VwGH 09.02.2017, Ra 2016/02/0179
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung ist nicht entscheidend, ob und welche Rechtsbeziehungen zwischen dem Beschäftiger (Auftraggeber) und der Arbeitskraft, aber auch zwischen dem Beschäftiger und dem Überlasser bestehen (vgl. E , 2009/11/0250). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2013/02/0141 E RS 3 |
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RS 2 | Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegt oder nicht, ist - unabhängig von der zivilrechtlichen Form, in die das Arbeitsverhältnis gekleidet ist - die Beurteilung sämtlicher für und wider ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis im konkreten Fall sprechender Umstände, die nicht isoliert voneinander gesehen werden dürfen, sondern in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht zu bewerten sind (vgl. E , 2000/09/0147). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des S in G, vertreten durch Mag. Christian Fauland, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Münzgrabenstraße 92a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.13-1201/2016-25, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 In der vorliegenden außerordentlichen Revision bestreitet der Revisionswerber wie bereits im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung und wendet sich mit seinem Vorbringen in der Zulassungsbegründung im Grunde gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
5 Das Verwaltungsgericht kam nach der Durchführung einer mündlichen Verhandlung ausgehend von den Aussagen des Revisionswerbers sowie des Vorarbeiters des Unternehmens (der S GmbH), für das der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Alleingesellschafter tätig ist, zum Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - bei Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehaltes des Vertragsverhältnisses zwischen der S GmbH und der H d. o.o. nicht eine Entsendung, sondern eine Arbeitskräfteüberlassung vorlag.
6 Nach § 9 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) liegt eine Überlassung iSd Gesetzes dann vor, wenn Arbeitnehmer Dritten zur Verfügung gestellt werden, um für sie unter deren Kontrolle zu arbeiten. Für die Beurteilung, ob eine Überlassung von Arbeitskräften vorliegt, ist gemäß § 4 Abs. 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgeblich.
7 Nach § 4 Abs. 2 AÜG liegt Arbeitskräfteüberlassung insbesondere auch vor, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen und eine der vier Ziffern dieser Bestimmung zur Gänze erfüllt ist. Dann ist eine Arbeitskräfteüberlassung jedenfalls gegeben und es bedarf keiner Gesamtbeurteilung des Sachverhaltes iSd § 4 Abs. 1 AÜG. Daher kann selbst im Fall zivilrechtlich als Werkvertrag einzustufender Vereinbarungen (und einer entsprechenden Vertragsabwicklung) zwischen Unternehmer und "Subunternehmer" eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegen (vgl. zu alledem Zlen. 2010/09/0161 bis 0163 sowie vom , Zl. 2013/02/0141).
8 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen von Arbeitskräfteüberlassung nicht entscheidend, ob und welche Rechtsbeziehungen zwischen dem Beschäftiger (Auftraggeber) und der Arbeitskraft, aber auch zwischen dem Beschäftiger und dem Überlasser bestehen (vgl. Zl. 2012/02/0196, mwN).
9 Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Arbeitskräfteüberlassung vorliegt oder nicht, ist - unabhängig von der zivilrechtlichen Form, in die das Arbeitsverhältnis gekleidet ist - die Beurteilung sämtlicher für und wider ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis im konkreten Fall sprechender Umstände, die nicht isoliert voneinander gesehen werden dürfen, sondern in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht zu bewerten sind (vgl. etwa Zl. 2000/09/0147, mwN).
10 Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbare Feststellungen zu den Umständen des Vertragsverhältnisses zwischen der S GmbH und der H d.o.o. getroffen und seine Qualifizierung als Arbeitskräfteüberlassung im Wesentlichen damit begründet, dass einerseits der Vorarbeiter der S GmbH eine - näher ausgeführte - laufende begleitende Kontrolle und Fachaufsicht der Arbeitskräfte der H d.o.o. durchführte, die über die bloße (abschließende) Kontrolle eines Werkes auf dessen fachgerechte Erfüllung bzw. über bloße Koordinationsaufgaben hinausgehe und der üblichen begleitenden Fachaufsicht eines Vorarbeiters einer Arbeitspartie entspreche. Andererseits seien das gesamte Material sowie der Kran und sämtliche größere Werkzeuge nicht vom Werkunternehmer der H d.o.o., sondern vom Auftraggeber der S GmbH beigestellt worden. 11 Der Verwaltungsgerichtshof kann davon ausgehend nicht
erkennen, dass das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis von den Leitlinien der dargestellten Rechtsprechung abgewichen wäre, sodass die Beurteilung, wonach fallbezogen eine Arbeitskräfteüberlassung vorgelegen sei, nicht als rechtswidrig angesehen werden kann.
12 Die ferner in der Zulässigkeitsbegründung vorgebrachte Behauptung, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die (bloße) Kontrolle vertraglicher Leistungen durch einen Beauftragten des Auftraggebers die Anwendung des AÜG rechtfertige, geht schon deshalb ins Leere, weil sie sich vom oben wiedergegebenen festgestellten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entfernt.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016020179.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-48865