VwGH 24.02.2017, Ra 2016/11/0150
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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RS 1 | Voraussetzung für die Gestattung von Akteneinsicht nach § 17 AVG ist, dass - von der Behörde, der gegenüber Akteneinsicht begehrt wird - ein Verwaltungsverfahren ("behördliches Verfahren" iSd Art II EGVG 2008) geführt wird bzw. geführt wurde, in dem der Akteneinsichtswerber Parteistellung hat. Damit ein Verfahren als "behördliches Verfahren" iSd Art II EGVG 2008 qualifiziert werden kann, in dem von der Verwaltungsbehörde das AVG anzuwenden und gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben bzw. "auf Bescheiderlassung zielen" (Hinweis Erkenntnisse vom , 2008/17/0019, und vom , 94/12/0186). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/11/0012 E RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des F B in M, vertreten durch Dr. Herbert Rabitsch, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Petrusgasse 2/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-892/001-2016, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Akteneinsicht in einer Angelegenheit nach dem NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit an die belangte Behörde gerichtetem Schreiben vom (wiederholt mit Schreiben vom ) beantragte der Revisionswerber unter Hinweis auf zwei beim Bezirksgericht Mödling anhängige Verfahren (Pflegschaftsverfahren betreffend seine minderjährige Tochter sowie ein dort gegen ihn geführtes Wegweisungsverfahren) die Akteneinsicht "in den von der Jugendwohlfahrt geführten Akt, und zwar auch im Hinblick auf die Gefährdungsmeldung ...".
2 Mit Schreiben vom beantragte der Revisionswerber die bescheidmäßige Erledigung der genannten Anträge. Er wies darauf hin, dass er im Zusammenhang mit dem erwähnten Wegweisungsverfahren gemäß § 382e EO ein rechtliches Interesse an der Einsicht in den Akt der Jugendwohlfahrt betreffend seine Tochter habe, weil sich darin Gefährdungsmeldungen befänden, deren Inhalt dem Revisionswerber nicht bekannt sei.
3 Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde "als Organ des Kinder- und Jugendhilfeträgers" den Antrag des Revisionswerbers auf Einsicht in die Akten betreffend dessen minderjährige Tochter gemäß § 10 NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (NÖ KJHG) zurück.
4 Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung zusammengefasst damit, dass sie als regional zuständige Organisationseinheit des Kinder- und Jugendhilfeträgers in der Angelegenheit der Tochter des Revisionswerbers mehrfach tätig gewesen sei, darunter fallweise im Rahmen von Gefährdungsabklärungen gemäß § 30 NÖ KJHG. Dabei handle es sich um privatrechtliches, und nicht um hoheitliches Handeln der Behörde, bei dem sie insbesondere nicht mit Bescheid oder Verordnung vorzugehen habe. Mangels Anwendbarkeit der Verwaltungsverfahrensgesetze könne sich der Revisionswerber daher nicht auf das in § 17 AVG normierte Recht auf Akteneinsicht berufen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , VwSlg 18446 A/2012); in solchen Fällen bestehe lediglich ein Auskunftsrecht gemäß § 10 NÖ KJHG.
5 Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen und gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. In der Begründung folgte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen den Ausführungen der belangten Behörde.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. die hg. Beschlüsse vom , Zl. Ra 2014/04/0001, und vom , Zl. Ra 2015/08/0008).
10 In der Revision wird sowohl im Rahmen der Darstellung des Sachverhaltes als auch der Begründung der Zulässigkeit der Revision eine "Strafanzeige" der belangten Behörde vom Jänner 2014 gegen den Revisionswerber bei der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ins Treffen geführt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Rechtsfrage, ob der Revisionswerber, gegen den sich diese Anzeige wegen Kindeswohlgefährdung richte und die ihn als Partei persönlich betreffe, Akteneinsicht erhalte. Zu dieser speziellen Rechtsfrage liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.
11 Mit diesem Vorbringen übersieht der Revisionswerber zunächst, dass sein Begehren auf Akteneinsicht nicht auf die Aktenteile der belangten Behörde betreffend eine Strafanzeige gerichtet und insoweit auch nicht Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses war, sodass das Schicksal der Revision nicht von der dargelegten Rechtsfrage "abhängt" iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.
12 Soweit sich dieses Zulassungsvorbringen jedoch auf die Einsicht in den Akt der belangten Behörde (betreffend die Kinder- und Jugendhilfe für die Tochter des Revisionswerbers) schlechthin bzw. wegen der dort vom Revisionswerber vermuteten Gefährdungsmeldung gemäß § 30 NÖ KJHG bezieht, so kommt der genannten Rechtsfrage deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Gefährdungsabklärung, wie das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Bestimmungen des NÖ KJHG, insbesondere § 30 leg. cit., ausgeführt hat, nicht im Rahmen eines behördlichen Verfahrens, das mit Bescheid abzuschließen ist, erfolgt, somit nicht auf "Bescheiderlassung zielt". Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu nämlich bereits im Erkenntnis vom , Zl. Ro 2014/11/0012, wie folgt ausgeführt:
"2.2.3. Voraussetzung für die Gestattung von Akteneinsicht nach § 17 AVG ist also, dass - von der Behörde, der gegenüber Akteneinsicht begehrt wird - ein Verwaltungsverfahren (‚behördliches Verfahren' iSd Art II EGVG) geführt wird bzw. geführt wurde, in dem der Akteneinsichtswerber Parteistellung hat. Damit ein Verfahren als ‚behördliches Verfahren' iSd Art II EGVG qualifiziert werden kann, in dem von der Verwaltungsbehörde das AVG anzuwenden und gegebenenfalls Akteneinsicht zu gewähren ist, muss es individuelle Verwaltungsakte der Hoheitsverwaltung zum Gegenstand haben bzw. ‚auf Bescheiderlassung zielen' (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 2 und 3 zu Art II EGVG), und die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2008/17/0019, und vom , Zl. 94/12/0186).
2.3. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall; seitens der belangten Behörde, der gegenüber vom Revisionswerber Akteneinsicht begehrt und von der mit dem angefochtenen Bescheid Akteneinsicht verweigert wurde, war unter der genannten Geschäftszahl kein mit Bescheid abzuschließendes Verfahren geführt worden: ..."
13 Die vom Revisionswerber angesprochene Rechtsfrage ist somit durch die hg. Rechtsprechung geklärt (im gleichen Sinne auch das - speziell zum Einschreiten der Jugendwohlfahrtsbehörde ergangene - zitierte Erkenntnis vom , Zl. 2011/11/0005, VwSlg 18446 A/2012). Dabei bleibt freilich offen, inwieweit dem Revisionswerber in den genannten Verfahren vor dem Bezirksgericht (betreffend das Pflegschaftsverfahren bzw. Wegweisungsverfahren gemäß § 382e EO) die Akteneinsicht zusteht.
14 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016110150.L00 |
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Fundstelle(n):
GAAAF-48951