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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.03.2025, RV/6100221/2023

Aufwendungen für ein Arbeitszimmer, Fahrtkosten, Mitgliedsbeiträge zum Versorgungswerk für Rechtsanwälte

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Trigon Treuhand Wirtschaftsprüfungs- & Steuerberatungs GmbH, Trauttmansdorffgasse 5 Tür 1, 1130 Wien, gegen den von der belangten Behörde Finanzamt Österreich am zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ausgefertigten Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2020 zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruchs dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Einkommensteuer für das Jahr 2020 mit € 12.977,00 festgesetzt. Kosten für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer hat sie mit Verweis auf § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 nicht von den Einkünften abgezogen.

2. Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben und beantragt, die Kosten für das Arbeitszimmer (€ 1.801,90) sowie die anderen mit der Ausübung der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen, nämlich Kilometergeld (€ 2.240,78) und Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwaltskammer (€ 1.150,32) zu berücksichtigen.

3. Mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

4. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit Schreiben vom die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

5. Die belangte Behörde hat mit Bericht vom die Bescheidbeschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist für das Bundesfinanzgericht entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Der Beschwerdeführer war im Jahr 2020 beim Verein ***Verein1*** als Geschäftsführer tätig.

2. Das Arbeitsgebiet umfasst nach § 1 des am zwischen dem Beschwerdeführer und dem ***Verein1*** abgeschlossenen Geschäftsführervertrages insbesondere:

  • Die kaufmännische und betriebswirtschaftliche Führung der ***Philharmonie1***

  • Personalführung und Vertragsgestaltung mit Aushilfen, Solisten etc.

  • die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen, beispielsweise durch Sonderkonzerte, Musikwochen, Sponsorensuche und -pflege, neben der Tätigkeit und Organisation der Kurkonzerte gemäß Spielvertrag mit dem Freistaat Bayern, vertreten durch die ***Kulturverwaltung1***.

  • die komplette Organisation und Durchführung von Veranstaltungen sowie von Konzerten aller Art in ***Ort1*** und überregional. Dazu gehören insbesondere Kalkulation, Gagenverhandlungen, Transportfragen etc.

  • die Außendarstellung des Orchesters, d. h. inhaltliche und zeitliche Koordination von Präsentationen und Werbemitteln wie Flyer, Plakate, Radiowerbung etc.

  • die Erstellung der Dienstpläne in Zusammenarbeit mit der künstlerischen Leitung.

  • Repräsentationstätigkeiten, beispielsweise bei Politik, Medien, gesellschaftlichen Anlässen, aber auch gegenüber dem ***Musikrat1*** etc.

3. Nach § 4 des Geschäftsführervertrages war eine Arbeitszeit 40 Stunden wöchentlich vereinbart, mit der Verpflichtung auch Überstunden zu leisten. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Pausen konnte der Beschwerdeführer eigenverantwortlich unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse des Betriebes bestimmen. Die Tätigkeit konnte er auch von seinem Zuhause ausüben, sofern dies die Aufgabenstellung zuließ.

4. Für Dienstreisen war nach § 5 des Geschäftsführervertrages vereinbart, dass der Beschwerdeführer gegebenenfalls ein privates KFZ verwendet und ihm Fahrtkosten, Ausgaben und Spesen auf Antrag nach Vorlage der Abrechnungen vom Verein erstatten werden.

5. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Beschwerdeführers beträgt 16,4 Kilometer. Die Benützung eines Massenbeförderungsmittels war dem Beschwerdeführer im Jahr 2020 nicht zumutbar.

6. Der Beschwerdeführer zahlte im Jahr 2020 Beiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg in Höhe von insgesamt € 1.184,64. Die Tätigkeit als Rechtsanwalt hat der Beschwerdeführer seit Jahren nicht ausgeübt, er erzielt daraus keine Einkünfte.

7. In Deutschland bestand während der COVID-19 Pandemie im Jahr 2020 zu keinem Zeitpunkt ein gesetzliches bzw. behördlich ausgesprochenes Verbot des Arbeitens im Betrieb des Arbeitgebers.

8. In Bayern war Verlassen der Wohnung zur Ausübung beruflicher Tätigkeiten erlaubt.

III. Beweiswürdigung

1. Die Punkte II.1. bis 4. ergeben sich aus dem angeführten Geschäftsführervertrag und sind unstrittig.

2. Punkt II.5. ergibt sich aus dem Google Routenplaner und ist unstrittig.

3. Punkt II.6. aus der Beitragskontenübersicht 2020 des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg.

4. Punkt II.7. ergibt sich aus den folgenden im Internet veröffentlichten Belegstellen:

"https://www.wiwo.de/politik/deutschland/corona-wie-verlief-der-erste-lockdown-in-deutschland/26853384.html#:~:text=An%20welchem%20Datum%20begann%20der%20erste%20Corona%2DLockdown%20in%20Deutschland,M%C3%A4rz%202020%20in%20Kraft"
(Beitrag der "WirtschaftsWoche" vom , 13:16 Uhr: "Wie verlief der erst Lockdown in Deutschland").

"https://www.wiwo.de/politik/deutschland/corona-lockdown-so-ist-der-zweite-lockdown-in-deutschland-verlaufen/27076474.html"
(Beitrag der "WirtschaftsWoche" vom , 10:28 Uhr: "So ist der zweite Lockdown in Deutschland verlaufen").

5. Punkt II.8: Die Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie in Bayern enthält die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom , Az. Z6a-G8000-2020/122-98, veröffentlicht im Internet unter folgenden Belegstellen:

"https://www.stmb.bayern.de/med/aktuell/arSo ist der zweite Lockdown in Deutschland verlaufenchiv/2020/ausgangsbeschrankung/" bzw. "https://www.stmb.bayern.de/assets/stmi/slider/20-03-19_ausgangsbeschraenkung_bayern.pdf"
(Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege)

IV. Rechtliche Beurteilung

A. Rechtslage

1. Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

2. Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 Werbungskosten. Für die Berücksichtigung diesr Aufwendungen gilt, dass das Pendlerpauschale bei mindestens 2 km bis 20 km 372 Euro jährlich beträgt, wenn dem Arbeitnehmer die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Entfernung nicht zumutbar ist (§ 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988).

3. Wenn der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 hat, steht gemäß § 16 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 bei Einkünften aus einem bestehenden Dienstverhältnis als Absetzbetrag der Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu.

4. Gemäß § 18 Abs. 1 Z 1a EStG 1988 sind, soweit nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten vorliegen, Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbare Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen als Sonderausgaben abzugsfähig.

4. Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer und dessen Einrichtung sowie für Einrichtungsgegenstände der Wohnung bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Bildet ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, sind die darauf entfallenden Aufwendungen und Ausgaben einschließlich der Kosten seiner Einrichtung abzugsfähig.

B. Rechtliche Würdigung

1. Arbeitszimmer

1.1. Grundsätzlich sind Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer nicht bei den Einkünften abzugsfähig. Die Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer (häusliches Arbeitszimmer) sind nach den von der Rechtsprechung zusätzlich zu den in § 20 Abs. 1 Z 2 lit. d EStG 1988 normierten Voraussetzungen entwickelten Kriterien nur dann anzuerkennen, wenn ein Arbeitszimmer nach der Art der Tätigkeit des Steuerpflichtigen notwendig ist und der zum Arbeitszimmer bestimmte Raum tatsächlich ausschließlich oder nahezu ausschließlich beruflich genutzt und auch entsprechend eingerichtet ist ().

1.2. Die Notwendigkeit eines im Wohnungsverband gelegenen Arbeitszimmers setzt die Erforderlichkeit eines eigenen Raumes für die Ausübung der beruflichen Tätigkeit voraus. Es ist zu prüfen, inwieweit nach der hierfür maßgeblichen Verkehrsauffassung Art und Ausmaß des durch die Einkünfteerzielung zu erwartenden Arbeitsanfalles einen eigenen Büroraum erforderlich machen (). Dieses Kriterium muss in zwei Ausprägungen erfüllt sein. Erstens muss das Arbeitszimmer der Verkehrsauffassung entsprechend sowohl nach der Art der Tätigkeit als auch auslastungsbedingt notwendig sein. Zweitens entfällt die Notwendigkeit des häuslichen Arbeitszimmers, wenn dem Steuerpflichtigen ein Arbeitsplatz an seiner Dienststelle zur Verfügung steht (). Verfügt der Steuerpflichtige als Arbeitnehmer über ein jederzeit zugängliches Arbeitszimmer an seiner Arbeitsstätte, steht dies der Notwendigkeit eines häuslichen Arbeitszimmers entgegen (; ).

1.4. Dem Beschwerdeführer war ein Arbeitszimmer an seiner Arbeitsstätte jederzeit zugänglich. Sein Geschäftsführervertrag sah vor, dass er die Tätigkeit auch von seinem Zuhause ausüben konnte, sofern dies die Aufgabenstellung zuließ. Der Beschwerdeführer hatte somit die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, es bestand aber keine Pflicht dazu und auch kein Verbot des Arbeitgebers, die Tätigkeit im Büro auszuüben. Damit fehlt es an der Notwendigkeit für ein häusliches Arbeitszimmer. Daran ändert der Umstand nichts, dass im Jahr 2020 berufliche Tätigkeiten wegen der COVID-19 Pandemie generell in vermehrtem Ausmaß von zu Hause aus verrichtet wurden. Auch durch die COVID-19 Pandemie entstand keine Notwendigkeit eines eigenen häuslichen Arbeitszimmers. Es bestand nämlich kein gesetzliches Verbot des Betretens des Arbeitsplatzes und auch kein Verbot des Arbeitgebers. Notwendig war allenfalls die Einrichtung eines vorübergehenden Arbeitsplatzes in der Privatwohnung anzusehen, nicht aber die Einrichtung eines ganzen Zimmers. Dies hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 16 Abs. 1 Z 7a EStG 1988 idf BGBl. I Nr. 52/2021 zum Ausdruck gebracht, womit er bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Abzugsmöglichkeit für damit verbundene Aufwendungen schuf (). Auch in Deutschland bestand während der COVID-19 Pandemie im Jahr 2020 kein gesetzliches Verbot des Arbeitens im Betrieb (), vielmehr war das Verlassen der Wohnung zur Ausübung beruflicher Tätigkeiten erlaubt (oben Punkt II.7. und 8. sowie Punkt III.4. und 5.). Die Beschwerde war in diesem Punkt daher unbegründet.

2. Fahrtkosten

Der Beschwerdeführer hat als Werbungskosten Fahrtkosten in Höhe von € 2.240,78 geltend gemacht, dafür aber keinen Nachweis erbracht. Im Schreiben seiner steuerlichen Vertretung vom wird ausgeführt, dass für Fahrten Kilometergeld verrechnet und beantragt werde, ein Fahrtenbuch aber nicht vorliege. Aus der beigelegten Aufstellung geht hervor, dass es sich um Fahrten zwischen seinem Wohnort und Arbeitsort handelt (Fahrten von Salzburg nach Bad Reichenhall und retour, Fahrtkosten für insgesamt 5.335 Kilometer á € 0,42). Nachdem mit den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht unstrittig ist, dass die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Beschwerdeführers 16,4 Kilometer beträgt und ihm die Benützung eines Massenbeförderungsmittels im Jahr 2020 nicht zumutbar war, liegen die Voraussetzungen für Werbungskosten gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d EStG 1988 (Pendlerpauschale) in Höhe von € 372,00 und für den Absetzbetrag gemäß § 16 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 (Pendlereuro) in Höhe von € 32,80 vor. Der angefochtene Bescheid war in diesem Punkt gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern.

3. Mitgliedsbeiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwaltskammer

Der Beschwerdeführer ist nicht als Rechtsanwalt tätig. Mangels diesbezüglicher Einkünfte sind seine Beiträge, die er im Beschwerdejahr an das Versorgungswerk für Rechtsanwälte in Baden-Württemberg leistete, nicht als Betriebsausgaben absetzbar. Die Beiträge sind auch keine Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen aus Geschäftsführertätigkeit des Beschwerdeführers. Da die Beiträge in der Folge aber zu pensionsartigen Bezügen und damit zu Einkünften führen werden (§ 22 Z 4 EStG 1988 bzw. § 25 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988), sind sie (ohne die Einschränkungen des § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988) als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 1a EStG 1988 absetzbar (). Diesbezüglich war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 279 Abs. 1 BAO abzuändern.


V. Bemessungsgrundlagen und Höhe der Abgabe

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer für das Jahr 2020 betragen:

VI. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im beschwerdefall relevanten Rechtsfragen sind mit der zitierten Judikatur ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
IAAAF-48732