VwGH 20.12.2017, Ra 2017/04/0129
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | VStG §31; VStG §32 Abs2; VStG §44a Z2; |
RS 1 | Eine - die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende - Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG hat sich auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift zu beziehen. Die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Ob dem Revisionswerber somit im Zusammenhang mit den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen in jedem Punkt richtige Normen vorgehalten worden sind, spielt für die Frage der Verfolgungsverjährung keine Rolle (vgl. etwa , mwN). Sofern von der Verfolgungshandlung alle erforderlichen Sachverhaltselemente erfasst waren, kann die Tat nach einer anderen als der ursprünglich ins Auge gefassten Bestimmung betraft werden (siehe ). Die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafbestimmung kann auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommen werden (siehe ). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das VwG die verletzte Verwaltungsvorschrift gegenüber dem Straferkenntnis abgeändert und dies als für die Wahrung der Verfolgungsverjährungsfrist unerheblich angesehen hat. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des S V in L, vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Droop Lerch Rechtsanwälte GmbH in 6900 Bregenz, Kirchstraße 4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom , LVwG- 1-366/2017-R3, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz (belangte Behörde) vom wurde dem Revisionswerber als Verantwortlicher der J GmbH & Co KG vorgeworfen, näher beschriebene Auflagen (in einem Bescheid der belangten Behörde vom ) betreffend die Absperrung einer Zufahrt nicht eingehalten zu haben, weil polizeiliche Kontrollen zu näher bezeichneten Zeiten ergeben hätten, dass keine Absperrung vorhanden gewesen sei. Dadurch habe der Revisionswerber § 367 Z 25 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) in Verbindung mit der angeführten Auflage verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 600,- verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers insoweit Folge, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 300,- herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der Beschwerde keine Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid mit (u.a.) der Maßgabe bestätigt, dass die übertretene Norm § 368 GewO 1994 (in Verbindung mit dem genannten Bescheid) zu lauten habe. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht hielt fest, der Revisionswerber habe eingestanden, keine Absperrung errichtet zu haben. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, er hätte - "wenn er auf die ganze Breite abgesperrt hätte" - auch den Radweg versperrt, hielt das Verwaltungsgericht entgegen, bei einer "Vor-Ort-Begehung" am sei durch das Amtsorgan G festgestellt worden, dass eine wirksame Absperrung der Betriebszufahrt ohne Gefährdung des Radverkehrs möglich sei. Dies ergebe sich auch aus einem im Akt befindlichen Luftbild. Die Abänderung der rechtlichen Qualifikation außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erachtete das Verwaltungsgericht mit Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei nicht von einer Verfolgungsverjährung ausgegangen, obwohl die belangte Behörde bei der Bezeichnung der verletzten Verwaltungsvorschrift eine Norm zitiert habe (§ 367 Z 25 GewO 1994), die von ihm nicht verletzt worden sei. Bilde die (mit)zitierte Norm einen eigenen Tatbestand, den der Beschuldigte nicht erfüllt habe, werde der Spruch durch das Anführen dieser Norm rechtswidrig.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich eine - die Verfolgungsverjährung nach § 31 VStG unterbrechende - Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG auf eine bestimmte physische Person als Beschuldigten, eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend zu konkretisierenden Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift zu beziehen. Die (korrekte) rechtliche Qualifikation der Tat ist hingegen nicht erforderlich. Ob dem Revisionswerber somit im Zusammenhang mit den ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen in jedem Punkt richtige Normen vorgehalten worden sind, spielt für die Frage der Verfolgungsverjährung keine Rolle (vgl. etwa , mwN). Sofern von der Verfolgungshandlung alle erforderlichen Sachverhaltselemente erfasst waren, kann die Tat nach einer anderen als der ursprünglich ins Auge gefassten Bestimmung betraft werden (siehe ). Die Richtigstellung der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Strafbestimmung kann auch nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommen werden (siehe ).
8 Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die verletzte Verwaltungsvorschrift gegenüber dem Straferkenntnis abgeändert und dies als für die Wahrung der Verfolgungsverjährungsfrist unerheblich angesehen hat.
9 Aus der vom Revisionswerber ins Treffen geführten Aussage im Erkenntnis , wonach es darauf ankomme, ob die - als durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift - mitzitierte Norm einen eigenen Tatbestand bilde, den der Beschuldigte nicht erfüllt habe, lässt sich für ihn nichts gewinnen. Diese Aussage ist nämlich nicht zur Qualifikation einer Amtshandlung als Verfolgungshandlung (und somit zur Frage, ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist) ergangen, sondern zur Frage, ob ein Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG (wonach der Spruch die durch die Tat verletzte Verwaltungsvorschrift enthalten muss) vorliegt. Dass die vom Verwaltungsgericht (anders als noch von der belangten Behörde) im Spruch zitierte Bestimmung des § 368 GewO 1994 von ihm nicht verletzt worden wäre, legt der Revisionswerber aber gar nicht dar.
10 Der Revisionswerber rügt, das Verwaltungsgericht habe sich im Zusammenhang mit seiner Einwendung betreffend die Gefährdung des Radverkehrs durch eine Absperrung der Betriebszufahrt zu wenig konkret mit den bestehenden örtlichen Verhältnissen auseinandergesetzt und sich (allein) auf die Wahrnehmung des Amtsorganes G vom gestützt, ohne selbst einen Ortsaugenschein vorzunehmen. Das Verwaltungsgericht sei somit von (nicht näher zitierter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
11 Soweit damit eine (grundsätzliche Rechtsfragen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfende) Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird, ist darauf zu verweisen, dass die Revision nur dann von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt und damit zulässig ist, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. etwa , mwN). Soweit damit die Beweiswürdigung durch das Verwaltungsgericht in Zweifel gezogen wird, genügt der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG diesfalls nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (siehe , mwN). Eine derartige Unvertretbarkeit vermag der Revisionswerber mit seinem nicht weiter substanziierten Vorbringen aber ebenso wenig aufzuzeigen wie eine Relevanz des von ihm behaupteten Verfahrensfehlers.
12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | VStG §31; VStG §32 Abs2; VStG §44a Z2; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017040129.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAF-49079