VwGH 13.09.2017, Ra 2016/08/0175
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | |
RS 1 | Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend von der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes folgende Kriterien für die Ausübung des in § 56 Abs. 3 ASVG eingeräumten Ermessens entwickelt: Zu berücksichtigen sind demnach - jedenfalls bei Erstattung eines entsprechenden Vorbringens im Verwaltungsverfahren - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners sowie hinsichtlich eines gänzlichen Verzichts auf die Weiterentrichtung der Beiträge die Dauer des Verzuges. Im Hinblick auf einen möglichen teilweisen Verzicht entspricht die Ermessensübung dann nicht dem Sinn des Gesetzes, wenn die Art des Meldeverstoßes oder die regelmäßige Erfüllung der Meldepflichten nicht in die Überlegungen einbezogen wurden (vgl. zu diesen beiden Aspekten das hg. Erkenntnis vom , 95/08/0331 und das hg. Erkenntnis vom , 97/08/0442, Punkt. 3.3. und 3.4. der Entscheidungsgründe). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/08/0244 E RS 4 |
Norm | |
RS 2 | Im Erkenntnis vom , 97/08/0442, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass für die Ermessensübung unter dem Gesichtspunkt der Art der Meldepflichtverletzung (vgl. nunmehr § 113 Abs. 3 zweiter Satz ASVG) auch von Bedeutung ist, ob und in welcher Größenordnung ein durch den Meldeverstoß verursachter Verwaltungsaufwand allenfalls feststellbar ist. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Tiroler Gebietskrankenkasse in Innsbruck, vertreten durch Ullmann - Geiler und Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 17-19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , I404 2126040-1/20E, betreffend Beiträge nach § 56 ASVG (mitbeteiligte Partei: A A AG, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 11), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
3 Mit Bescheid vom verpflichtete die revisionswerbende Gebietskrankenkasse die mitbeteiligte Partei, gemäß § 56 Abs. 1 und 3 ASVG Beiträge in der Höhe von insgesamt EUR 250.000,-- aufgrund nicht fristgerecht erstatteter Abmeldungen von Dienstnehmern zu entrichten.
4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei teilweise Folge und setzte die vorgeschriebenen Beiträge auf EUR 45.000,-- herab.
5 Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse bringt zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht habe im Rahmen seiner Ermessensübung nach § 56 Abs. 3 ASVG auch darauf abgestellt, ob ein Verwaltungsmehraufwand entstanden sei. Dabei handle es sich jedoch nach der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um kein Ermessenskriterium. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Verwaltungsgerichtshof das Bestehen eines Verwaltungsmehraufwandes bei der Ausübung des Ermessens bereits berücksichtigt habe, so sei die Revision dennoch zulässig, weil die Rechtsprechung zumindest nicht einheitlich sei.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgehend vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 75/90, in dem der Verfassungsgerichtshof festgehalten hat, dass sich der Sinn des in § 56 Abs. 3 ASVG eingeräumten Ermessens durch Heranziehung der §§ 59 Abs. 2 und 113 Abs. 1 ASVG (in der damals geltenden Fassung) ermitteln lasse, Kriterien für die Ausübung des Ermessens nach dieser Bestimmung entwickelt. Zu berücksichtigen sind demnach - jedenfalls bei Erstattung eines entsprechenden Vorbringens im Verwaltungsverfahren - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners sowie hinsichtlich eines gänzlichen Verzichts auf die Weiterentrichtung der Beiträge die Dauer des Verzuges. Im Hinblick auf einen möglichen teilweisen Verzicht entspricht die Ermessensübung dann nicht dem Sinn des Gesetzes, wenn die Art des Meldeverstoßes oder die regelmäßige Erfüllung der Meldepflichten nicht in die Überlegungen einbezogen wurden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , 2013/08/0244, vom , 97/08/0442, und vom , 95/08/0331). Im Erkenntnis vom , 97/08/0442, hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass für die Ermessensübung unter dem Gesichtspunkt der Art der Meldepflichtverletzung (vgl. nunmehr § 113 Abs. 3 zweiter Satz ASVG) auch von Bedeutung ist, ob und in welcher Größenordnung ein durch den Meldeverstoß verursachter Verwaltungsaufwand allenfalls feststellbar ist.
7 Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesverwaltungsgericht bei Ausübung seines Ermessens nach § 56 Abs. 3 ASVG ausgegangen. Soweit die Revision sich zur Behauptung einer "uneinheitlichen Rechtsprechung" auf die hg. Erkenntnisse vom , 89/08/0076, vom , 91/08/0069, und vom , 2000/08/0186, beruft, erweist sich dies schon deshalb als verfehlt, weil diese Erkenntnisse nicht zu § 56 ASVG, sondern zu § 113 ASVG (Beitragszuschlägen) ergangen sind.
8 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016080175.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-48926