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VwGH 27.02.2017, Ra 2016/06/0095

VwGH 27.02.2017, Ra 2016/06/0095

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
ABGB §1332;
VwGG §46 Abs1;
RS 1
Auch mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum kann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann (vgl. , mwN). Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/18/0190 B RS 1

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über die Revision des *****, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG- 380/7/2016, betreffend Verwaltungsübertretung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren wird eingestellt.

Begründung

1 Mit hg. Beschluss vom , Ra 2016/06/0095-5, wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die außerordentliche Revision gegen das vorbezeichnete Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten abgewiesen.

2 Der Revisionswerber ist der an ihn mit hg. Verfügung vom , Ra 2016/06/0095-6 (zugestellt am ), ergangenen Aufforderung, die Mängel der gegen das vorbezeichnete Erkenntnis eingebrachten Revision binnen einer Frist von zwei Wochen vom Tage der Zustellung des Auftrages an gerechnet, nicht fristgerecht nachgekommen:

3 Wird ein fristgebundener Schriftsatz nicht bei der für dessen Einbringung gesetzmäßig vorgesehenen Stelle, sondern bei einer dafür unzuständigen Stelle eingebracht und von dieser weitergeleitet, dann ist die Frist nur gewahrt, wenn der Schriftsatz entweder vor Fristablauf bei der für die Einbringung zuständigen Stelle einlangt oder von der unzuständigen Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Weiterleitung an diese zur Post gegeben wurde (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2014/18/0006, mwN).

4 Der Schriftsatz vom wurde an diesem Tag im Postweg dem Landesverwaltungsgericht Kärnten übermittelt und von diesem am , und damit nach Ablauf der Frist von zwei Wochen, dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt. Die am per Fax erfolgte Übermittlung an den Verwaltungsgerichtshof war bereits verspätet.

5 Das Verfahren war daher gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin MMag. Lehner, über den Antrag des H U in E, vertreten durch die Steiner Anderwald Rechtsanwälte OG in 9800 Spittal/Drau, Ortenburgerstraße 4, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , KLVvG- 380/7/2016, betreffend eine Verwaltungsübertretung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit hg. Beschluss vom , Ra 2016/06/0095-11, wurde die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom erhobene außerordentliche Revision des Antragstellers als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, weil der Antragsteller der an ihn mit hg. Verfügung vom , Ra 2016/06/0095-5, ergangenen Aufforderung, die Mängel der gegen das näher bezeichnete Erkenntnis eingebrachten Revision binnen einer Frist von zwei Wochen zu beheben, nicht fristgerecht nachgekommen sei. Der Schriftsatz vom sei an diesem Tag im Postweg dem Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) übermittelt und von diesem am , und damit nach Ablauf der Frist von zwei Wochen, dem Verwaltungsgerichtshof übermittelt worden. Die am per Fax erfolgte Übermittlung an den Verwaltungsgerichtshof sei bereits verspätet gewesen.

2 Mit dem nunmehrigen Wiedereinsetzungsantrag macht der Antragsteller geltend, auf Grund der Textierung der verfahrensleitenden Anordnung vom und des § 34 Abs. 2 letzter Satz VwGG sei der Vertreter des Antragstellers davon ausgegangen, dass nach der "Zurückweisung" der Revision eine neue verbesserte Revision beim LVwG einzubringen sei, wo auch die ursprüngliche Revision einzubringen gewesen und auch eingebracht worden sei. Auch ein Rechtsirrtum komme als Wiedereinsetzungsgrund in Betracht. Der vorliegende Rechtsirrtum könne als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB qualifiziert werden, von einer auffallenden Sorglosigkeit oder einem Handeln in besonders nachlässiger Weise sei nicht auszugehen.

3 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

4 Gemäß § 46 Abs. 2 VwGG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.

5 Mangelnde Rechtskenntnis oder ein Rechtsirrtum kann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis darstellen, welches eine Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen kann. Wird ein solcher Wiedereinsetzungsgrund geltend gemacht, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen, ob die Partei an der Unkenntnis der Rechtslage bzw. am Rechtsirrtum ein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden trifft (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2017/06/0027 bis 0028, mwN).

6 Nach ständiger hg. Judikatur trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. auch dazu den vorzitierten hg. Beschluss vom , mwN).

7 Die Unkenntnis einer neuen Gesetzeslage durch einen beruflichen Parteienvertreter stellt keinen minderen Grad des Versehens (im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG) dar, weil vor allem eine rezente Änderung der Rechtslage besondere Aufmerksamkeit verdient (vgl. wiederum den hg. Beschluss vom , mwN).

Gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 VwGG sind Schriftsätze im Revisionsverfahren ab Vorlage der Revision an den Verwaltungsgerichtshof unmittelbar bei diesem einzubringen.

8 Die Änderung der Rechtslage, durch welche das System der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz eingeführt worden war (im vorliegenden Fall insbesondere die Vorschriften über die Einbringung von Schriftsätzen), ist bereits mit und sohin beinahe drei Jahre vor Zustellung der verfahrensleitenden Anordnung vom an den Vertreter des Antragstellers in Kraft getreten.

9 Der Vertreter des Antragstellers unterliegt zunächst insofern einem grundsätzlichen Irrtum, als von einer "Zurückweisung" der beim LVwG eingebrachten Revision durch den Verwaltungsgerichtshof vorliegendenfalls nach der Aktenlage keine Rede sein kann. Vielmehr erfolgte die Zurückstellung der Revision mit der verfahrensleitenden Anordnung vom durch den Verwaltungsgerichtshof, sodass für den Vertreter des Revisionswerbers ersichtlich sein musste, dass § 24 Abs. 1 Z 1 VwGG maßgeblich war. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte dem Vertreter des Antragstellers diese Unterscheidung auffallen müssen, sodass für die Annahme, die "neue, verbesserte Revision" sei beim LVwG einzubringen, kein Raum bleibt.

10 Da das dem Antragsteller zuzurechnende Verschulden seines Vertreters somit den minderen Grad des Versehens übersteigt, war dessen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016060095.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-48906