VwGH 01.09.2017, Ra 2017/03/0075
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Die Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen oder Dolmetschers im Sinn des § 2 Abs 2 Z 1 lit e SDG 1975 erfordert, dass der Sachverständige oder Dolmetscher in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste) eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen und Dolmetscher bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen. Unmaßgeblich ist, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen sind, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Sachverständigen oder Dolmetscher überhaupt zukommt oder nicht. Es kann daher auch ein Verhalten, das nicht im Zusammenhang mit der Sachverständigen- oder Dolmetschertätigkeit steht, den Entziehungsgrund der mangelnden Vertrauenswürdigkeit begründen (vgl zuletzt etwa , mit weiteren Nachweisen). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Dr. K B in K, vertreten durch Mag. Herbert Premur, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Pierlstraße 33, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl W170 2158247-1/3E, betreffend die Entziehung der Dolmetschereigenschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Klagenfurt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin war seit (befristet bis ) allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin für Niederländisch.
2 Mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Klagenfurt vom wurde der Revisionswerberin diese Dolmetschereigenschaft entzogen. Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - mit einer Maßgabebestätigung - als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Seine Entscheidung begründete das BVwG im Wesentlichen damit, dass der Revisionswerberin die nach § 2 Abs 2 Z 1 lit e SDG notwendige Vertrauenswürdigkeit nicht mehr zukomme. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Revisionswerberin in einem Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Josefstadt zwischen einer Hausverwaltungsgesellschaft und ihrem Sohn als Zeugin geladen gewesen sei und sich in einem Schreiben vom an die Verhandlungsrichterin gewandt habe. Sie habe der Richterin vorgeworfen, arglistig und maßgeblich an den kriminellen Handlungen zum Schutz der klagenden Partei des Zivilprozesses und deren "jüdische Gesellschaften" beteiligt zu sein. Weiters habe sie ausgeführt, dass die Verhandlungsrichterin "dem Vernehmen nach (...) auch Jüdin (sei, was) offenbar erklär(e), dass Sie nicht in der Lage (sei), Recht von Unrecht zu unterscheiden", und dass der Verdacht im Raum stehe, dass "hier jüdische Justizbedienstete die Interessen jüdischer Immobilienspekulanten und Immobilienjongleure gezielt massiv" schützten. In einem Schreiben vom an die im gegenständlichen Entziehungsverfahren einschreitende Vizepräsidentin des Landesgerichts Klagenfurt habe die Revisionswerberin den Vorwurf erhoben, die Vizepräsidentin habe sich "zu verfehlten, oberflächlichen und rechtswidrigen Handlungen anstiften lassen". Überdies habe die Revisionswerberin in diesem Schreiben Vorwürfe der Korruption und des Amtsmissbrauches gegen mehrere namentlich genannte Richterinnen und Richter der Justiz und des Verwaltungsgerichtshofes erhoben. Sie habe ausgeführt, es sei auffallend, dass faktisch ausschließlich jüdische Personen und Gesellschaften an den Handlungen zum Schutz der klagenden Partei im Zivilprozess vor dem Bezirksgericht Josefstadt beteiligt seien. So sei es auch sicher kein Zufall, dass die Gerichtsvorsteherin eine Jugendfreundin des früheren Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde sei, dass ihr Ehemann, Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes, im Vorstand der Richtervereinigung ein Kollege eines namentlich genannten Richters sei, der wiederum ein Verfahren gegen die Revisionswerberin führe. Gemäß dem Anteil der jüdischen Bevölkerung von 0,3% sei eine derartige Häufung jedenfalls markant und signifikant. Die Gerichtsvorsteherin des Bezirksgerichtes habe "wider besseres Wissen auf Grundlage frei erfundene(r) Sachverhalte Strafanzeigen gegen (den) Sohn (der Revisionswerberin) eingebracht", deren Ziel es offenbar gewesen sei, ihren Sohn "auf jeden Fall zu stoppen". Die Revisionswerberin habe außerdem geschrieben, dass "an diesen kriminellen Handlungen (...) Personen im Dunstkreis der SPÖ und der Behörde, allen voran der Justiz massiv beteiligt" seien bzw solche, "die eindeutig jüdisch" seien. Schließlich verwies das BVwG darauf, dass gegen die Revisionswerberin in Bezug auf ein Strafverfahren vor dem Landesgericht Salzburg, in dem sie als Dolmetscherin tätig gewesen sei, der Vorwurf verspäteten Erscheinens und mangelhafter Übersetzung erhoben worden sei. Auf die ihre gesetzte Frist zur Stellungnahme zu diesen behaupteten Fehlleistungen habe die Revisionswerberin erst mit Verspätung geantwortet.
4 Rechtlich folgerte das BVwG, dass eine einmalige Fehlleistung in einer Verhandlung zwar kein Grund für die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Dolmetscher sei. Jedoch rechtfertige schon allein die Verwendung von objektiv rassistischen und/oder antisemitischen Formulierungen in dem Schreiben der Revisionswerberin vom an das Bezirksgericht Josefstadt die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin mangels Vertrauenswürdigkeit der Revisionswerberin, weil Angehörige der betroffenen ethnischen Gruppe mit gutem Grund das Vorhandensein für sie nachteiliger Vorurteile vermuten müssten. Auch die Beschuldigung der Vizepräsidentin des Landesgerichtes Klagenfurt und des - namentlich genannten - Hofrates des Verwaltungsgerichtshofes, die in den von der Revisionswerberin genannten Verfahren am Bezirksgericht Josefstadt überhaupt keine Rolle gespielt hätten, sei mit der Vertrauenswürdigkeit der Verfasserin solcher Anschuldigungen nicht in Einklang zu bringen. Die Anschuldigungen zeigten, dass die Revisionswerberin auch Personen, die gar nichts mit dem Verfahren, welches sie als Grund für die von ihr behauptete Korruption und den von ihr behaupteten Amtsmissbrauch zu tun hätten, grundlos zu beschuldigen bereit sei. Auch diese Beschuldigungen müssten daher für sich betrachtet zur Entziehung der Dolmetschereigenschaft führen.
5 Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird darin geltend gemacht, es fehle - soweit ersichtlich - "eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur der Frage, ob das Ansprechen der Zugehörigkeit zu einer Minderheitenreligion in Österreich und das damit verbundene zum Ausdruck bringen wollen eines aufgrund der gemeinsamen Religion gegebenen Naheverhältnisses und einer allenfalls daraus resultierenden Befangenheit eines Amtsträgers als rassistisch (anzusehen sei) und damit geeignet (sei), Bedenken an der Verlässlichkeit einer jahrzehntelang unbeanstandet als Dolmetscherin tätigen Person aufkommen zu lassen".
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan: Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.
6 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs erfordert die Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen oder Dolmetschers im Sinn des § 2 Abs 2 Z 1 lit e des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG), dass der Sachverständige oder Dolmetscher in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste) eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen und Dolmetscher bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen. Unmaßgeblich ist, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen sind, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Sachverständigen oder Dolmetscher überhaupt zukommt oder nicht. Es kann daher auch ein Verhalten, das nicht im Zusammenhang mit der Sachverständigen- oder Dolmetschertätigkeit steht, den Entziehungsgrund der mangelnden Vertrauenswürdigkeit begründen (vgl zuletzt etwa , mit weiteren Nachweisen).
7 Mit diesen rechtlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich auch der vorliegende Einzelfall lösen, ohne dass es weiterer höchstgerichtlicher Leitlinien bedarf. Das BVwG ist in seiner Entscheidung von diesen Rechtsgrundsätzen auch nicht abgewichen. Die in mehreren Schreiben an Gerichte erhobenen Vorwürfe der Korruption und des Amtsmissbrauches von Richterinnen und Richtern, die mit sachlicher Kritik und der Rechtsverfolgung bzw -verteidigung durch die Revisionswerberin nichts zu tun hatten, wie auch die eindeutig rassistischen und antisemitischen Ausführungen in diesen Schreiben lassen die Revisionswerberin für die Tätigkeit als allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Dolmetscherin im Sinne der dargestellten Rechtsgrundsätze nicht (mehr) vertrauenswürdig erscheinen.
8 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017030075.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-49063