss einer Lockergesteinslagerstätte mit Trockenbaggerung sowie die Bewilligung zur Herstellung von näher bezeichneten Bergbauanlagen.
2 Mit Bescheid vom erteilte die belangte Behörde - jeweils unter Vorschreibung von Auflagen - gemäß §§ 116 in Verbindung mit 80 bis 83, 112, 113, 115 und 171 Abs. 1 Mineralrohstoffgesetz (MinroG) die beantragte Genehmigung des Gewinnungsbetriebsplanes sowie gemäß §§ 118, 119 und 171 Abs. 1 MinroG die Bewilligung von Bergbauanlagen.
3 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.
4 Soweit hier relevant, verwies das Verwaltungsgericht zur Frage der von der Revisionswerberin thematisierten UVP-Pflicht des Vorhabens auf ein näher bezeichnetes anderes Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich. Dort sei "festgestellt" worden, dass hinsichtlich des vorliegenden Projekts keine UVP-Pflicht gegeben sei. Die belangte Behörde sei daher zur Entscheidung über den bei ihr eingebrachten Antrag zuständig gewesen. Eine weitere Begründung zu dieser Frage findet sich im angefochtenen Erkenntnis nicht.
5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, in eventu in der Sache selbst zu entscheiden.
6 Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu abzuweisen. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.
4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 4.1. In der Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit unter dem Punkt "Unzuständigkeit" zusammengefasst vorgebracht, dass sich das Verwaltungsgericht mit der Frage der UVP-Pflicht auseinanderzusetzen gehabt hätte. Das Verwaltungsgericht habe in Verkennung der Rechtslage sowie aufgrund eines unvollständig ermittelten Sachverhalts angenommen, dass die belangte Behörde zuständig gewesen sei. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht diese Frage nicht selbst beurteilt, sondern vielmehr lediglich auf eine andere Entscheidung desselben Verwaltungsgerichts verwiesen. Dies sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht zulässig.
8 Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. 9 4.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hat die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts auf dem Boden des § 29 VwGVG mit Blick auf § 17 leg. cit. den Anforderungen zu entsprechen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Nach dieser Rechtsprechung bestehen die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, in der Beweiswürdigung und in der rechtlichen Beurteilung. Lässt eine Entscheidung die Trennung dieser Begründungselemente in einer Weise vermissen, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird, dann führt ein solcher Begründungsmangel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung schon aus diesem Grund. Bei der Anwendung der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist die besondere Stellung der Verwaltungsgerichte zu berücksichtigen. Angesichts ihrer sich aus Art. 130 B-VG ergebenden Zuständigkeit werden die Verwaltungsgerichte ihrer Begründungspflicht nach § 29 VwGVG dann nicht gerecht, wenn sich die ihre Entscheidung tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie die rechtliche Beurteilung in den wesentlichen Punkten nicht aus der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung selbst ergeben (vgl. , und , jeweils mwN).
10 Wie oben dargestellt, verwies das Verwaltungsgericht zum Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die UVP-Pflicht des verfahrensgegenständlichen Vorhabens pauschal auf ein anderes Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich. Dieses verwiesene Erkenntnis ist weder Bestandteil des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Akts noch gibt es einen Hinweis dafür, dass es der Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses beigeschlossen worden wäre.
11 Für einen derartigen Verweis, der an die Stelle einer eigenständigen Begründung des angefochtenen Erkenntnisses tritt, fehlt in den vom Verwaltungsgericht anzuwendenden Verfahrensbestimmungen des VwGVG jegliche Rechtsgrundlage (vgl. , mit dem Hinweis, dass es bloß nach § 43 Abs. 2 VwGG, der die Begründung von Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofs zum Gegenstand hat, unter bestimmten Voraussetzungen genügt, die bisherige Rechtsprechung anzuführen).
12 4.3. Da der Verwaltungsgerichtshof mangels ordnungsgemäßer Begründung des angefochtenen Erkenntnisses gehindert ist, seine Rechtskontrollaufgabe im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG wahrzunehmen, war das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
13 4.4. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.
14 4.5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | MinroG 1999; VwGG §30 Abs2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017040135.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-49081