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VwGH 20.12.2016, Fr 2016/21/0020

VwGH 20.12.2016, Fr 2016/21/0020

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
32004L0038 Unionsbürger-RL Art27;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art28;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z18;
FrPolG 2005 §67;
RS 1
Das Aufenthaltsverbot nach § 67 FrPolG 2005 dient der Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FrPolG 2005), und zwar insbesondere der Umsetzung von deren Art. 27 und 28.
Normen
62010CJ0416 Krizan VORAB;
BFA-VG 2014 §18 Abs5;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art130 Abs2 Z1;
EURallg;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs2;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §13;
VwGVG 2014 §22;
VwGVG 2014 §34 Abs1;
RS 2
Ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht muss in der Lage sein, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren gerichtlichen Entscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (vgl. , "Križan"). In einem Fall in dem an das VwG Beschwerde erhoben wird, ist dieses "befasstes nationales Gericht". Nur dieses könnte daher eine einstweilige Anordnung erlassen, der es freilich schon im Hinblick darauf, dass einer gegen ein Aufenthaltsverbot erhobenen Beschwerde nach Maßgabe des -

unionsrechtskonform auszulegenden - § 18 Abs. 5 BFA-VG 2014 die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann, womit die begehrte "Aussetzung der Vollstreckung" bewirkt würde, gar nicht bedarf. Einem direkt an den VwGH gerichteten Antrag fehlt daher von vornherein die Berechtigung.
Normen
BFA-VG 2014 §18 Abs5;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs1 Z2;
EURallg;
FrPolG 2005 §67;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §38 Abs4;
RS 3
Ein mit einem Fristsetzungsantrag an den VwGH gerichteter Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung kann schon deswegen nicht zielführend sein, weil Gegenstand des Fristsetzungsverfahrens nicht die Verwaltungssache selbst (hier: aufschiebende Wirkung in Bezug auf ein Aufenthaltsverbot) ist, sondern ausschließlich die Verletzung der Entscheidungspflicht durch das VwG. Diesem Rechtsschutzinteresse kann nur durch die Erlassung der versäumten Entscheidung Rechnung getragen werden, nicht aber vorläufig im Weg einer einstweiligen Anordnung (Hinweis B , Fr 2015/21/0012), die insoweit auf einen - anders als früher bei der Säumnisbeschwerde - im Fristsetzungsverfahren gerade nicht (mehr) vorgesehenen Zuständigkeitsübergang auf den VwGH hinausliefe. Insoweit stellt das Fristsetzungsverfahren nicht den geeigneten "Ort" für eine derartige einstweilige Anordnung dar (Hinweis B , Ro 2014/07/0028).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Halm-Forsthuber, über den Antrag des Q S in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung in einer Fristsetzungssache gegen das Bundesverwaltungsgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), den Beschluss gefasst:

Spruch

Der an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung auf "Aussetzung der Vollstreckung kraft Unionsrechts" des Aufenthaltsverbotsbescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom , Zl. 639326307-161022584, wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Antragsteller ist Staatsangehöriger von Algerien und reiste 2012 nach Österreich ein. Er stellte einen Antrag auf internationalen Schutz, der letztlich 2013 mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes - in Verbindung mit einer Ausweisung nach Algerien - vollinhaltlich abgewiesen wurde.

2 Am heiratete der in Österreich verbliebene Antragsteller eine ungarische Staatangehörige.

3 Mit Bescheid vom erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Antragsteller in der Folge gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein fünfjähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und außerdem einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

4 Das Aufenthaltsverbot begründete das BFA mit zwei strafgerichtlichen Verurteilungen des Antragstellers und damit, dass an seiner Ehe "massive Zweifel" bestünden; "ein Verfahren zum Tatbestand der Aufenthaltsehe" sei anhängig. Da die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes geboten sei, sei kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen und einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot die aufschiebende Wirkung abzuerkennen.

5 Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Beschwerde, die sich erkennbar auch gegen die unter Spruchpunkt III. des Bescheides des BFA ausgesprochene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtet; in diesem Zusammenhang beantragte er, der Beschwerde "vorab die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen"; dazu stellte er "gemäß Art. 31 Abs. 2 UnionsbürgerRL formal auch den Antrag" auf "Aussetzung der Vollstreckung".

6 Mit der Behauptung, diese Beschwerde sei dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am vorgelegt worden, brachte der Antragsteller, datiert mit , einen Fristsetzungsantrag gegen das BVwG - erkennbar in Bezug auf die unterlassene Entscheidung über die aufschiebende Wirkung - ein. Dem liegt die Auffassung zu Grunde, dass gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen Wochenfrist über die Frage der aufschiebenden Wirkung zu erkennen gewesen wäre.

7 In weiterer Folge brachte der Antragsteller eine "Ergänzung zum Fristsetzungsantrag" direkt beim Verwaltungsgerichtshof ein. Darin beantragt er die Erlassung der im Spruch genannten einstweiligen Anordnung, weil das BVwG bislang weder die aufschiebende Wirkung zuerkannt, noch anderweitig die Aussetzung der Vollstreckung verfügt und auch den Fristsetzungsantrag nicht an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet habe.

8 Dieser Antrag ist unzulässig.

9 Das gegen den Antragsteller verhängte Aufenthaltsverbot wurde auf § 67 FPG gestützt. Diese Bestimmung dient der Umsetzung der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG), und zwar insbesondere der Umsetzung von deren Art. 27 und 28. Insofern hat der vorliegende Fall einen unionsrechtlichen Hintergrund.

10 Ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht muss in der Lage sein, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren gerichtlichen Entscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (vgl. etwa das , "Križan" u. a., Rz 107). Im vorliegenden Fall ist das mit Beschwerde angerufene BVwG "befasstes nationales Gericht". Nur dieses könnte daher die beantragte einstweilige Anordnung erlassen, der es freilich schon im Hinblick darauf, dass der gegen das Aufenthaltsverbot erhobenen Beschwerde nach Maßgabe des - unionsrechtskonform auszulegenden - § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden kann, womit die begehrte "Aussetzung der Vollstreckung" bewirkt würde, gar nicht bedarf. Von daher fehlt dem gegenständlichen, zur Abhilfe der behaupteten pflichtwidrigen Untätigkeit des BVwG direkt an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Antrag von vornherein die Berechtigung.

11 Der vorliegende, in Verbindung mit dem Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung kann darüber hinaus schon deswegen nicht zielführend sein, weil Gegenstand des Fristsetzungsverfahrens nicht die Verwaltungssache selbst (aufschiebende Wirkung in Bezug auf das Aufenthaltsverbot) ist, sondern ausschließlich die insofern behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht. Diesem Rechtsschutzinteresse kann nur durch die Erlassung der versäumten Entscheidung Rechnung getragen werden, nicht aber vorläufig im Weg einer einstweiligen Anordnung (siehe den hg. Beschluss vom , Fr 2015/21/0012, Punkt 4. der Begründung, aE.), die insoweit auf einen - anders als früher bei der Säumnisbeschwerde - im Fristsetzungsverfahren gerade nicht (mehr) vorgesehenen Zuständigkeitsübergang auf den Verwaltungsgerichtshof hinausliefe. Insoweit stellt das Fristsetzungsverfahren nicht den geeigneten "Ort" für die beantragte einstweilige Anordnung dar (vgl. in diesem Sinn auch den hg. Beschluss vom , Ro 2014/07/0028).

12 Der gegenständliche, im Hinblick auf die obigen Ausführungen (Rz 10) aber von vornherein nicht zulässige Antrag an den Verwaltungsgerichtshof war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Senat - in sinngemäßer Anwendung des § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
32004L0038 Unionsbürger-RL Art27;
32004L0038 Unionsbürger-RL Art28;
62010CJ0416 Krizan VORAB;
BFA-VG 2014 §18 Abs5;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
B-VG Art130 Abs2 Z1;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs1 Z2;
EURallg;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z18;
FrPolG 2005 §67 Abs1;
FrPolG 2005 §67 Abs2;
FrPolG 2005 §67;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §38 Abs4;
VwGVG 2014 §13;
VwGVG 2014 §22;
VwGVG 2014 §34 Abs1;
Sammlungsnummer
VwSlg 19510 A/2016
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2
Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des
innerstaatlichen Rechts EURallg4/3
Gemeinschaftsrecht vorläufige Aussetzung der Vollziehung
provisorischer Rechtsschutz EURallg6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2016:FR2016210020.F00
Datenquelle

Fundstelle(n):
QAAAF-48751