Mutwillensstrafe im Zusammenhang mit einem Antrag auf Wiederaufnahme von Verfahren
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Walter Aiglsdorfer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Mutwillensstrafen 2024 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer hat mit Eingabe vom beantragt, die Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2020 wieder aufzunehmen.
Begründend führte er aus, dass es bezüglich Wiederfaufnahmen keine Grenzen geben würde. Es seien nur neue Tatsachen anzuführen.
Im Urteil (Anm. Richter: RV/5100909/2021) würde die Richterin schreiben, falls der Beschwerdeführer nicht der wahre Besitzer der Hunde wäre, so hätte er Kaufverträge vorzulegen. Mit den Kaufverträgen hätte das Urteil anders ausgesehen. Er hätte von den Kaufverträgen nichts gewusst.
Erst nach dem Urteil hätte der Beschwerdeführer die Kaufverträge erhalten - von Frau A.
Für den Beschwerdeführer würden dies neue Tatsachen sein, welche zum Zeitpunkt des Urteils bereits bekannt gewesen seien.
Durch diese Tatsachen würde sich das Urteil ändern, weil der Beschwerdeführer gar nicht Besitzer der Hunde sei.
Weiters gebe der Beschwerdeführer an, dass Frau A den Hund B bereits gekauft hätte, bevor sie bei ihm eingezogen sei.
Es werde daher um Wiederaufnahme der Verfahren 2015 bis 2020 gebeten.
Mit Bescheid vom hat die belangte Behörde eine Mutwillensstrafe gegenüber dem Beschwerdeführer verhängt.
"Gemäß § 112a BAO kann die Abgabenbehörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen, eine Mutwillensstrafe bis 700 Euro festsetzen.
Mit der in § 112a BAO vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer "in welcher Weise auch immer" die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nimmt (vgl. , zu § 35 AVG). Sobald ein abgabenbehördliches Organ eine an die Abgabenbehörde gerichtete Eingabe liest bzw. ein mündliches Anbringen oder einen telefonischen Anruf entgegennimmt, wird dessen Tätigkeit in Anspruch genommen.
Mutwillig nimmt die Behörde in Anspruch, wer sich in dem Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt ().
Mit Eingabe vom beantragten Sie die Wiederaufnahme der Einkommensteuer 2015-2019 und Umsatzsteuer 2015-2020. Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Mit der Eingabe vom wurde Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid eingebracht. Die diesbezüglich abweisende Beschwerdevorentscheidung erging mit . Mit der Eingabe vom beantragten sie die Vorlage an das Bundesfinanzgericht. Angemerkt sei an dieser Stelle, dass es für dies Verfahren (Einkommensteuer und Umsatzsteuer sowie Wiederaufnahme Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2016 und 2017) bereits rechtskräftige Entscheidungen sowohl des Bundesfinanzgerichtes (vgl. ) als auch des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) gibt.
Nach Durchführung einer ausführlichen mündlichen Verhandlung wurde Ihre Beschwerde gegen die Abweisung des Wiederaufnahmeantrages vom vom Bundesfinanzgericht, mit Erkenntnis vom , als unbegründet abgewiesen.
Sie haben nun erneut einen Wiederaufnahmeantrag für die Einkommensteuer 2015 - 2019 und Umsatzsteuer 2015 - 2020 eingebracht. Die Mutwilligkeit ist offenbar, weil für jede auch nur einigermaßen mit der Sache vertrauten Person leicht erkennbar ist, dass die von Ihnen formulierten Antragsbegehren nicht geeignet sind, im Abgabenverfahren andere rechtliche Beurteilungen irgendwelcher Art herbeizuführen. Zusätzlich führen Sie in Ihrem Antrag wie folgt aus: "Es können so viel Wiederaufnahme eingebracht werden es gibt keine Grenzen".
Die Festsetzung der Mutwillensstrafe liegt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde. Im gegenständlichen Fall wurde bereits Ihre Neigung zur Geltendmachung von aussichtslosen Erledigungsansprüchen erwähnt. Demnach ist die Festsetzung der Mutwillensstrafe dem Grunde nach geboten. Der durch Ihr Vorgehen verursachte Verwaltungsaufwand ist keineswegs unerheblich. Vielmehr erstreckt sich diese Vorgehensweise nicht nur auf den gegenständlichen Wiederaufnahmeantrag, sondern auch auf die Anträge auf Nachsicht, Zahlungserleichterung, Aufhebung gemäß § 299 BAO, Aussetzung der Einhebung und die Beschwerden gegen die aufrechte Pfändung.
Angesichts dieses erheblichen Mehraufwands wird daher die Höhe der Mutwillensstrafe mit 700 Euro bemessen."
Mit Eingabe vom wurde Beschwerde gegen diesen Bescheid eingebracht.
Es werde sofortige Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragt. Es werde Verfahrenshilfe in vollem Umfang beantragt. Die Mutwilligkeit werde komplett bestritten. Gegenständlich würde zu 100% eine neue Wiederaufnahme nach § 303 BAO vorliegen. Der Hund B sei im Besitz von Frau A gewesen (Kaufvertrag und Registrierung vor der Zeit des Beschwerdeführers). Dieser Hund sei in noch keinem Verfahren angeführt worden.
Mit Vorlagebericht vom wurde gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Nach Darstellung des Sachverhaltes sowie einer Stellungnahme wurde die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Zur Vorgeschichte:
Mit Erkenntnis vom (RV/5100909/2021) wurde die Beschwerde gegen die Bescheide über Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2015 bis 2017 und Umsatzsteuer 2016 und 2017 als unbegründet abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (Ra 2023/15/0005) vom wurde die diesbezügliche Revision zurückgewiesen.
Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2015 bis 2019 sowie Umsatzsteuer 2015 bis 2020).
Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (RV/5100013/2024) vom als unbegründet abgewiesen.
Nunmehr beantragt der Beschwerdeführer eine weitere Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 2015 bis 2020.
Im Vorlagebericht vom merkte die belangte Behörde weiters an, dass der Beschwerdeführer die Behörde bereits seit längerem mit zahlreichen Eingaben beschäftigt hätte.
Die belangte Behörde wies darauf hin, dass in den genannten Erkenntnissen des Bundesfinanzgerichtes bereits ausführlich über die Wiederaufnahme abgesprochen worden sei. Es sei kein neuer Wiederaufnahmegrund genannt worden. Auch über den Sachverhalt mit Frau A sei bereits abgesprochen worden.
Da also bereits mehrfach abweisend entschieden worden sei, hätte dem Beschwerdeführer jedenfalls bewusst sein müssen, dass eine neuerliche Eingabe erfolglos sein müsse. Somit sei die Mutwilligkeit offenbar.
Darüberhinaus würde die Vielzahl der Eingaben bzw. Benachrichtigungen des Beschwerdeführers in jeglicher Form auch in anderen Verfahren eine gewisse Freude an der Behelligung der Behörde durchaus vermuten lassen.
Mit Eingabe vom wurde der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Senat zurückgenommen - ebenso der Antrag auf Verfahrenshilfe.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Richtig ist, dass der Beschwerdeführer dazu neigt, zahlreiche Eingaben betreffend seine Steuerverfahren einzubringen.
Gegenständlich ist allerdings ausschließlich der eingebrachte Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2015 bis 2020 der Grund für die Festsetzung der strittigen Mutwillensstrafe.
Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass gegenständlicher Antrag auch das Jahr Einkommensteuer 2020 beinhaltet, dies wurde in dem streitgegenständlichen Bescheid falsch dargestellt. Über dieses Verfahren (Einkommensteuer 2020) wurde betreffend Wiederaufnahme noch nicht abgesprochen - weder vom BFG noch vom VwGH.
Im Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren hat der Beschwerdeführer tatsächlich Gründe bzw. einen Grund für eine Wiederaufnahme angeführt (Sachverhalt im Zusammenhang des Hundes B sowie Frau A). Dieser Grund wird allenfalls zu beurteilen sein.
Ob hier eine Aussicht auf Erfolg besteht, wird zu beurteilen sein. Ein Mutwille in der Antragstellung ist hier nicht zu erkennen. Dem Beschwerdeführer sind die Darstellungen in den bereits ergangenen Entscheidungen offensichtlich nicht klar genug.
2. Beweiswürdigung
Gegenständlicher Sachverhalt ist klar aus den genannten Verfahren ersichtlich.
Hingewiesen wird hier auf den strittigen Antrag auf Wiederaufnahme betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2015 bis 2020.
Die genannten übrigen Eingaben (lt. Screenshot im Vorlagebericht) sind für die Mutwillensstrafe nicht von Bedeutung.
Aus den genannten Erkenntnissen des BFG (RV/5100909/2021 sowie RV/5100013/2024) lässt sich kein "Mutwille" des Beschwerdeführers erkennen. Er ist lediglich der Ansicht, dass aus seiner Sicht tatsächlich neue Tatsachen hervorgekommen sind.
Dieser Sachverhalt wird zu prüfen sein.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 112a BAO kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis 700,00 Euro verhängen.
Bei der Mutwillensstrafe handelt es sich, wie bei der Ordnungsstrafe (§ 112 BAO), nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Mittel zur Sicherung einer befriedigenden, würdigen und rationellen Handhabung des Verwaltungsverfahrens. Die Verhängung einer Mutwillensstrafe soll die Behörde vor Behelligung, die Partei aber vor Verschleppung der Sache schützen (vgl. z. B. das zu dem im Wesentlichen gleich lautenden § 35 AVG ergangene Erkenntnis des ).
Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass die belangte Behörde die Verhängung der Mutwillensstrafe auf den ersten Tatbestand des § 112a BAO - die offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Tätigkeit der Behörde - stützt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig in diesem Sinn, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist. Mit der in § 112 a BAO (ebenso wie mit der in § 35 AVG) vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer "in welcher Weise immer" die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 35, Rz. 2 f, zitierten Nachweise aus der Rechtsprechung).
Eine Verschleppung des Verfahrens kann bei der Vorgehensweise des Beschwerdeführers nicht erkannt werden. Vor allem, da die Verfahren, ausgenommen das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 2020, bereits entschieden sind.
Der Beschwerdeführer vermeint tatsächlich im Recht zu sein und stützt sein Begehren (Wiederaufnahme der genannten Verfahren) auf tatsächlich vorliegende Gründe. Auch wenn diese Gründe bzw. der Grund (Besitz Hund) bereits in den abgeschlossenen Verfahren zumindest angeführt sind, kann im neuerlichen Antrag noch kein Mutwille erkannt werden.
Ob die nunmehr angeführten Gründe tatsächlich zum Erfolg führen können, kann nicht Gegenstand einer Mutwillensstrafe sein.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom , 98/10/0183, zu § 35 AVG ausgesprochen, dass mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen und ein derartiger Vorwurf nur dann am Platz ist, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe komme demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht.
Das damit zum Ausdruck gebrachte restriktive Verständnis des § 35 AVG, und auch des § 112a BAO, ist auf die gegenständliche Fallkonstellation übertragbar. Ein die Verhängung einer Mutwillensstrafe rechtfertigender Ausnahmefall ist in concreto für den urteilenden Richter nicht erkennbar.
Die Geltendmachung von Rechten mit allen in der Rechtsordnung vorgesehenen Mitteln ist nicht mutwillig (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 112a, Anm. 2). Zu diesen Mitteln zur Geltendmachung von Rechten gehört jedenfalls auch ein Antrag auf Wiederaufnahme von Verfahren.
Abschließend wird auch noch auf eine aktuelle Entscheidung des EuGH verwiesen. In diesem Urteil ging es um eine Ansicht der Datenschutzbehörde. Für die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) waren mehr als zwei Beschwerden pro Person im Monat "exzessiv". Ein Fall, bei dem ein Bürger 77 Beschwerden in knapp zwei Jahren einreichte, landete vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die reine Zahl der Beschwerden, wenn diese gerechtfertigt sind, kann nicht eingeschränkt werden, so der EuGH (vgl. ).
Ähnlich sind hier nach Ansicht des erkennenden Richters auch Anträge und Beschwerden in Steuerangelegenheiten zu sehen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gegenständliche Entscheidung war im Wesentliche von den Umständen des Einzelfalles und der Beweiswürdigung abhängig. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Revision liegen demnach nicht vor.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 112a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 112 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2025:RV.5100043.2025 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
YAAAF-48731