Volljährige Pflegekinder sind den übrigen Kindern iSv § 2 Abs 3 FLAG völlig gleichgestellt
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7103871/2023-RS1 | Die Pflegekindeigenschaft nach §§ 184, 185 ABGB (alt §§ 186, 186a ABGB) wird bereits seit der FLAG-Novelle BGBl 284/1972, RV 310 BlgNR 13. GP, 6, nicht durch den Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes aufgehoben. Bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen (insbesondere § 2 Abs 1 und 2 FLAG) besteht daher auch für volljährige Pflegekinder Anspruch auf Familienbeihilfe (). |
RV/7103871/2023-RS2 | Entstehen beim Bundesfinanzgericht zwei oder mehrere Judikaturlinien, ist die belangte Behörde im verfassungsrechtlichen Gefüge zur Erhebung der Amtsbeschwerde (§ 28 Abs 2 VwGG) verpflichtet, um für die Normunterworfenen Rechtssicherheit herbeizuführen sowie um für sich selbst die Voraussetzungen zu schaffen, dem Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG durch einheitliche Gesetzesanwendung entsprechen zu können. Das Rechtsinstitut der Amtsbeschwerde ist nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen die Verwaltungsbehörde gegen das Verwaltungsgericht zu obsiegen erhofft. |
RV/7103871/2023-RS3 | Im Rahmen des Kindschafts- und Namensrechts-ÄnderungsG 2013[, BGBl. I 15/2013, erfolgte ua eine Umnummerierung bestimmter Paragrafen im ABGB: Aus den §§ 186 und 186a ABGB wurden die §§ 184 und 185 ABGB. Diese Änderung wurde im FLAG 1967 bisher nicht nachvollzogen. […D]ie Bezugnahme auf die §§ 186 und 186a ABGB in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 [ist] nunmehr als Bezugnahme auf die §§ 184 und 185 ABGB zu verstehen […] (). |
RV/7103871/2023-RS4 | Eine differenzierte Auslegung der Kinderbegriffe des § 2 Abs 3 lit a bis d FLAG 1967 müsste im Hinblick auf Art 7 Abs 1 B-VG aus besonderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein. Derartige Gründe sind dem VfGH nicht ersichtlich. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber in den EBRV 310 BlgNR 13. GP, 6, bei der Novelle BGBl 284/1972 des FLAG 1967 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen des § 2 Abs 3 FLAG 1967 die völlige Gleichstellung von Pflegekindern mit den übrigen Kindern erreicht werden soll. Nach Wortlaut und Zweck ist § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 dahin auszulegen, dass die Gewährung von Familienbeihilfe auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes möglich ist (vgl ). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Celar Senoner Weber-Wilfert Rechtsanwälte GmbH, Mariahilfer Straße 88A/1/5, 1070 Wien, diese vertreten durch Dr Michael Celar, Rechtsanwalt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe 02.2019-02.2022 für das Pflegekind ***1***, geboren ***2***, Ordnungsbegriff ***3***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Strittig ist im Beschwerdefall, ob die Pflegekindeigenschaft mit Volljährigkeit des Kindes endet und deshalb kein Anspruch auf die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag (im Folgenden nur: Familienbeihilfe) besteht. Mit dieser Begründung forderte die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid von der Beschwerdeführerin (Bf) die Familienbeihilfe für den Zeitraum vom Februar 2019 bis Februar 2022 zurück (gesamter Rückforderungsbetrag EUR 8.369,90). Weiters führte sie aus, es werde ersucht, das vj Pflegekind möge einen Eigenantrag einbringen.
Der Pflegesohn ist afghanischer Staatsbürger und lebt seit gemeinsam mit der Bf in ihrem Haushalt.
Bescheidbeschwerde vom (Einlangen bei Behörde)
Dagegen erhob die Bf frist- und formgerecht Beschwerde, in der sie vortrug, das sei zwar richtig, aber alle Kinder seien mit 18 Jahren volljährig und Pflegekinder seien leiblichen Kindern, Adoptivkindern und Stiefkindern gleichgestellt. Alles andere wäre Diskriminierung. Sie habe ihren Pflegesohn finanziert und verstehe nicht, weshalb es dann offenbar mit der Rechtslage übereinstimme, wenn er die Familienbeihilfe bezöge.
Seit ihr Pflegesohn bei ihr lebe, habe sie ihn komplett finanziert, da er bis Juli 2022 eine Ausbildung gemacht und auch positiv erledigt habe. Sie habe sein Essen, seine Kleidung, sein Handy, seine Schulbücher, seine Arbeitskleidung für die HLW, seinen Führerschein usw. bezahlt. Also all diese Ausgaben, für die die Kinderbeihilfe gedacht war. Als er am zu ihrer Mutter zog, weil sie unter Panikattacken litt, finanzierte ich ihn weiterhin. Er kam jeden Tag zum Essen, er hatte sein Zimmer, sie wusch seine Wäsche und lernte mit ihm. Er bekam Jausengeld für den nächsten Tag usw. Abends fuhr er dann zu ihrer Mutter, um diese während der Nacht zu pflegen.
Das weitere Vorbringen bezieht sich auf Zeiten nach dem Februar 2022 und wird mangels Relevanz für die gegenständliche Beschwerdesache nicht wiedergegeben.
Beschwerdevorentscheidung vom
Mit dieser wies die belangte Behörde die Beschwerde mit derselben Begründung wie im Erstbescheid als unbegründet ab und ergänzte, dass es seit Erreichen der Volljährigkeit im Jänner 2019 weder auf die Haushaltszugehörigkeit noch auf Berufsausbildung ankomme.
Vorlageantrag vom
Unter Berufung auf die erteilte Vollmacht erhob die rechtsfreundliche Vertretung Vorlageantrag und wandte gegen die Rückforderung ein, der von der belangten Behörde ins Treffen geführt Grund sei nicht nachvollziehbar. Weiter wurde wörtlich ausgeführt:
"Vorweg ist festzuhalten, dass Pflegekinder Adoptiv- sowie leiblichen Kindern rechtlich betreffend Familienbeihilfe gleichgestellt sind; demgemäß besteht der Anspruch auf Familienbeihilfe auch über die Volljährigkeitsgrenzen hinaus, sofern - wie hier gegeben - eine Ausbildung absolviert wird und die entsprechenden Leistungsnachweise erbracht werden. Die Beschwerdeführerin hat sämtliche Zeugnisse, Leistungsnachweise und Dokumentationen des Ausbildungserfolges lückenlos und jeweils unverzüglich dem Finanzamt übermittelt; letzteres war stets über sämtliche relevanten Anspruchsgrundlagen vollständig informiert, sodass für eine Rückforderung kein Raum bleibt. Das Datum des Erreichens der Volljährigkeit von ***1*** war selbstverständlich auch bekannt.
Auch für Pflegekinder gilt: für Studierende kann den Eltern Familienbeihilfe gewährt werden. Dies ist grundsätzlich bis zum Alter von 24 Jahren möglich. Für volljährige Kinder unter 24 Jahren besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem frühestmöglichen Beginn einer weiteren Berufsausbildung sowie für deren weiteren Verlauf. Die Familienbeihilfe wird grundsätzlich für die gesetzliche Mindeststudiendauer gewährt. Bei einem Studium mit Abschnittsgliederung wird pro Abschnitt ein Toleranzsemester eingeräumt. Wird ein Studienabschnitt innerhalb der Mindeststudiendauer absolviert, kann das nicht verbrauchte Toleranzsemester im weiteren Studienverlauf genutzt werden. Bei einem Studium ohne Abschnittsgliederung beträgt die Toleranzgrenze ein Studienjahr. Bei Ableistung des Präsenz- Zivil-oder Ausbildungsdienstes kann die Familienbeihilfe bis zum Alter von 25 Jahren gewährt werden. Für die Weitergewährung der Familienbeihilfe nach dem 18. Geburtstag müssen die Anspruchsvoraussetzungen nachgewiesen werden. Die Vorlage von Leistungsnachweisen muss beim Finanzamt Österreich erfolgen. Dies ist im gegenständlichen Fall stets gegeben gewesen, da sämtliche Leistungsnach weise von der Beschwerdeführerin übermittelt wurden; dies war auch vom Finanzamt zu keiner Zeit beanstandet worden.
Die Beschwerdeführerin ist sämtlichen ihr obliegenden Pflichten uneingeschränkt nachgekommen; für die Entziehung und Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag besteht keinerlei Grundlage, da ihr Pflegesohn zielstrebig einer Berufsausbildung nachgekommen ist.
Die Begründung, wonach die Pflegekindeigenschaft mit der Volljährigkeit des Kindes ende, ist im gegenständlichen Fall nicht nur verfehlt, sondern inhaltlich diskriminierend. Aus diesem Grund wird der angefochtene Rückforderungsbescheid ersatzlos aufzuheben sein.
Im übrigen verweist die Beschwerdeführerin auf ihre bisherigen Beschwerdeausführungen und beantragt ihre Einvernahme sowie die Einvernahme ihres Pflegesohnes ***1***.
Demgemäß stellt die Beschwerdeführerin unter einem an das Finanzamt Österreich den
ANTRAG,
die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Verhandlung und Entscheidung vorzulegen, wobei ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wird."
Vorlagebericht vom
Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem BFG mitsamt Bezug habender Aktenteile in elektronischer Form zur Entscheidung vor, wiederholte ihre bisherige Rechtsansicht und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Die - zulässige - Beschwerde ist begründet.
Aus den Begründungen der Schriftsätze geht hervor, dass die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird (§ 250 Abs 1 lit c BAO).
Der Antrag auf mündliche Einzelrichterverhandlung wurde form- und fristgerecht gestellt.
Mit E-Mail vom wurde bei der rechtsfreundlichen Vertretung angefragt, ob angesichts der beabsichtigten Stattgabe der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen werden könnte. Mit beim BFG am per Fax eingelangtem Schriftsatz wurde der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.
Rechtsfrage
Zu beantworten ist die Rechtsfrage, ob - wie die belangte Behörde vertritt - ein Beihilfenbezieher für das Pflegekind mit Erreichen dessen Volljährigkeit keinen Anspruch auf die Familienbeihilfe hat, weil mit Volljährigkeit die Eigenschaft als Pflegekind erlischt, oder ob volljährige Pflegekinder den leiblichen, Stief- und Adoptivkindern zivilrechtlich gleichgestellt sind, sodass die Volljährigkeit nicht schaden könne, wie die rechtsfreundliche Vertretung vorträgt.
Beschwerdevorbringen
Die Ungleichbehandlung von volljährigen Pflegekindern im Vergleich mit den leiblichen Kindern, Adoptiv- und Stiefkindern (§ 2 Abs 3 lit a bis d FLAG) sei diskriminierend. Die Bf habe alle ihr Obliegenheiten gegenüber dem Pflegesohn erbracht. Die übrigen Voraussetzungen nach dem FLAG, wie Schulerfolg, seien erfüllt, sodass die Rückforderung zu Unrecht ausgesprochen worden sei. Die Behauptung der zivilrechtlichen Gleichstellung wird nicht näher erläutert. Mit der Rechtsprechung des UFS/BFG, wonach die Volljährigkeit die Pflegekindeigenschaft zum Erlöschen bringe, hat sich die Beschwerde nicht auseinandergesetzt.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 2 Abs 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben für minderjährige und volljährige Kinder (letztere durch Erfüllung weiterer Voraussetzungen, zB erfolgreiche Berufsausbildung).
Gemäß § 2 Abs 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
§ 18a ASVG idF BGBl I 2/2015 lautet auszugsweise:
"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
§18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl Nr 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) - (5) […]
(6) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonates,
1. in dem die erhöhte Familienbeihilfe oder eine sonstige Voraussetzung (Abs1) weggefallen ist,
2. in dem der (die) Versicherte seinen (ihren) Austritt erklärt hat.
[…]"
Teilausschnitt historische Entwicklung des § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 seit Einführung des Pflegekindbegriffes im FLAG
Der Begriff der Pflegekinder wurde mit Bundesgesetz vom , BGBl 284/1972, mit folgendem Wortlaut in den § 2 Abs 3 lit d FLAG aufgenommen: "d) deren Pflegekinder (§ 186 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)." Davor waren Kostkinder vom Kinderbegriff des FLAG erfasst.
Zur Aufnahme des Begriffes Pflegekinder in § 2 Abs 3 lit d FLAG durch die Novelle BGBl 284/1972 wird in den Materialien (RV 310 BlgNR 13. GP, 6) ausgeführt, dass
"die im § 2 Abs 3 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 enthaltene Umschreibung des Begriffes 'Kind' […] vielfach bei Pflegekindern zu Härten [führt]. Für Pflegekinder kann derzeit nur dann Familienbeihilfe gewährt werden, wenn auf sie die Voraussetzungen des § 2 Abs 3 lit d zutreffen. Eine Voraussetzung ist, daß die Pflegeeltern überwiegend für den Unterhalt der Pflegekinder aufkommen müssen. Dies verhindert mitunter einen Anspruch auf Familienbeihilfe in den Fällen, in denen Pflegekinder aus Mitteln der Fürsorge unterstützt werden oder eine Waisenpension oder eine Lehrlingsentschädigung beziehen. Die vorgeschlagene Fassung soll diese Härte beseitigen und die Pflegekinder den übrigen Kindern (siehe § 2 Abs 3 lit a bis c) völlig gleichstellen." (zitiert in )
Die Ergänzung im Verweis um "§ 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches" erfolgte mit BG , BGBl 652/1989 iVm mit 1. KindRÄG 1989.
§ 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 idFd BG , BGBl 652/1989 lautet seither unverändert:
"Im Sinne dieses Abschnittes sind Kinder einer Person deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches)."
Im Rahmen des Kindschafts- und Namensrechts-ÄnderungsG 2013[, BGBl. I 15/2013, erfolgte ua eine Umnummerierung bestimmter Paragrafen im ABGB: Aus den §§ 186 und 186a ABGB wurden die §§ 184 und 185 ABGB. Diese Änderung wurde im FLAG 1967 bisher nicht nachvollzogen. […D]ie Bezugnahme auf die §§ 186 und 186a ABGB in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 [ist] nunmehr als Bezugnahme auf die §§ 184 und 185 ABGB zu verstehen […] ().
Teilausschnitt der historischen Entwicklung der das Pflegschaftsverhältnis regelnden Normen des ABGB:
§ 186 ABGB idFd BG , BGBl 162/1989 (1. KindRÄG 1989), vom bis , lautete:
"(1) Pflegeeltern üben ihre Rechte auf Grund einer Ermächtigung durch die unmittelbar Erziehungsberechtigten (§ 137a) oder durch den Jugendwohlfahrtsträger (§ 176a) aus.
(2) Pflegeeltern haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Vormundschafts- und Pflegschaftsverfahren Anträge zu stellen"
Mit dem 1. KindRÄG 1989 wurde nach § 186 folgender § 186a eingefügt:
"§ 186 a. Das Gericht hat Pflegeeltern auf ihren Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teil weise zu übertragen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht, das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für die Pflegeeltern.
Haben die Eltern oder Großeltern die Obsorge oder haben sie diese gehabt und stimmen sie der Übertragung nicht zu, so darf diese nur verfügt werden, wenn ohne sie das Wohl des Kindes gefährdet wäre.
Die Übertragung ist aufzuheben, wenn dies dem Wohl des Kindes entspricht. Gleichzeitig hat das Gericht unter Beachtung des Wohles des Kindes auszusprechen, auf wen die Obsorge übergeht.
Das Gericht hat vor seiner Entscheidung die Eltern, den gesetzlichen Vertreter, weitere Erziehungsberechtigte, den Jugendwohlfahrtsträger und jedenfalls das bereits zehnjährige Kind zu hören. § 181 a Abs. 2 gilt sinngemäß."
§ 186 ABGB idFd BG , BGBl I 135/2000 (2. KindRÄG 2001) lautete:
"Pflegeeltern sind Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen."
Mit 2. KindRÄG 2001 wurde § 186a ABGB geändert. Er lautete seither auszugsweise:
"(1) Das Gericht hat einem Pflegeelternpaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil).
[…]"
§§ 186, 186a ABGB idF des 2. KindRÄG traten gemäß dessen Artikel XVIII § 1 Abs 1 am in Kraft und wurden mit BG , BGBl I 15/2013, unverändert in die §§ 184, 185 ABGB übernommen.
§ 183 ABGB idF BGBl I 15/2013 (zuvor § 172 (Abs 1) ABGB) lautet:
"(1) Die Obsorge für das Kind erlischt mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit.
(2) Der gesetzliche Vertreter hat dem volljährig gewordenen Kind dessen Vermögen sowie sämtliche dessen Person betreffenden Urkunden und Nachweise zu übergeben."
Leg.cit. gehört zum Dritten Hauptstück des ABGB, der die §§ 137 bis 203 ABGB umfasst und die Überschrift "Rechte zwischen Eltern und Kindern" trägt.
RVEB in 296 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP zum KindRÄG 2001 (auszugsweise)
"Zu Z 34 (§ 186):
Das geltende Recht enthält bisher keine Definition des Begriffs "Pflegeeltern". Dieser Umstand hat in der Praxis zu Problemen geführt,[…] Der Entwurf umschreibt daher Pflegeeltern als Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes (zumindest im Innenverhältnis) tatsächlich ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Auch diese Definition deckt sich zwar nicht mit dem Verständnis, das dem (seinerseits nicht selbstständig definierten) Pflegeelternbegriff des Jugendwohlfahrtsgesetzes beigemessen wird, jedoch sind diese Begriffe von ihrer Funktion her auch nicht zur Deckung zu bringen.
[…] enthält § 186 Abs. 1 keine inhaltliche Regelung des Pflegeverhältnisses, sondern nur Hinweise darauf, auf welche Weise Pflegeverhältnisse mit verschiedener Ausgestaltung (vgl. Pichler in Rummel, Kommentar zum ABGB2, Rz 1 zu § 186, Klein, ÖA 1992, 135ff) zustande kommen können, § 137a ABGB bleibt dadurch unberührt. Der bloße Hinweis, auf welcher Rechtsgrundlage Pflegeverhältnisse beruhen können, als Anknüpfungspunkt für den Begriff der "Pflegeeltern" ist entbehrlich.
Eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommende Beziehung verlangt vor allem eine weitgehende Eingliederung in Haushalt und Lebensablauf der Pflegeeltern. Weiters muss zumindest beabsichtigt sein, eine emotionale Bindung des Kindes (vergleichbar der zu den leiblichen Eltern) aufzubauen. Die Grundsätze, die Lehre und Rechtsprechung zu § 180a Abs. 1 erster Satz ABGB entwickelt haben, können zur Interpretation des § 186 durchaus herangezogen werden. Demnach scheiden etwa Betreuungen durch Nachbarn oder Verwandte, die sich auf urlaubs-, berufs- oder krankheitsbedingte Abwesenheiten der Eltern oder eines Elternteils beschränken, aus dem Pflegeelternbegriff ebenso aus wie Einrichtungen der Tagesbetreuung ("Tagesmütter und Tagesväter") oder Betreuer in einem Internat. Dagegen können Verwandte, die - auch ohne formelle Begründung eines vertraglichen Pflegeverhältnisses - etwa nach einem tödlichen Unfall der Eltern ein Kind bei sich aufnehmen, schon kraft Gesetzes die Erfordernisse des Pflegeelternbegriffs erfüllen, wenn sie das Kind in ihren Haushalt aufnehmen und der Aufbau einer emotionalen Beziehung zumindest beabsichtigt ist. Auch Stiefelternteile fallen - im Gegensatz zum bisher geltenden Recht - bei Erfüllung der Voraussetzungen unter den Begriff der Pflegeeltern. Dieser ist daher einerseits enger, andererseits aber auch weiter als nach geltendem Recht. Allfällige vertragliche Beziehungen der mit der Obsorge betrauten Personen mit den Pflegeeltern können Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob Pflegeelterneigenschaft besteht, liefern, sind aber nicht unbedingt erforderlich.
An das Vorliegen der Pflegeelternschaft knüpft das ABGB weiterhin nur die Antragslegitimation in allen das Kind betreffenden Pflegschaftsverfahren (das Antragsrecht des § 186 zweiter Satz wird durch § 176 Abs. 2 idF des Entwurfs erweitert, § 186 zweiter Satz aber zur Klarstellung, dass Pflegeeltern auch in nicht von ihnen eingeleiteten Verfahren eine Antragslegitimation zukommt, in Geltung belassen). Andere Befugnisse können den Pflegeeltern nur vertraglich durch die mit der Obsorge betrauten Personen übertragen werden (dazu Schwimann in Schwimann, Praxiskommentar2, Rz 6 zu § 186), es sei denn, das Gericht überträgt ihnen ganz oder teilweise die Obsorge (§ 186a).
Zu Z 35 (§ 186a Abs. 1 und 2):
Da nach dem vorgeschlagenen § 186 bereits der Begriff der Pflegeelternschaft das Bestehen (oder zumindest den geplanten Aufbau) einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden Beziehung voraussetzt, kann diese Voraussetzung für die Übertragung der Obsorge auf Pflegeeltern in § 186a Abs. 1 entfallen. Die Aufrechterhaltung der Voraussetzung des geltenden Rechts, wonach diese Beziehung bereits bestehen muss, würde die sofortige Obsorgeübertragung an die Verwandten im zu Z 34 genannten Fall (tödlich verunglückte Eltern) verhindern. Die Übertragung der Obsorge auf Pflegeeltern soll aber weiterhin nur dann erfolgen, wenn nicht von vornherein feststeht, dass die Eingliederung in den Haushalt der Pflegeeltern nur vorübergehend erfolgen soll. Dieser Umstand wird zwar in der Regel auch dem Aufbau einer emotionalen Beziehung (und damit bereits der Erfüllung des Pflegeelternbegriffs) im Wege stehen. Dennoch können im Einzelfall - nämlich wenn zum Zeitpunkt, in dem die Eingliederung in den Haushalt erfolgt, eine solche Beziehung bereits aus anderen Gründen besteht - die Voraussetzungen für die Erfüllung des Pflegeelternbegriffs gegeben sein. Die zeitliche Dimension in § 186a Abs. 1 hat daher nach wie vor eigenständige Bedeutung, selbst wenn die Verwandten im Fall der tödlich verunglückten Eltern als Pflegeeltern iSd § 186 anzusehen sind, wird ihnen die Obsorge nur dann zu übertragen sein, wenn die Aufnahme in ihren Haushalt für längere Zeit geplant ist.
In Abs. 2 soll das eingeschränkte "Vetorecht" leiblicher Verwandter in aufsteigender Linie, die irgendwann einmal die Obsorge gehabt haben, entfallen. Das Kriterium, wer die Obsorge einmal gehabt hat, sagt über emotionale und soziale Nähe zum Kind nichts aus, eine heftige Diskussion (vgl. Pichler in Rummel, Kommentar zum ABGB2, Rz 2 zu § 186a) zum geltenden Recht wird dadurch entschärft.
Zu Z 36 und 37 (Randschriften und Überschriften zu den §§ 187 bis 189):
Das neue System der Betrauung verschiedener Personengruppen mit der Obsorge ist dadurch gekennzeichnet, dass nur mehr zwischen der Obsorge von Eltern, Großeltern und Pflegeeltern einerseits und der Obsorge durch andere Personen (die Jugendwohlfahrtsträger, andere Verwandte oder nahestehende Personen, fremde Personen) andererseits unterschieden wird. Für Erstere gelten ausschließlich die Bestimmungen des Dritten Hauptstücks, die Bestimmungen des Vierten Hauptstücks sind nur auf die zweitgenannten Personengruppen anwendbar. Die Rechtsinstitute der Vormundschaft und der Sachwalterschaft für Minderjährige gehen in der Obsorge durch andere Personen auf, daneben bleiben das Rechtsinstitut der Sachwalterschaft für volljährige psychisch kranke oder behinderte Menschen und das Rechtsinstitut der Kuratel für die Sonderfälle der Kollision, für Ungeborene und für Abwesende und unbekannte Teilnehmer an einem Geschäft bestehen."
Weisung des für Angelegenheiten des FLAG zuständigen Bundesministeriums
Punkt 02.03. Ziffer 2 der Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967; Neufassung (Teil I) vom ***2***, AÖF 2001/44 (RDB Manz online, FLAG-Kommentar, Hrsg Lenneis/Wanke, 2. Auflage, Lindeverlag, Papierausgabe Seite 1090, kurz: DRL-FLAG ) weist die Beihilfenbehörde an:
"Bei Auslegung des Begriffes "Pflegekinder" ist vor allem auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage in 310 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP zu verweisen, worin ausdrücklich festgehalten ist, dass die Neufassung bestehende Härten beseitigen und die Pflegekinder den übrigen Kindern völlig gleichstellen soll. Diese Neufassung verfolgt offenkundig die Absicht, den Kreis der anspruchsvermittelnden Kinder auszuweiten und weitgehend für jedes Kind, für dessen Pflege und Erziehung innerhalb einer Familie gesorgt wird, eine Familienbeihilfe zu gewähren. Aus dem Hinweis auf § 186 ABGB kann nicht gefolgert werden, dass ein in Pflege genommenes Kind die Eigenschaft als Pflegekind verliert, wenn Fürsorgeleistungen oder Alimentationsleistungen der Unterhaltspflichtigen erbracht werden. Das Pflegekindschaftsverhältnis wird nicht durch den Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes aufgehoben. Bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen (insbesondere § 2 Abs 1 und 2) besteht daher auch für volljährige Pflegekinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Wird für einen nahen Familienangehörigen, der kein Kind im Sinne des § 2 Abs 3 lit a bis c ist (zB Geschwister), wie für ein Pflegekind gesorgt, so bestehen keine Bedenken, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs 3 lit d anzunehmen; dies gilt auch für volljährige Kinder im Sinne des § 2 Abs 1 lit c." (Hervorhebung durch BFG)
Die Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (DR), Stand September 2010, Abschnitt 02.03 (zitiert in ), treffen zum "Kindesbegriff" folgende Aussagen:
"2. Bei Auslegung des Begriffes "Pflegekinder" ist vor allem auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage in 310 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates XIII. GP zu verweisen, worin ausdrücklich festgehalten ist, dass die Neufassung bestehende Härten beseitigen und die Pflegekinder den übrigen Kindern völlig gleichstellen soll. Diese Neufassung verfolgt offensichtlich die Absicht, den Kreis der anspruchsvermittelnden Kinder auszuweiten und weitgehend für jedes Kind, für dessen Pflege und Erziehung innerhalb einer Familie gesorgt wird, eine Familienbeihilfe zu gewähren … Wird für einen nahen Familienangehörigen, der kein Kind im Sinne des § 2 Abs. 3 lit a bis c FLAG 1967 ist (zB Geschwister), wie für ein Pflegekind gesorgt, so bestehen keine Bedenken, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 lit d FLAG 1967 anzunehmen …
3. Familienbeihilfe kann auch bei einem nur vorübergehenden Pflegekindschaftsverhältnis gewährt werden …". (Hervorhebung durch BFG)
Aktuell sind im RIS die Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (BGBl. Nr. 376/1967 i.d.g.F.) (Stand September 2005), des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom , GZ BMSG-510104/0001-V/1/2005, kundgemacht (kurz: DRL-FLAG 2005). Darin ist Punkt 02.03 unverändert aufrecht.
Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
In ständiger Rechtsprechung erkennt der Verwaltungsgerichtshof zu Gesetzesverweisen zwischen verschiedenen Rechtsgebieten zu Recht:
"Verbindet der Gesetzgeber - wie hier - nach der Methode der rechtlichen (formalen) Anknüpfung abgabenrechtliche Folgen unmittelbar mit Kategorien und Institutionen anderer Rechtsgebiete, so übernimmt er, wenn sich nichts anderes aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, auch den Bedeutungsinhalt, der den Begriffen in der Heimatdisziplin zukommt" (zB ).
Der Begriff des Pflegekindes stammt aus dem Familienrecht. Als formalrechtlicher bürgerlich-rechtlicher Begriff ist er nach den Grundsätzen des Zivilrechts auszulegen und mit dem zivilrechtlichen Begriffsinhalt in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 zu übernehmen.
EBRV 310 BlgNR 13. GP, 6, zur FLAG-Novelle 1972, BGBl 284/1972
Nach den Materialien wurde mit der Novelle des Familienlastenausgleichsgesetzes im Jahr 1972 bezweckt, mit Einführung des Pflegekinderbegriffes in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 die zivilrechtliche Gleichstellung aller Varianten von Kinder beihilfenrechtlich umzusetzen. Die DRL-FLAG beziehen sich mit ihrer Aussage, dass "[das] Pflegekindschaftsverhältnis nicht durch den Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes aufgehoben [wird und dass] bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen (insbesondere § 2 Abs 1 und 2) daher auch für volljährige Pflegekinder Anspruch auf Familienbeihilfe [besteht]", auf eine seit 1972 bestehende Rechtslage.
Die Weisung bezieht sich nicht auf Änderungen iZm dem 2. KindRÄG 2001, die erst mit in Kraft getreten sind.
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes
Zu § 2 Abs 3 lit d FLAG iVm §§ 186, 186a ABGB idF des 1. KindRÄG 1989 erkannte der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu Recht: "Pflegekinder iSd § 2 Abs 3 lit d FamLAG idF 1989/652 sind nur solche Personen, bei denen die Pflegeeltern ihre Rechte auf Grund einer Ermächtigung durch die unmittelbar Erziehungsberechtigten oder durch den Jugendwohlfahrtsträger ausüben oder bei denen das Gericht der Pflegeeltern auf ihren Antrag die Obsorge über das Kind ganz oder teilweise übertragen hat (vgl ; ).
Die Pflegeelternschaft wurde demnach mit individuellem Rechtsakt bewirkt.
Im ersten Beschwerdefall , hat der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus ausgeführt: "Bedenken gegen die in Rede stehende Gesetzesstelle des FLAG vor dem Hintergrund des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatzes sind beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden, weil die Einbeziehung (nur) der unter die §§ 186 und 186a ABGB fallenden Kinder als Pflegekinder iS des § 2 Abs. 3 FLAG idF der Novelle BGBl. Nr. 652/1989 durchaus sachlich erscheint."
Der Verwaltungsgerichtshof hat die bis geltende Zivilrechtslage nach dem Wortlaut dahingehend ausgelegt, dass das Pflegschaftsverhältnis nach der Heimatrechsdisziplin nicht ausdrücklich über die Volljährigkeit des Pflegekindes hinausging, weil mit Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes die Ermächtigung der Pflegeeltern erlosch. Das Zivilrecht selbst hätte demnach das Pflegschaftsverhältnis mit Erreichen der Volljährigkeit des Pflegekindes begrenzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte keine Bedenken, dass eine Verletzung des aus dem Gleichheitssatz resultierenden Sachlichkeitsgebots vorliegen könnte, wenn der Anspruch auf die Familienbeihilfe auch für volljährige leibliche Kinder und deren Nachkommen, Wahlkinder und Stiefkinder (§ 2 Abs 3 lit a - c FLAG) besteht, jedoch bei Pflegekindern (§ 2 Abs 3 lit d FLAG) nur auf die Dauer deren Minderjährigkeit begrenzt ist.
Gestützt auf diese Judikaturlinie des Verwaltungsgerichtshofes haben der UFS und das BFG zum Teil abweislich entschieden.
Zu § 2 Abs 3 lit d FLAG iVm §§ 186, 186a ABGB idF vor dem 2. KindRÄG 2001 erkannte der VwGH zu Recht:
Nach § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Demnach schreibt das Gesetz zwei Tatbestandsvoraussetzungen der Pflegeelternschaft vor, nämlich die tatsächliche Betreuung und eine bestimmte Qualität der Bindung. Bei Vorliegen beider Komponenten ist die Pflegeelternschaft kraft Gesetzes ohne Notwendigkeit eines rechtsgeschäftlichen oder gerichtlichen Begründungsaktes gegeben (vgl. Barth/Neumayr, in Klang3, § 186, Tz. 3). Auch Einzelpersonen kann die Pflegeelterneigenschaft zuteil werden (§ 186a Abs. 1 ABGB). Dass die mit einem leiblichen Elternteil in Lebensgemeinschaft lebende Person bei Übernahme von Betreuungsleistungen und bei Vorliegen einer § 186 ABGB entsprechenden emotionalen Bindung als Pflegeelternteil gilt, entspricht der herrschenden Auffassung (vgl. Klang, a.a.O., Tz. 15) (, zu § 2 Abs 3 lit d FLAG zu einem minderjährigen Pflegekind).
Die Pflegeelternschaft nach § 184 ABGB ist kraft Gesetzes - auf die Art des Begründungsakts oder die Rechtsgrundlage dafür kommt es nicht an - gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, nämlich einerseits die tatsächliche (gänzliche oder teilweise) Besorgung der Pflege und Erziehung im Sinn einer rechtmäßigen und regelmäßigen Betreuung, andererseits die geforderte persönliche Beziehung im Sinn des Bestehens oder zumindest der Absicht zum Aufbau einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern vergleichbaren emotionalen Bindung vorliegen (vgl. OGH RIS-Justiz RS0127991 sowie den dg. Beschluss vom , 3 Ob 165/11b). Beide Begriffselemente setzen in der Regel eine weitgehende Eingliederung des Kindes in den Haushalt und Lebensablauf der Pflegeeltern voraus (vgl. die Materialien zum Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001, BGBl. I Nr. 135/2000, ErläutRV 296 BlgNR 21. GP 69 f; EFSlg. 141.271; Hopf in KBB4, § 184 Rz 1 mwN) (, zu einem minderjährigen Pflegekind mit Drittstaatsangehörigkeit).
Die Pflegeelterneigenschaft nach § 184 ABGB idF KindNamRÄG 2013, BGBl. I Nr. 15/2013, ist kraft Gesetzes gegeben, wenn die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale, nämlich die geforderte persönliche, emotionale Beziehung einerseits und die tatsächliche (gänzliche oder teilweise) Besorgung der Pflege und Erziehung andererseits vorliegen. Maßgebend sind die faktischen Verhältnisse (vgl. die in RIS-Justiz RS0127991 wiedergegebene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes; zur Frage des Eintrittes der Volljährigkeit vgl. Weitzenböck in Schwimann/Kodek5 unter FN 5 zu § 184 ABGB) (, § 26a Abs. 1 Z 1 GGG, § 4 Abs. 2 GrEStG, dem volljährigen Pflegekind wurde die Volljährigkeit nicht entgegengehalten).
Zum Pflegekindbegriff idF 2. KindRÄG ab bei dessen Volljährigkeit fehlt - soweit festgestellt werden konnte - eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967.
Erkenntnis
Ein zu , vergleichbarer Beihilfenfall eines volljährigen Pflegekindes konnte in der findok nicht festgestellt werden.
Mit Erkenntnis , erkannte nunmehr der Verfassungsgerichtshof zu Recht, dass "[seit der Novelle BGBl 284/1972] Anspruch auf Familienbeihilfe auch für bereits volljährige behinderte Pflegekinder besteht." Dabei zog der Verfassungsgerichtshof eine Stellungnahme des Verfassungsdienstes (Teil I, Rn 5 des zitierten Erkenntnisses) heran, in der Folgendes ausgeführt wurde (auszugsweise):
"5.1. Zur einschlägigen Rechtslage und zu deren Entwicklung führt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst unter anderem aus, dass die Aufnahme des Begriffes Pflegekinder in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 auf die Novelle BGBl 284/1972 zurückgehe. Den Gesetzesmaterialien dazu (RV 310 BlgNR 13. GP, 6) sei zu entnehmen, dass die bis dahin enthaltene Umschreibung des Begriffes Kind vielfach bei Pflegekindern zu Härten geführt habe. Die vorgeschlagene Fassung solle diese Härten beseitigen und die Pflegekinder den übrigen Kindern (§ 2 Abs 3 lit a bis c leg cit) völlig gleichstellen.
Zum Verweis auf die §§ 186 und 186a ABGB in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 führt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst aus, dass dieser auf Grund einer Umnummerierung dieser Paragrafen im ABGB im Rahmen des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes 2013, BGBl I 15, als Bezugnahme auf die §§ 184 und 185 ABGB zu deuten sei. Die Nennung der §§ 186 und 186a ABGB sei ansonsten nämlich sinnlos: § 186 leg cit treffe gar keine Regelung über Pflegeeltern und §186a leg cit existiere nicht einmal mehr. Die Umnummerierung im ABGB sei im FLAG 1967 bis jetzt nicht nachvollzogen worden.
5.2. Zur Bedeutung des Begriffes Pflegekinder in § 2 Abs3 lit d FLAG 1967 und dem Verhältnis zwischen § 184 und § 185 ABGB legt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst dar, dass gemäß § 184 leg cit die Pflegeelternschaft ex lege gegeben sei, wenn die beiden gesetzlichen Tatbestandsmerkmale vorlägen, nämlich die tatsächliche - gänzliche oder teilweise - Besorgung der Pflege und Erziehung sowie das Bestehen einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahekommenden persönlichen Beziehung oder die Absicht, eine solche herzustellen. Zu beachten sei allerdings auch § 185 AGBG, in dem die gerichtliche Betrauung von Pflegeeltern mit der Obsorge für das Pflegekind geregelt werde. Es liege daher die Vermutung nahe, dass es neben Pflegeeltern gemäß § 184 leg cit auch solche Pflegeeltern gebe, die gemäß § 185 leg cit vom Gericht zusätzlich mit der Obsorge betraut würden. Für die Beantwortung der Frage nach der Begründung der Pflegekindeigenschaft im Sinne des § 2 Abs 3 litd FLAG 1967 komme es auf das Verhältnis zwischen § 184 und § 185 ABGB allerdings nicht an. Denn es gebe keinen Hinweis darauf, dass mit der Bezugnahme auf das ABGB in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 auf die gerichtliche Übertragung der Obsorge an die Pflegeeltern abgestellt werden solle. Das ungeklärte Verhältnis zwischen § 184 und § 185 ABGB schlage aber auf die Beantwortung der Frage nach der Beendigung der Eigenschaft als Pflegeeltern und Pflegekinder durch. Entscheidend sei dafür die Auslegung des § 183 Abs 1 ABGB, wonach die Obsorge ex lege mit dem Eintritt der Volljährigkeit erlösche. Denkbar sei einerseits die Auffassung, wonach sich diese Anordnung nur auf die gemäß § 185 leg cit übertragene Obsorge beziehe und die von einer solchen Obsorgeübertragung unabhängige, auf die bloße faktische Besorgung von Pflege und Erziehung abstellende Pflegeelternschaft im Sinne des § 184 leg cit unberührt lasse. Andererseits könne man argumentieren, dass die in § 183 Abs1 ABGB getroffene Anordnung sämtliche Bereiche der Obsorge - somit auch die für die Eigenschaft der Pflegeelternschaft konstitutiven Teilbereiche Pflege und Erziehung - erfasse und dass mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes somit auch die Pflegeelternschaft erlösche. Zu entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen gelange man auch bei der Auslegung des § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 und bei den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen.
Ausdrücklich werde auf diese Frage in den Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967 des damaligen Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz eingegangen: Dort werde explizit die Auffassung vertreten, dass das Pflegekindschaftsverhältnis durch den Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes nicht aufgehoben werde. Ein Hinweis auf eine unterschiedliche Behandlung von Eltern, Groß-, Adoptiv- und Stiefeltern einerseits und Pflegeeltern andererseits abhängig vom Alter des Pflegekindes finde sich auch nicht in der Kommentierung zu § 18a ASVG (Pfeil, § 18a ASVG, in: Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg.], Der SV-Komm, 216. Lfg. 2018, Rz 4 und 5).
[…]"
Im Erwägungsteil (III.) führt der Verfassungsgerichtshof aus:
"5.1. Der Gesetzgeber regelt in § 2 Abs 1 lit b bis l FLAG 1967, unter welchen Voraussetzungen Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder haben. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Verweis auf §§ 186 und 186a ABGB in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 darüber hinaus unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz bei Eintritt der Volljährigkeit eines Pflegekindes einen Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich ausschließen wollte. Im Gegenteil hat er bei der Novelle BGBl 284/1972 des FLAG 1967 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen des § 2 Abs 3 FLAG 1967 die völlige Gleichstellung von Pflegekindern mit den übrigen Kindern erreicht werden soll (RV 310 BlgNR 13. GP, 6).
5.2. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst legt in seiner Stellungnahme eingehend dar, dass der Verweis in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 auf die §§ 186 und 186a ABGB (nunmehr §§ 184 und 185 ABGB) und das Verhältnis zu § 183 Abs 1 ABGB einige Auslegungsfragen aufwirft. In der vorliegenden Konstellation ist jedoch vor dem Hintergrund der dargelegten ausdrücklichen Absicht des Gesetzgebers sowie nach dem Zweck der maßgeblichen Bestimmungen eine Auslegung zugrunde zu legen, wonach es sich auch nach Eintritt der Volljährigkeit eines behinderten Pflegekindes um ein Pflegekind iSv § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 handeln kann und sohin - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - ein Anspruch auf Familienbeihilfe und die Möglichkeit einer Selbstversicherung nach § 18a ASVG bestehen kann (in diesem Sinne auch die Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967). Einem derartigen Ergebnis steht auch der Gesetzeswortlaut nicht entgegen: Der Hinweis auf §§ 186 und 186a ABGB (nunmehr §§ 184 und 185 ABGB) in § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 kann - und muss daher - in verfassungskonformer Auslegung so gelesen werden, dass behinderte Pflegekinder nicht schon alleine auf Grund des Eintrittes der Volljährigkeit keine Kinder mehr iSv § 2 Abs 3 FLAG 1967 sind." (Hervorhebung durch BFG)
Im VfGH-Verfahren war nicht das Bundesfinanzgericht belangte Behörde, sondern das Bundesverwaltungsgericht wegen § 18a ASVG. Der Verfassungsgerichtshof hat zum Kinderbegriff des § 2 Abs 3 FLAG 1967 eine konkrete Aussage getroffen. Bemerkt wird, dass der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe für volljährige Kinder (hier wegen voraussichtlich dauernder Nichterreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit) nicht zwingend den Schluss bedingt, dass das Kind einer zeitintensiven Pflege bedarf.
Im Zeitpunkt der FLAG-Novelle 1972 file die Vollziehung des FLAG in die Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen. Das Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz werde erst mit Bundesgesetz. Gemäß seinem Artikel XI ist dieses Bundesgesetz am in Kraft getreten.
Nach der im VfGH-Erkenntnis zitierten Stellungnahme des BKA-Verfassungsdienst hat dieses die von UFS/BFG (zum Teil) vertretene Rechtsansicht, dass mit Eintritt der Volljährigkeit die Eigenschaft als Pflegekind erlösche, für vertretbar angesehen. Der VfGH hat demgegenüber zu Recht erkannt, dass gegen die Intentionen des historischen Gesetzgebers keine anderslautende Auslegung zulässig ist.
Mit , ist klargestellt, dass seit Einführung der Pflegekinder in § 2 Abs 3 lit d FLAG 967 mit Novelle BGBl 284/1972 der Anspruch auf Familienbeihilfe - bei Erfüllung der übrigen Tatbestandsmerkmale - auch für volljährige Pflegekinder besteht. Begründend führte der VfGH zu einem im Jahr 2023 verwirklichten Sachverhalt und einer Rechtslage des FLAG und des ABGB des Jahres 2023 die Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl 284/1972, RV 310 BlgNR 13. GP, 6, ins Treffen. Das kann nur dahin verstanden werden, dass seit der FLAG-Novelle BGBl 284/1972 für volljährige Pflegekinder der Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat und besteht.
Eine differenzierte Auslegung der Kinderbegriffe des § 2 Abs 3 lit a bis d FLAG 1967 müsste im Hinblick auf Art 7 Abs 1 B-VG aus besonderen Gründen sachlich gerechtfertigt sein. Derartige Gründe sind dem VfGH nicht ersichtlich. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber in den EBRV 310 BlgNR 13. GP, 6, bei der Novelle BGBl 284/1972 des FLAG 1967 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass im Rahmen des § 2 Abs 3 FLAG 1967 die völlige Gleichstellung von Pflegekindern mit den übrigen Kindern erreicht werden soll. Nach Wortlaut und Zweck ist § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 dahin auszulegen, dass die Gewährung von Familienbeihilfe auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes möglich ist (vgl ).
Mit dem 2. KindRÄG 2001 ist eine wesentliche Änderung des Pflegekindbegriffes §§ 184, 185 ABGB dahin erfolgt, dass dieser nach seinem Wortlaut unzweifelhaft nicht als zeitlich begrenzt ausgelegt werden kann.
Zu den abweislichen Entscheidungen von UFS/BFG (zB ; ; ; ; ), die die belangte Behörde ins Treffen geführt hat, sei bemerkt, dass vom Erlöschen der Obsorge mit Eintritt seiner Volljährigkeit (§ 172 ABGB idF BGBl 162/1989; § 172 Abs 1 ABGB idF BGBl I 1325/2000; § 183 Abs 1 ABGB idF BGBl I 15/2013) alle Kinder, also leibliche Kinder, Adoptiv(Wahl)kinder, Stief- und Pflegekinder gleichermaßen betroffen sind. § 183 Abs 1 ABGB ist iVm dessen 2. Absatz zu lesen, wonach der gesetzliche Vertreter dem volljährig gewordenen Kind dessen Vermögen sowie sämtliche dessen Person betreffenden Urkunden und Nachweise zu übergeben hat. Mit Eintritt der Volljährigkeit erlangen alle Kinder Eigenberechtigung. "Mit ,eigenberechtigt' ist im § 184 Abs 1 Z 1 ABGB volle Geschäftsfähigkeit gemeint " (). Volle Geschäftsfähigkeit bedeutet, als Rechtssubjekt Träger von Rechten und Pflichten sein zu können. Die Übertragung der Obsorge für voll geschäftsfähige Kinder ist (abgesehen von tragischen Fällen einer körperlichen oder geistigen Behinderung) zivilrechtlich ausgeschlossen bzw denkunmöglich und kann dem Pflegekindbegriff des §§ 184, 185 ABGB nicht entgegengehalten werden.
Soweit festgestellt werden konnte, hat der Verwaltungsgerichtshof noch nicht im Fall eines volljährigen Pflegekindes, das bereits als minderjähriges Kind bei Pflegeeltern gelebt hat, wegen § 2 Abs 3 lit d FLAG entschieden.
Aus den Judikaten OLG , 7Rs101/05g und , ergeben sich sachverhaltsbezogen folgende Anforderungen an ein Pflegeschaftsverhältnis: Es muss ein "Nahekommen" zwischen Pflegeeltern und Pflegekind vorliegen, das weniger ausgeprägt sein darf, als es für die in § 180a Abs 1 ABGB geregelte Adoptivbewilligung sein muss. Bei der Beurteilung wird kein einzelfallbezogener, sondern ein allgemeiner Maßstab angelegt. Demnach ist erstens eine tatsächliche Betreuung durch die Pflegeeltern (den Pflegeelternteil) mittels weitgehender Eingliederung in Haushalt und Lebenslauf der Pflegeeltern gefordert. Zweitens muss der Pflegeelternteil zumindest beabsichtigen, eine emotionale Bindung des Kindes (vergleichbar zu den leiblichen Eltern) aufzubauen.
"Die tatsächliche Besorgung der Pflege und Erziehung ist bei einem minderjährigen Pflegekind zu bejahen, wenn das Pflegekind mit seinen Pflegeeltern (seinem Pflegeelternteil) in einem gemeinsamen Haushalt lebt" (). Liegt dieser Sachverhalt vor, wird damit in aller Regel auch die Haushaltszugehörigkeit nach § 2 Abs 2 1. Fall FLAG 1967 erfüllt sein. Im Beschwerdefall geht es um eine Rückforderung nach § 26 Abs 1 FLAG 1967, sodass die belangte Behörde bei Antragsbewilligung die Haushaltszugehörigkeit, den Studienerfolg sowie den Fremdrechtsstatus des Pflegekindes geprüft haben muss. Gegenteilige Feststellung wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.
Bleibt die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Pflegesohn der Bf volljährig ist.
Für eine volljährige studierende Tochter sah der Verwaltungsgerichtshof die Haushaltszugehörigkeit bei der Mutter auch dann noch als gegeben an, als diese in einer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung angemieteten Kleinwohnung lebte, die Mutter regelmäßig die Wäsche wusch und bügelte, die volljährige Tochter an den meisten Wochenenden von ihrer Mutter oder Großmutter im Haushalt der Mutter bzw der Großmutter bekocht wurde und der Kindesvater den Unterhalt der Tochter zu 100% trug ().
Nach dem Beschwerdevorbringen hat das BFG keinen Zweifel daran, dass der verwirklichte Sachverhalt beide Tatbestandsvoraussetzungen des § 184 ABGB erfüllt. Das von der Bf geschilderte Sachvorbringen trägt die Annahme, dass eine tatsächliche Betreuung des Pflegekindes auch in dessen Erwachsenenalter erfolgt ist. Das ist bereits dadurch erkennbar, weil sie ihm eine weiterreichende Ausbildung ermöglicht und ihn währen dieser Zeit finanziell unterstützte, mit Unterkunft und Ernährungsstand versorgte und mit ihm lernte. Der Pflegesohn war in das Leben der Bf integriert und lebte mit ihr in einem Haushalt. Damit hat die Bf das zweite Tatbestandsmerkmal des § 184 bzw 186 ABGB miterfüllt, zumindest die Absicht zu haben, eine emotionale Bindung zum volljährigen Pflegesohn aufzubauen. Die Bf hat ihrem Pflegesohn die weiterführende Ausbildung ermöglicht, wozu sie von Gesetzes wegen nicht verpflichtet war. Während der Zeit, als der Pflegesohn sich bei der pflegebedürftigen Mutter der Bf während der Nacht aufhielt, war die Haushaltsgemeinschaft mit der Bf nicht aufgehoben, weil er sich untertags im Haushalt der Bf aufhielt und von ihr weiterhin verpflegt und umsorgt wurde (Kochen, Wäschewaschen und gemeinsames Lernen). Dadurch ist auch nicht dessen Pflegekindeigenschaft verloren gegangen. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid keine gegenteiligen Feststellungen getroffen.
Die Pflegekindeigenschaft nach §§ 184, 185 ABGB (aF §§ 186, 186a ABGB) wird bereits seit der Novelle BGBl 284/1972, RV 310 BlgNR 13. GP, 6, nicht durch den Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes aufgehoben. Bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen (insbesondere § 2 Abs 1 und 2 FLAG) besteht daher auch für volljährige Pflegekinder Anspruch auf Familienbeihilfe ().
Entstehen beim Bundesfinanzgericht zwei oder mehrere Judikaturlinien, ist die belangte Behörde im verfassungsrechtlichen Gefüge zur Erhebung der Amtsbeschwerde (Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG, § 28 Abs 2 VwGG) verpflichtet, um für die Normunterworfenen Rechtssicherheit herbeizuführen sowie um für sich selbst die Voraussetzungen zu schaffen, dem Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG durch einheitliche Gesetzesanwendung entsprechen zu können. Das Rechtsinstitut der Amtsbeschwerde ist nicht auf jene Fälle beschränkt, in denen die Verwaltungsbehörde gegen das Verwaltungsgericht zu obsiegen erhofft.
Im Beschwerdefall des zitierten VfGH-Erkenntnisses wurde die erhöhte Familienbeihilfe für ein volljähriges Pflegekind unstrittig gewährt. Aufgrund der Stellungnahme des BKA-Verfassungsdienstes, das auf die DRL-2001, Punkt 02.03., verweis, gingen offenbar BKA und VfGH davon aus, dass der Eintritt der Volljährigkeit des Pflegekindes im Beihilfenverfahren keine Fragen aufwirft.
Dem VwGH ist im Beschwerdefall insbesondere im Hinblick auf das zitierte Judikat , Gelegenheit zu geben, sich zum volljährigen (gesunden) Pflegekind iSv §§ 184, 185 ABGB iVm § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 zu äußern.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da zum Beihilfenanspruch für das (gesunde) volljährige Pflegekind eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs 3 lit d FLAG 1967 fehlt, war die ordentliche Revision zuzulassen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAF-48733