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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.03.2025, RV/7105854/2019

Keine Dienstreise bei Einsatz in mehreren Betriebsstätten eines Unternehmens

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, ***Bf. Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des (damaligen) Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 - 2017, Abgabenkontonummer **Bf.-St-Nr.***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit der Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2015 - 2017 beantragte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge Bf.) Sonderausgaben und Werbungskosten, die steuerfreie Behandlung von Tag- und Nächtigungsgelder, die aus beruflichen Reisen resultieren.

Die belangte Behörde erließ am die nunmehr angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 bis 2017. Darin wurden die steuerfreien Tag- und Nächtigungsgelder nicht berücksichtigt.

Mit der Beschwerde vom , beantrage der Bf. die steuerfreie Behandlung folgender Tag- und Nächtigungsgelder, die aus beruflichen Reisen nach ***Ort 1*** und ***Ort 2*** resultieren:

  • 2015: Taggelder iHv EUR 1.214,40 und Nächtigungsgelder iHv EUR 195,-

  • 2016: Taggelder iHv EUR 1.584,- und Nächtigungsgelder iHv EUR 375,-

  • 2017: Taggelder iHv EUR 369,60 und Nächtigungsgelder iHv EUR 135,-

Der Arbeitgeber habe die Steuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Z 16b EStG nicht angewendet, sondern die laut Kollektivvertrag bezahlten Taggelder und Nächtigungsgelder fälschlicherweise zur Gänze als steuerpflichtigen Vorteil aus dem Dienstverhältnis behandelt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , dem Bf. am selben Tag elektronisch zugestellt, wies die belangte Behörde die Beschwerde ab, begründend wurde ausgeführt, dass es sich bei den über mehrere Jahre regelmäßig aufgesuchten Zielen um Standorte, also Betriebsstätten des Unternehmens handle und diese It. Punkt 2 des Dienstvertrages auch als vorübergehende Dienstorte gewertet werden müssen, es liegen hiermit keine Reisen gem. § 3(1) Z 16b EStG vor. Die steuerliche Berechnung durch den Dienstgeber sei richtig durchgeführt worden.

Mit Vorlageantrag vom ersuchte der Bf. um Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht, begründend ausgeführt wurde unter anderem, dass gemäß der Lohnsteuerrichtlinien RZ 740 die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 3 (1) Z 16b EStG nicht voraussetze, dass der Einsatz außerhalb von Betriebsstätten des Arbeitgebers erfolgen muss. Dies ergebe sich auch anhand des Beispiels mit der Springertätigkeit eines Postbediensteten in anderen Postämtern (Betriebsstätten des AG). Lediglich der Einsatz an einem festen Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde ist Voraussetzung, und diese habe der Bf. erfüllt. Auch handelt es sich bei den Einsatzorten nicht um den Dienstort des Bf. Wie aus dem Arbeitsvertrag ersichtlich sei, sei der gewöhnliche Dienstort Wien. Es lag auch keine vorübergehende Versetzung vor, da der Bf. nur anlassbezogen in größeren Abständen zu Besprechungen zum genannten Einsatzort gefahren sei. Es handle sich daher sehr wohl um eine Dienstreise nach § 3 (1) Z 16b EStG.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt und Vorlagebericht dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde aus den bereits dargelegten Gründen.

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren wurde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom im Zuge einer Altaktenumverteilung dem erkennenden Richter zur Erledigung übertragen.

Mit Schreiben vom wurde dem Bf. der durch das Bundesfinanzgericht festgestellte Sachverhalt übermittelt und diesem die Möglichkeit gegeben innerhalb von sechs Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben. Das betreffende Schreiben blieb unbeantwortet.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. war am als ***Tätigkeit Bf.*** in die Dienste der Firma ***Arbeitgeber Bf.*** eingetreten. Laut Dienstvertrag ist der Dienstort des Bf. Wien, dem Arbeitgeber bleibt jedoch die vorübergehende oder dauernde Versetzung an einen anderen Arbeitsort vorbehalten.

Der Bf. hat seinen Wohnsitz in Wien und erzielte im Jahr 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 30.940,66 €. Im Jahr 2016 erzielte der Bf. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 26.419,67 € und im Jahr 2017 in Höhe von 24.764,42 €.

Der Bf. wurde etwa ein- bis zweimal im Monat für drei bis fünf Tage in ***Ort 2*** und ***Ort 1***, wo sich jeweils Standorte des Arbeitgebers befinden, eingesetzt, um mit dort ansässigen Kollegen Projektabklärungen und -abwicklungen durchzuführen sowie Anlagen, Baustellen und Kunden zu besuchen.

Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung 2015 bis 2017 machte der Bf. bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit betreffend das Dienstverhältnis zur ***Arbeitgeber Bf.*** Reisekosten (Kilometergelder, Tagesgelder) einkünftemindernd geltend.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Akteninhalt und ist unstrittig.

Die Feststellungen zum Dienstort und Einsatzgebiet basieren auf Punkt 2 und 3 des Dienstvertrages, welcher der Abgabenbehörde vom Bf. bereits im Zuge eines Vorhalteverfahrens betreffend die Veranlagung 2015 - 2017 vorgelegt wurde. Die Feststellungen zu den Tagen in ***Ort 2*** und ***Ort 1*** basieren auf der vom Bf. selbst vorgelegten und von der Abgabenbehörde unwidersprochen gebliebenen Aufstellungen. Die Entfernungen sowie die Lage der angefahrenen Orte sind als gerichtsnotorisch anzusehen und lassen die angegebenen Reisedauern - insbesondere bei Berücksichtigung der Arbeitsleistung des Bf. am Zielort - auch plausibel erscheinen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 sind von der Einkommensteuer befreit:

"16b. Vom Arbeitgeber als Reiseaufwandsentschädigungen gezahlte Tagesgelder und Nächtigungsgelder, soweit sie nicht gemäß § 26 Z 4 zu berücksichtigen sind, die für eine

- Außendiensttätigkeit (zB Kundenbesuche, Patrouillendienste, Servicedienste),
- Fahrtätigkeit (zB Zustelldienste, Taxifahrten, Linienverkehr, Transportfahrten außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers),
- Baustellen- und Montagetätigkeit außerhalb des Werksgeländes des Arbeitgebers,
- Arbeitskräfteüberlassung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, BGBl. Nr. 196/1988 , oder eine
- vorübergehende Tätigkeit an einem Einsatzort in einer anderen politischen Gemeinde gewährt werden, soweit der Arbeitgeber aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs. 5 Z 1 bis 6 zur Zahlung verpflichtet ist. Die Tagesgelder dürfen die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Kann im Falle des § 68 Abs. 5 Z 6 keine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden, weil ein Betriebsrat nicht gebildet werden kann, ist von einer Verpflichtung des Arbeitgebers auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern vorliegt.

Reiseaufwandsentschädigungen sind nicht steuerfrei, soweit sie anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns oder üblicher Lohnerhöhungen geleistet werden.

Vom Arbeitgeber können für Fahrten zu einer Baustelle oder zu einem Einsatzort für Montage- oder Servicetätigkeit, die unmittelbar von der Wohnung angetreten werden, Fahrtkostenvergütungen nach dieser Bestimmung behandelt werden oder das Pendlerpauschale im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 beim Steuerabzug vom Arbeitslohn berücksichtigt werden. Wird vom Arbeitgeber für diese Fahrten ein Pendlerpauschale im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 berücksichtigt, stellen Fahrtkostenersätze bis zur Höhe des Pendlerpauschales steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

Reiseaufwandsentschädigungen, die an Mitglieder des Betriebsrates und Personalvertreter im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher bundes- oder landesgesetzlicher Vorschriften für ihre Tätigkeit gewährt werden, sind steuerfrei, soweit sie die Beträge gemäß § 26 Z 4 nicht übersteigen."

Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann.

In lit. a bis e der Bestimmung sind Obergrenzen für die Kilometergelder sowie die Tages- und Nächtigungsgelder normiert. Zahlt der Arbeitgeber höhere Beträge, sind die die angeführten Grenzen übersteigenden Beträge steuerpflichtiger Arbeitslohn.

Muss ein Arbeitnehmer an mehreren Standorten des Unternehmens tätig werden und steht ihm an diesen Standorten ein Arbeitsplatz zur Verfügung, liegt bei Fahrten zwischen den Standorten keine Dienstreise iSd § 26 Z 4 hinsichtlich der Tages- und Nächtigungsgelder vor. Für die Beurteilung, ob an diesen weiteren Standorten ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist nicht von der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes (zB eigenes Büro), sondern aus funktionaler Sicht (organisatorische Eingliederung in der jeweiligen Arbeitsstätte) auszugehen. Somit sind Tagesgelder ab dem ersten Tag steuerpflichtig. (Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 26)

Erfolgt aus beruflichen Gründen eine Nächtigung an einem dieser Standorte, können die tatsächlichen Nächtigungskosten nicht steuerbar ersetzt werden.

Bei ständig wechselnder Einsatzstelle (Vertreter, Kundendienst, Monteure, Bauarbeiter, usw) kann der Mittelpunkt der Tätigkeit auch ein mehrere Orte umfassendes, regelmäßig besuchtes Einsatzgebiet sein (LStR 2002 Rz 719; siehe auch § 16 Tz 175; E , 94/15/0218).

Im Beschwerdefall kann nach der Aktenlage, insbesondere im Hinblick auf das Einsatzgebiet, kein Zweifel bestehen, dass es sich bei den aufgesuchten Zielen um Betriebsstätten des Unternehmens handelt. Es ist davon auszugehen, dass dem Bf. an den Standorten in ***Ort 2*** und ***Ort 1*** zumindest ein Schreibtisch und die für die dort auszuführende Arbeit notwendigen Materialien zur Verfügung gestellt werden. Die Standorte in ***Ort 2*** und ***Ort 1*** sind als vorübergehende Dienstorte zu werten, weshalb keine Reise gemäß § 3 Abs. 1 Z 16b EStG 1988 vorliegt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen bzw. ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar und eindeutig aus den gesetzlichen Bestimmungen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2025:RV.7105854.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
BAAAF-48743