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VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0076

VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0076

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Es liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht werden und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (Hinweis E vom , 2008/09/0344, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/04/0133 E RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Dr. K B in K, vertreten durch Mag. Herbert Premur, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pierlstraße 33, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl W170 2158247-1/2E, betreffend eine Ordnungsstrafe in einer Angelegenheit nach dem Sachverständigen- und Dolmetschergesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) über die Revisionswerberin gemäß § 17 VwGVG in Verbindung mit § 34 Abs 2 und 3 AVG eine Ordnungsstrafe von EUR 500,--, weil sich die Revisionswerberin in ihrer Beschwerde an das BVwG vom einer beleidigenden Schreibweise bedient habe. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 In der Begründung seiner Entscheidung gab das BVwG die beanstandeten Textstellen des Beschwerdeschriftsatzes im Einzelnen wieder. In diesen schrieb die Revisionswerberin - zusammengefasst -

von "schwer kriminellen und korrupten Handlungen beeideter Justizbediensteter", von "schwer kriminellen und korrupten Seilschaften innerhalb der Justiz bis hin zum Vertreter des BVwGH" (gemeint: des Verwaltungsgerichtshofes), sie führte aus, "dass beeidete Juristen im Staatsdienst den Rechtsstaat aushöhlen und unterwandern um nach eigenem Gutdünken vermeintliche Ziele zu erreichen. Es (gehe) um die blanke Gier nach Macht und Geld", und sie erhob insbesondere den Vorwurf krimineller und korrupter Machenschaften gegen mehrere namentlich genannte Richterinnen und Richter der Justiz und des Verwaltungsgerichtshofes. Rechtlich folgerte das BVwG, die Revisionswerberin habe in der Beschwerde Behauptungen vorgebracht, die mit der Sache des Beschwerdeverfahrens - nämlich der sie betreffenden Entziehung der Dolmetschereigenschaft - nichts zu tun hätten. Sie habe einzelne Richter und Richterinnen, die zum Teil nichts mit den Verfahren in Bezug auf die Revisionswerberin zu tun hatten (wie etwa einen Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes), der Korruption und des Amtsmissbrauches beschuldigt. Die Vorwürfe seien zum Teil so allgemein und so abstrus, dass sie einem Beweis nicht zugänglich seien. Darüber hinaus entsprächen gerade unbegründete Vorwürfe der schweren Korruption und des Amtsmissbrauches gegenüber staatlichen Organen nicht einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form.

3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird darin vorgebracht, das BVwG zitiere aus der mehrere hundert Seiten umfassenden Beschwerde 11 aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen und beurteile diese ohne nähere Begründung und insbesondere ohne auf einzelne Zitate konkret einzugehen als unsachliche und daher beleidigende Kritik. Diese Rechtsansicht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht gedeckt und widerspreche insbesondere dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 98/02/0271. Demnach könne die Kritik an einer Behörde noch als erlaubt angesehen werden, wenn sie sich auf die Sache beschränke, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht werde und die Möglichkeit bestehe, diese Behauptungen zu beweisen. Ohne konkret auf die einzelnen vom BVwG zitierten Ausführungen einzugehen, gehe das BVwG in unzulässiger Weise davon aus, dass diesen Anforderungen nicht Genüge getan worden sei. Die Revision sei daher zulässig, weil die bekämpfte Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche.

Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

4 Entgegen dem Revisionsvorbringen ist das BVwG im vorliegenden Fall von der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Danach kann von der Verwaltungsbehörde bzw in Anwendung des § 17 VwGVG vom Verwaltungsgericht eine Ordnungsstrafe nach § 34 Abs 3 AVG gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen. Eine beleidigende Schreibweise liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Dabei ist es ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtet. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht wird und damit objektiv beleidigenden Charakter hat. Auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen zu müssen. Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist aber nur dann gerechtfertigt und schließt die Anwendung des § 34 Abs 3 AVG aus, wenn sich die Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweiswürdigung nicht zugänglich sind. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, wird der Tatbestand des § 34 Abs 3 AVG erfüllt. Eine Kritik ist nur dann "sachbeschränkt", wenn die Notwendigkeit dieses Vorbringens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angenommen werden kann (vgl etwa , vom , 2010/04/0133, und vom , 2012/08/0014, jeweils mit weiteren Nachweisen).

5 Das BVwG hat unter Anwendung dieser höchstgerichtlichen Leitlinien nachvollziehbar dargelegt, dass die Revisionswerberin mit den in der angefochtenen Entscheidung zitierten Textstellen ihres Beschwerdeschriftsatzes die Grenzen zulässiger Kritik an staatlichen Organen überschritten hat, indem sie diesen in unsachlicher und unziemlicher Art und Weise "schwere Korruption und Amtsmissbrauch" vorgeworfen hat. Dabei hat das BVwG die beanstandeten Textstellen des Beschwerdeschriftsatzes auch zu den maßgeblichen rechtlichen Kriterien zur Unterscheidung von sachlicher und unsachlicher Kritik in Bezug gesetzt. In der Revision wird zwar behauptet, dass das Verwaltungsgericht dabei einzelne Textstellen aus dem Zusammenhang gerissen habe. Inwieweit dies geschehen ist, wird aber nicht näher dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.

6 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017030076.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-49064